Klein aber fein? – Erste Eindrücke des DSA5-Abenteuerdesigns

Mit „Hexenreigen“ und „Offenbarung des Himmels“ sind nun die ersten beiden Publikationen erscheinen, die das DSA-Grundregelwerk inhaltlich unterfüttern sollen. Regel- und Abenteuerdesign sind natürlich grundsätzlich zwei Paar Schuhe, vor allem ändert eine neue Regeledition prinzipiell nichts am Hintergrund, Aventurien bleibt immer noch Aventurien, ist z.B. einem seit 30 Jahren immer weiter entwickeltem Metaplot verpflichtet. Trotzdem lassen sich aktuell schon einige allgemeine Tendenzen im Abenteuerdesign erkennen, von denen einige aber auch genauso angekündigt waren.

Bunt und dünn

Die augenfälligste Neuerung ist natürlich das Farbdesign, das meiner Meinung nach einen überfälligen Schritt hin zu einem modernen Erscheinungsbild darstellt. Natürlich ist dies letztlich auch eine Geschmacksfrage, trotzdem dient Farbe für mich vor allem der Anschaulichkeit, aber auch der Atmosphäre, wenn man mit deutlicheren Farbkontrasten arbeiten kann.

Genauso auffällig ist die Kürze im Vergleich zu den Abenteuern der letzten Jahre, die recht selten unter 100 Seiten blieben und auch meist im Hardcover-Gewand daherkamen. „Hexenreigen“ stellt hier den Maximalkontrast dar, handelt es sich doch um den Auftakt der neuen „Heldenwerk“-Reihe, die im Regelfall einem Format mit einer Länge um die 16 Seiten verpflichtet sein soll. Ziel ist es dabei, Abenteuer zu produzieren, die inhaltlich so gestaltet sind, dass es möglich sein soll, das Heft innerhalb von 1-2 Spielabenden durchzuspielen. Aber auch der erste Vollpreis-Titel „Offenbarung des Himmels“ ist als Softcover mit 64 Seiten überschaubar gehalten.

Offensichtlich wird hier im Moment ein neuer Ansatz vertreten. Einerseits dürfte dies sicherlich in dem Einsteigercharakter begründet sein, zunächst einmal dürften neue Helden einen eher niedrigen Erfahrungsgrad haben, wofür also Abenteuer für die klassischen „ersten Schritte“ benötigt werden, d.h. es bieten sich überschaubare Dimensionen an.

In der Tat sind beide Abenteuer in diesem Stil angelegt, als Hintergrund wird jeweils auf ein kleines Dorf mit einer überschaubaren Dorfgemeinschaft zurückgegriffen, der Grad an Exotik wird niedrig gehalten, die Gegner verfügen über kleinere bis mittlere Ressourcen, keine Armeen oder Festungen, die in epischen Schlachten niedergerungen werden müssen. Zudem kann der beteiligte Personenkreis klein gehalten werden, was auch dem Spielleiter entgegenkommen dürfte, der sicherlich im Moment noch die zusätzliche Aufgabe hat, sich in die neuen Regeln einzuarbeiten.

Zum anderen aber scheint es sich – so wurde es ja auch schon angekündigt – um eine Grundsatzentscheidung zu handeln. In den Foren findet man beispielsweise nicht selten die Rückmeldung, dass Spieler nicht mehr mit dem Metaplot mitkommen oder es gar nicht mehr schaffen, all die dicken Kampagnenbände durchzuspielen. Die Splitterdämmerung enthält beispielsweise 8 Bände, von denen jeder einzelne über 100 Seiten beinhaltet. Deutlich im Umfang reduziert, sollte es natürlich möglich sein, erheblich schneller eine solche Kampagne abzuschließen. Diesem Trend soll sich ja auch bald die Theateritter-Kampagne anschließen, die dann in dünneren Ausgaben im 2-Monats-Rhythmus erscheinen soll.

Hier kann ich die Idee durchaus nachvollziehen, genau diesen Hang zu einer ungemeinen Fülle an epischen Konstrukten habe ich ja vor einem Jahr kritisch angesprochen, vor allem unter dem Eindruck der Jahr 2012 und 2013, in denen kaum Abenteuer herausgegeben wurden, die nicht am Puls des Metaplots angelegt waren und in denen sich das Who is who Aventuriens die Klinke in die Hand gab. Kleinere Handlungsbögen müssen ja nicht minder spannend sein, wenn sie über eine gute Geschichte verfügen. Und genauso ist ein hoher Epikfaktor noch längst kein Qualitätsgarant. Stellt man beispielsweise die letzten beiden Bände der Splitterdämmerung den beiden DSA5-Abenteuern gegenüber, erachte ich letztere als deutlich gelungener.

