Rezension: Tsa- Vademecum

Vorbemerkung: Vielfältig und bunt – auf keine andere Gottheit Aventuriens treffen diese beiden Begriffe so zu, wie auf die lebensspendende Tsa. Genau dies drückt allein schon die quietschbunte Optik des Vademecums aus. Allerdings sollte man Tsa nicht allein auf solche äußerlichen Attribute reduzieren, wie schon in den Bändchen zu den anderen aventurischen Göttern sollen dem Leser hier vor allem das Denken und Handeln und die Glaubensgrundsätze der Geweihtenschaft nähergebracht werden.

In Zahlen:
– Vademecum- Reihe
– 160 Seiten
– Erschienen am 31.7. 2014

I. Aufbau und Inhalt
Schon das Vorwort betont die Unterschiede unter den Geweihten und deren Sprunghaftigkeit, wird als Verfasser doch ein Magier genannt, der dies stellvertretend für einen Tsa- Geweihten vornimmt, da alle bisherigen Versuche an der mangelnden Fähigkeit scheiterten, den Tsa- Glauben gebündelt darzustellen.

Zunächst werden in Ingame- Texten unterschiedliche Beschreibungen der Göttin selbst präsentiert, wobei natürlich vor allem ihr Charakter als Lebensspenderin in den Vordergrund gestellt wird. Bei der Geschichte der Glaubensgemeinschaft wird die Betonung vor allem auf die Verbindung zum Echsischen gelegt, allerdings wird hier keine strikte chronologische Aufzeichnung geboten, sondern eine episodenhafte Erzählweise verwendet. Genauso ergibt das Gefolge Tsas eine ausgesprochen illustre Mischung, reicht es doch von der Alverniarin Sajalana und Sohn/Tochter Simia bis hin zu Phänomenen wie dem Frühling oder der Morgenröte. Wie in den anderen Vademecum- Ausgaben finden sich zudem viele Gebete und Lobpreisungen Tsas, als passende Ergänzung zudem ein Hüpfspiel(!) für Kinder.

Die Artefakte und die heiligen Orte der Tsa weisen naturgemäß alle eine Verbindung zum Leben auf, sei es der sagenumwobene Quell des Lebens oder Tsas Kreide, mit der man Einfluss auf das Geschlecht seines Nachwuchses nehmen kann.

Vielfalt bleibt auch das Oberthema bei der Ausübung des Tempeldienstes, so gibt es keine eindeutigen Vorgaben für die Gestaltung von Tempeln (so denn eine Glaubensgemeinschaft überhaupt einen benötigt) und Durchführung von Gottesdiensten.

Das längste Kapitel nimmt die Vorstellung der einzelnen Glaubensrichtungen und -gemeinschaften ein, da auch hier keine einheitliche Kirche existiert, sondern eine ganze Reihe von Strömungen vorhanden sind, an denen sich die Gläubigen orientieren. Typischerweise ist dabei aber keine strikte Trennung vorgesehen, sondern besteht durchaus die Möglichkeit, dass ein Geweihter in seinem Werdegang gleich mehreren Ausrichtungen anhängt. Die Bandbreite reicht hierbei von den veganen und pazifistischen Friedensfreunden bis hin zu den radikalen Bilderstürmern, von denen der fiktive (und offenbar voreingenommene) Verfasser ein ausgesprochen negatives Bild als Vandalen und Anarchisten zeichnet, die fremden Besitz nicht respektieren. Mit dem Freiheitskämpfer wird hier auch ein Figurenkonzept vorgestellt, das auch die Tauglichkeit für eine Abenteuergruppe aufweist, was z.B. die Wehrhaftigkeit angeht, auch wenn natürlich auch bei dieser Glaubensausrichtung der Respekt vor dem Leben an erster Stelle steht. Angereichert wird diese Form von Vielfalt dann noch durch ein Sammelsurium an Quellen, die aus der Sicht einzelner Anhänger verschiedenster Glaubensrichtungen verfasst sind.

Den Abschluss des Vademecums bilden dann irdische Texte mit Anregungen zum Spiel mit einem Tsageweihten und einige zusätzliche Liturgien. Auch hier ist deutlich der Versuch erkennbar, etwas Einblick in eine möglich breite Motivation für Geweihte in ihrer Glaubensausübung zu verschaffen, wobei wiederum auf die einzelnen Ausrichtungen eingegangen wird.

