Rezension: Ein Goblin mehr oder weniger

Vorbemerkung: Mit „Hexenreigen“ hat die neue „Heldenwerk“- Reihe einen meiner Meinung nach äußerst gelungenen Auftakt genommen. In Zukunft werden diese kurzen Abenteuer in ihrer Print-Variante zusammen mit der überarbeiteten Variante des Aventurischen Boten vertrieben. Nachdem die beiden ersten DSA5- Abenteuer die Helden in kleine, ländliche Gegenden geführt haben, entführt uns „Ein Goblin mehr oder weniger“ von Gudrun Schürer nun in die Großstadt Festum, um die Recken dort mit einen Kriminalfall zu konfrontieren. Vorab erscheint für mich dabei die Frage interessant, ob das neue Kurzformat auch ausreichend Platz bietet, um ein Detektiv-Abenteuer mit genügend Handlung auszustatten.

In Zahlen:
– Abenteuer HW 02
– 16 Seiten
– Erschienen am 28.9. 2015
– Abo-Kombination mit dem Boten 173

I. Aufbau und Inhalt
Das Abenteuer nimmt seinen Anfang in der Folge des Mordes an dem Festumer Bürger Albin Sewerski. Die Helden geraten eher zufällig in die Geschichte hinein, da sie – laut vorgeschlagenem Einstieg – just in dem Moment von der Stadtgarde kontrolliert werden, als der überforderte Weibel von seinem Kommandanten unter Druck gesetzt wird, den Fall so schnell wie möglich aufzuklären. Kurzerhand beauftragt er die Helden, den Mörder zu finden, immerhin ist eine manierliche Belohnung ausgelobt.

Sobald die Helden ihre Ermittlungen aufnehmen, finden sie sich in dem biederen Milieu des Festumer Stadtteils Mauergärten wieder, während sie ein Motiv für den Mord an dem mürrischen alten Mann suchen. Familienstreitigkeiten bieten sich nur auf den ersten Blick an (v.a. in Form einer Liebschaft des Sohnes, die von dem Verstorbenen nicht geduldet wurde). Als interessant stellt sich allerdings die Tatsache heraus, dass im Umfeld des Tatortes in den letzten Tagen viele Goblins ebenfalls ihr Leben lassen mussten, die durch teils haarsträubende Unfälle gestorben sind. Beobachten die Helden zudem die Vorgehensweise der Stadtgarde bei der Erfassung des jüngsten Unfalltodes, so können sie ein extrem schlampiges Vorgehen registrieren, wobei die Gardisten vollkommen übersehen, dass es sich recht offensichtlich um einen Mord handelt. Hören sich die Spielercharaktere daraufhin bei der in Albins Nachbarschaft wohnenden Goblinfamilie um, erfahren sie schnell, dass es sich in der Tat um eine Mordserie handelt und die Unfälle nur – teils eher dilettantisch – vorgetäuscht waren. Die Goblins können dabei durchblicken lassen, dass sie wissen, wer Albin getötet hat. Sie bieten somit die Weitergabe dieser Information an, wenn die Helden im Gegenzug den Serientäter zur Strecke bringen. Dabei können sie außerdem im Ernstfall über die Schlagkraft der Goblins sowie die der Mondkinder, einer mit den Goblins verbündeten Diebesbande, verfügen.

Letztlich führen die Hinweise zu dem örtlichen Schmuggler Stanko Ilmeroff, dessen Lager unlängst von dem Goblin Urmeg entdeckt wurde. Da Stanko Goblins nicht auseinanderhalten kann, begann er in der Folge wahllos angehörige des pelzigen Volkes umbringen zu lassen. Sobald die Helden dies in Erfahrung gebracht haben, können sie in dessen Haus vordringen, wo der Schmuggler sich allerdings mit einer stattlichen Anzahl von Handlangern verstärkt hat und den Helden eine Falle stellen will.

Gelingt es – wahrscheinlich mit Hilfe der Goblins und ihrer Verbündeter – dieses Finale erfolgreich zu gestalten, liefern ihnen die Goblin den wahren Täter aus, bei dem es sich um ein Mitglied der Mondkinder handelt, der Albin (der in der Vergangenheit gerne gewalttätig gegen Goblins wurde) fälschlicherweise für den Mörder der Goblins hielt und deshalb umbringen ließ.

II. Figuren
Auch wenn er nicht der eigentlich gesuchte Mörder ist, sondern sich seine Untaten erst im Verlauf der Recherchen offenbaren, handelt es sich bei Stanko Ilmeroff um einen klassischen Ganoven, wie er in urbanen Gefilden häufig zu finden ist: ein skrupelloser Schmuggler, dem ein Leben wenig gilt (vor allem das eines Goblins nicht) und der mit gedungenen Schergen über beträchtliche Mittel verfügt, um für eine Einsteigertruppe einen ernstzunehmenden Gegner darzustellen. In traditioneller Schurken- Manier begegnen die Helden ihm natürlich erst am Ende des Abenteuers und durchleben zunächst Konfrontationen mit dessen rechter Hand, der kampferfahrenen Söldnerin Malwina.