Ausgewogenheit als Stärke

Allerdings halte ich natürlich für wichtig, hier nun nicht umgekehrt einen genauso einseitigen Weg einzuschlagen, der einen totalen Verzicht auf seitenstarke Bände bedeuten würde. Schließlich bedeuten mehr Seiten zunächst einmal mehr Platz zur Ausgestaltung. Figuren müssen dann nicht skizzenhaft beschrieben werden, Räume und Orte erhalten eine Ausgestaltung und Plots müssen sich nicht auf Zweizeiler beschränken. Im Idealfall kann dem Spieler somit eine Menge Arbeit abgenommen werden (falls dies seinem Wunsch entspricht). Ein ausgewogenes Verhältnis von dünneren Bänden mit „kleineren“ Plots und epischen Geschichten auf der anderen Seite würde ich ausdrücklich begrüßen. Und tatsächlich dürfen solche auch gerne mal seitenstärker ausfallen. Für durchaus richtig würde ich es aber halten, nicht ganz so inflationär damit umzugehen, wie in den letzten Jahren geschehen.

Interessanterweise bedeutet der reduzierte Platz in den beiden neuen Abenteuern keineswegs eine zu grobe Gestaltung, eher ist eine Konzentration auf das Wesentliche zu erkennen, indem ein Hauptstrang ausgeführt wird, der im Prinzip keine (Hexenreigen) oder nur wenige (Offenbarung des Himmels) Subplots enthält. Die zentralen Figuren werden trotzdem gut vorgestellt, ähnliches gilt für den Schauplatz. Im Fall von Hexenreigen existiert dafür nur noch wenig vorkonstruierte Handlung, sondern es existiert eine Orientierung an den räumlichen Bewegungen der Helden, die an den Schauplätzen jeweils eine bestimmte Grundsituation vorfinden. Trotzdem halte ich es für unwahrscheinlich, dass ein solches Konzept sich auch auf große Schlachtengetümmel übertragen ließe oder z.B. auf eine großangelegte Verschwörung in höchsten Regierungskreisen.

Aber bitte mit Karte!

Extrem positiv ist mir bisher die Ausstattung der DSA5-Abenteuer mit Kartenmaterial aufgefallen, in beiden Fällen existiert sowohl eine Karte des allgemeinen Schauplatzes als auch eine des Finalorts. Genau diesen Service hat man in der jüngeren Vergangenheit in vielen Publikationen vermisst, die eigentlich über genügend Umfang verfügen, um auch in dieser Hinsicht Platz erübrigen zu können. Das ist hoffentlich ein programmatischer Aspekt und würde für die Zukunft einen Kritikfaktor herausnehmen, der – auch von mir – mehr als einmal angemahnt wurde.

Etwas schade finde ich dafür den Verzicht auf eine Nummerierung, die sich ja eigentlich bislang editionsübergreifend immer erhalten hat. Davon hängt natürlich nicht das grundsätzliche Seelenheil eines DSA-Sammlers ab, für mich war das aber eine liebgewonnene Tradition. Und wenn man die neue Edition tatsächlich sichtbar von den Vorgängern abgrenzen möchte, wäre es doch problemlos möglich gewesen, eine neue Zählweise zu beginnen und „Offenbarung des Himmels“ eine große 1 am Coverrand zu spendieren.

Fazit

Kurzum, bislang haben mich beide DSA5- Publikationen positiv überrascht, der Einstieg über kleinere Handlungsstränge in bodenständigen Umgebungen erfasst den typischen Charme Aventuriens gut und wird auch dem zunächst notwendigen Einsteigercharakter gerecht. Die Heldenwerk-Reihe halte ich zudem für eine hochinteressante Idee, um schnell spielbare Abenteuer zu liefern. Interessant finde ich allerdings die Frage, ob eine verkürzte Seitenzahl auch für epischere Geschichten funktional ist und ob eine gesundes Maß gefunden wird, um trotzdem auch solche Bände zu kreieren, die über ein solches Format verfügen, auch komplexere und großangelegte Plots angemessen ausgestalten zu können.

Hinterlasse einen Kommentar