II. Kritik
Eines der Ziele des Vademecums wird mit absoluter Sicherheit beim Leser erreicht, die große Vielfalt, die aufzeigt wird, legt einen Schluss deutlich offen: Den typischen Tsageweihten gibt es nicht. Vielmehr wird das Bild einer Glaubensgemeinschaft entworfen, in der unheimlich viele Ausrichtungen vertreten sind, die somit auch eine breite Anhängerschaft ansprechen können, da viele Spielstile denkbar sind. Für mich wird dabei z.B. mit dem Vorurteil ausgeräumt, es handele sich bei Tsa- Geweihten um reine Pazifisten (was in z.B. in Kampfsituationen ein beträchtliches Dilemma darstellen kann), stattdessen werden hier viele Facetten ausgeführt, die sich auch in Abenteuergruppen gut integrieren lassen und viele unterschiedliche Hintergrundgeschichten denkbar werden lassen.

Das Hauptthema „Leben“ wird sehr ausführlich angegangen, steht es doch im Mittelpunkt des Tsa- Glaubens, hier wird sehr transparent geschildert, welchen Wert es im Denken und Handeln der Geweihtenschaft einnimmt. Besonders interessant sind hier auch die vielen Spielarten, so wird auf viele unterschiedliche denkbare Verbindungsfelder wie den Frühling als Jahreszeitenwechsel als auch auf Themen wie Geburt und das generelle Verhältnis zu Kindern eingegangen.

Allein die Machart des Vademecums unterstreicht zudem den eher sprunghaften und unsteten Charakter der lebensbejahenden Geweihten, eben durch die vielen Quellentexte, die keine einheitliche Linie nahelegen sowie durch das Vorwort, das als Verfasser eben einen eigentlich außenstehenden Magus ausweist.

Aber genau hier liegt auch ein zentrales Problem des Vademecums. Anders als z.B. beim Firun- Vademecum fehlt mir nach vollständiger Lektüre das, was ich mir von dem Vademecum erhofft habe: Ich habe keinen echten Eindruck davon bekommen, was einen Menschen dazu motiviert hat, sein Lebens ganz Tsa zu widmen.

Von allen Gottheiten ist mir Tsa bislang in ihrer Agenda etwas diffus geblieben, auch gerade weil ihre Geweihtenschaft als Gruppe oder gar als politscher Machtfaktor (anders als z.B. bei den Geweihten von Praios, Rondra oder Boron) eher wenig präsent ist. Wenigstens eine etwas durchgehender und stringenter verfolgte Figur hätte hier vielleicht mehr Abhilfe schaffen können. Zumindest an der Stelle erhalte ich für meinen Geschmack eindeutig zu viel Vielfalt. Die Eindrücke, Spielstile und mögliche Persönlichkeitsstrukturen sind so breit gestreut, dass ein klarer Überblick schwer fällt. Da dem Tsa- Glauben auch keine einheitliche Kirchenstruktur zugrunde liegt, fehlen eben auch exemplarische Persönlichkeiten. Auch hier bin ich der Meinung, dass zumindest einige wenige solcher Charaktere zur Anschaulichkeit hilfreich gewesen wären. Mit einem entsprechenden Lebenslauf hätte dies im Prinzip die Grundthematik der Verschiedenheit nicht unbedingt unterlaufen. Ich weiß zwar jetzt, dass die Tsa- Kirche die Vielfalt schätzt, hätte mir aber eben mehr Einblicke in beispielhafte Biografien gewünscht, in denen z.B. auch (teilweise sehr extreme) Entwicklungsbrüche in ihrer Motivation glaubhaft erklärt werden.

Als gelungen betrachte ich dafür das abschließende Kapitel, in dem die einzelnen Geweihten mit Spieltipps versehen werden, hier erhält man etwas Einblick in die Ziele der einzelnen Glaubensausrichtungen, auch wenn dafür nur relativ wenig Platz bleibt. Die Texte sind im Allgemeinen gut und interessant geschrieben, allerdings fehlt durch den besonderen Aufbau eben der rote Faden, da extrem viele einzelne Perspektiven und Berichte zu den unterschiedlichsten Themengebieten aufgegriffen werden.

III. Fazit
Das Tsa- Vademecum bietet dem Leser einen durchaus interessanten Einblick in die Grundvorstellungen des Glaubens und stellt die extreme Vielfalt in der Umsetzung der Göttinnenverehrung erkennbar dar. Es fehlt mir aber ein hintergründiger Einblick in die Motivation, die einen Menschen zu einem überzeugten Gläubigen werden lässt, was bei einer Publikation, die vornehmlich aus Ingame- Texten besteht, aus meiner Sicht ein klares Defizit darstellt.

Bewertung: 3 von 6 Punkten

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