Wichtig in diesem Abenteuer sind aber vor allem die Goblins, unter denen vor allem der junge Groink ständiger Begleiter der Helden wird, dient er ihnen doch als Führer und Laufbursche, kann später sogar als Geisel gegen sie verwendet werden. Die Verhandlungen zum Tausch der Informationen über die unterschiedlichen Mörder führt dagegen das Oberhaupt der Festumer Goblins Mantka Riiba, die sich als geschickte Unterhändlerin erweist.

III. Kritik
Insgesamt sorgt die Kürze des Abenteuers dafür, dass die Autorin sich auf die wesentlichen Informationen konzentriert hat, sprich die wesentlichen Figuren, den Schauplatz und die Vorgeschichte mit den Hintergründen der einzelnen Mordtaten.

Positiv fällt dabei zunächst auf, dass hier alle wichtigen Fakten so zusammengetragen werden, dass der Spielleiter wieder alle relevanten Hilfsmittel zur Verfügung hat. So existieren alle notwendigen Angaben für die Ausgestaltung der Figuren, genauso wie – wie bei allen bisherigen DSA5-Produkten – gutes Kartenmaterial in Form einer Karte der Wohngegend und des Hauses von Ilmeroff, das höchstwahrscheinlich der Finalort sein wird.

Einschränkend allerdings geizt das Bändchen mit Werteangaben, so finden sich nur Werte für Gardisten (mit denen wahrscheinlich aber gar keine Auseinandersetzung stattfinden wird) und sonst nur für die Handlanger des Schurkens. Gesonderte Werte für die beiden wichtigsten Gegenspieler, Stanko Ilmeroff und die Söldnerin Malwina, fehlen, zumindest diese bräuchten aus meiner Sicht unbedingt Werte, um sie als individuelle Herausforderung darzustellen.

Was den Inhalt angeht, so finden sich für den Spielleiter alle Informationen, um die Recherche der Helden zu begleiten, wenn diese z.B. beschließen sollten, die gesamte Nachbarschaft abzuklappern, um jeden greifbaren Anwohner zu befragen, so ist dies problemlos möglich. Ebenso sind auch Strategien der Gegenseite aufgeführt, wie diese auf die Nachforschungen der Helden reagieren könnte, von der plumpen Frontalattacke über Groinks Entführung hin zum finalen Gefecht. Die Vielzahl der Figuren sollte zudem dafür sorgen, dass die Helden genug Spuren aufnehmen können. Da es sich um zwei unterschiedliche Mörder handelt, dürfte die Lösung ohnehin nicht überschnell erfolgen.

Allerdings sind nicht alle Aspekte vollkommen glücklich gelöst, z.B. die Tatsache, dass die Helden den Mörder von Albin am Ende einfach so serviert bekommen (hier könnte als Erschwernis durchaus eine Flucht des Täters ins Auge gefasst werden). Vor allem agiert dieser Täter zuvor noch als Mitstreiter, wenn die Mondkinder auf Seiten der Helden agieren. Unbefriedigend ist zudem die Tatsache, dass dieser gar nicht der eigentliche Mörder ist, sondern zwei Schläger beauftragt hat, die zum Zeitpunkt des Abenteuers nicht mehr greifbar sind. Hier kann ich mir durchaus vorstellen, dass viele Heldengruppen eine weitere Verfolgung erwägen könnten, wozu zumindest die Namen und ein Halbsatz mit deren Zielort nach dem Verlassen von Festum eine Grundlage für ein selbsterstelltes Anschlussabenteuer sein könnten.

Der zentrale Antagonist bleibt für mich etwas wenig greifbar, so werden für mich die Ausmaße seiner Schmuggelhandlungen nicht klar, genauso wenig, was eigentlich Hauptbestandteil seiner schmutzigen Geschäfte ist (Sprich: Was schmuggelt der gute Mann eigentlich?). Ähnliches gilt für die Bande der Mondkinder, hier ist die genaue Verbindung zu den Goblins unklar, muss diese doch immerhin so eng sein, dass sie unter Umständen ihr Leben im Kampf gegen Ilmeroffs Schergen riskieren. Einzig bei einem der Mitglieder, das sich später als Täter herausstellen wird, wird eine Schutzgelderpressung erwähnt, die aber ausdrücklich ohne Wissen der restlichen Mondkinder stattfindet. An solchen Kritikpunkten merkt man dem Abenteuer dann doch seinen begrenzten Platz an.

Gelungen ist für mich die Grundidee, die Minderheit der Goblins in den Mittelpunkt eines solchen Abenteuers zu setzen, deren schlechte Behandlung durch ihre Mitmenschen und auch die Missachtung durch die eigentlich im Schutzauftrag handelnden Autoritäten gut dargestellt wird. So unterstreicht die Mordserie den geringen Wert eines Goblinlebens für Ilmeroff und seine Bande.

IV. Fazit
„Ein Goblin mehr oder weniger“ hat seine Stärke vor allem in der Darstellung des Mikrokosmos der kleinen Wohngegend mit interessanten Figuren, die die Recherche bereichern. Allerdings stößt das Abenteuer häufig auf seine Platzgrenzen, viele Aspekte können nicht ausgeführt werden, was vor allem in der Darstellung des zentralen Antagonisten schade ist.

Bewertung: 3 von 6 Punkten

6 Kommentare

  1. Öhm… Erschienen am 28.07.2015? Wirklich? Ich kann das noch nirgends finden…. Das sollte doch mit dem kommenden Boten kommen (den zumindest ich noch nicht bekommen habe).

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