Vorbemerkung: Bisher war die Theaterritterkampagne von Daniel Heßler und Niklas Forreiter in Sachen Handlungsdynamik eine sehr wechselhafte Reihe. „Der Weiße See“ präsentiert eine noch vergleichsweise geschlossene Geschichte, in der ein Konflikt zwischen Festumer Bürgern, Soldaten und norbardischen Händlern im Mittelpunkt steht. Deutlich mehr Hintergründe werden in „Das Blaue Buch“ offenbart, in dem sich auch offen ein Gegner präsentiert, der das Potential hat, das gesamte Bornland in seiner bisherigen Ordnung zu bedrohen. „Der Schwarze Forst“ setzt hier nur teilweise an, da hier ein Wildnisabenteuer um eine Stahllieferung stattfindet, in dem eher der Aspekt des erwachenden Bornlandes herausragt. Das jüngste Abenteuer „Der Grüne Zug“ nimmt nun wieder deutlich die Erzähllinie aus „Das Blaue Buch“ wieder auf, indem die Gegner der Helden nun erstmals für die bornische Obrigkeit offenbar agieren, womit hier nun ein militärischer Aspekt hinzukommt, sind die Spielercharaktere doch Teilnehmer eines Heerzuges.
In Zahlen:
– Theaterritter 4
– 64 Seiten
– Preis: 14,95 Euro
– erschienen am 26.8. 2016
I. Aufbau und Inhalt
Wie schon die vorangegangenen Teile verfügt das Abenteuer über eine Dreiteilung, gegliedert in einen vordergründig harmlosen Auftakt im Rahmen eines Bardentreffens, worauf die Reise im Heerzug folgt, bis es schließlich zum großen Showdown kommt, bei dem die Helden sowohl als Teilnehmer an einer Kommandooperation agieren können als auch als Kämpfer im Schlachtgetümmel.
Der Beginn des Abenteuers lässt wieder die drei schon aus den Vorgängerbänden bekannten Auftraggeber auftauchen, allerdings agieren diese hier nur als Vermittler, als eigentliche Ansprechpartnerin ergibt sich schnell die Adelsmarschallin Nadjescha von Leufurten persönlich, womit gleichzeitig auch das Signal gesetzt wird, dass die Entwicklungen der Verschwörung nun die höchsten Kreise des Bornlandes erreicht haben. Als Rahmen fungiert das alle vier Jahre stattfindende Bardentreffen in Norburg, wobei zur Ausgestaltung Teilnehmer, Schauplätze und einige Lieder vorgestellt werden. Den tatsächlichen Aufhänger markiert aber ein Attentat auf hochrangige Vertreter des bornischen Adels, als dessen Urheber zügig der Korsmalbund demaskiert wird, allerdings nun nicht mehr aus dem Untergrund agierend, sondern als Machtfaktor, offenkundig unterstützt von Graf Alderich von Notmark, der wie sein unseliger Vater Uriel selbst nach mehr Macht und Einfluss strebt.
Selbst unter der ungünstigen Voraussetzung von überschaubaren militärischen Ressourcen bleibt Nadjescha kaum eine andere Wahl, als einen Heerzug gen Notmark auszurufen. Da die Helden sich bei der Entlarvung der Hintermänner als tatkräftig erwiesen haben, erhalten sie nun eine Schlüsselposition als Vertraute der Adelsmarschallin. Der zweite Teil des Abenteuers ist somit auch bestimmt von den Widrigkeiten eines Feldzuges, wobei einerseits begleitende Ereignisse beschreiben werden als auch die Stationen des Reisewegs. Ein wichtiger Faktor auf der Reise sind die Handlungen der Helden, deren Reaktionen Einfluss darauf nehmen können, in welchem Maße die Teilnehmerzahl des Feldzuges anwächst oder zusammenschrumpft, was sowohl in der Anzahl der Kämpfer als auch in einem Moralwert regeltechnisch ausgedrückt wird.
Den Abschluss stellt das Finale in Notmark dar: Hier haben die Helden die Möglichkeit, sich im Rahmen einer Kommandoaktion einzubringen, bei der sie wahrhaft umwälzende Ereignisse auslösen können. Dies findet grundsätzlich gleichzeitig mit der Endschlacht statt. Die Helden können hier einerseits nur als Beobachter die Resultate wahrnehmen (wenn sie zuvor einen Großteil ihrer Kräfte investieren mussten) oder aber sich aktiv einbringen, wozu grobe Angaben zum Ablauf existieren. Die Resultate aus den Heldenaktionen spielen durchaus eine Rolle, so ist beispielsweise der finale Antagonist variabel angelegt, ebenso können die Gegner dezimiert in die Schlacht gehen, je nachdem, wie erfolgreich vorherige Handlungsepisoden bestritten wurden.
II. Figuren
Mit „Der Grüne Zug“ ist man definitiv beim Who is who der bornischen Gesellschaft angelangt, alleine schon dadurch, dass die Helden die Gelegenheit erhalten, persönliche Vertraute der Adelsmarschallin zu werden. Allerdings zeigen die Ereignisse auch, wie abhängig die vergleichsweise junge Nadjescha trotz all ihrer Entschlossenheit und persönlichen Tatkraft von der Unterstützung der Bronnjaren ist. Besonders reizvoll ist auch die Konstellation mit Wahnfried von Ask und Alderich von Notmark, zwei Figuren, die schon seit langem eine gewichtige Rolle in der Region einnehmen und die hier in ihrer Charakterzeichnung mit einigen Überraschungen aufweisen können, die jeweils konträr zu ihrer öffentlichen Wahrnehmung stehen.
Mit Olko und Leudara sind auch zwei NSCs vorhanden, die die Kampagne schon die ganze Zeit mitprägen. Hier ist interessant, dass die Autoren ihre jeweilige Funktion variabel angelegt haben, abhängig von den Resultaten der bisherigen Bände, die beiden ein hartes Schicksal mit einigen Prüfungen abverlangt haben, was man ihnen nun auch intensiv anmerkt.
III. Kritik
Wie schon bei der Figurenriege angedeutet, legt die Kampagne nun in Sachen Epikfaktor massiv zu, einerseits durch die Beteiligung vieler der wichtigsten Machthaber, anderseits durch die Ereignisse, die von umwälzender Bedeutung für Notmark sind, sowohl was das Stadtbild als auch die Reputation des Grafenhauses betrifft. Großereignisse an sich sind aber allein noch kein unbedingtes Qualitätsmerkmal, vor allem sollte hier immer der kritische Blick auf die Einflussmöglichkeiten der Helden erfolgen: Sind diese wirklich entscheidende Anführer mit Einfluss auf die zentralen Entscheidungen oder sind sie letztlich primär Beobachter?
Hier komme ich zu einem ambivalenten Eindruck. Einerseits haben die Autoren sich viel Mühe gegeben, eine ganze Reihe von Situationen zu gestalten, in denen die Helden sich aktiv einbringen können, z.B. bei der Rettung Nadjeschas aus dem anfänglichen Chaos, vor allem aber auf dem Reiseweg, wenn meist vollkommen offen ist, wie viele Mitstreiter an den einzelnen Stationen gewonnen werden können, abhängig vom diplomatischen Geschick der Spielercharaktere. Zudem sind viele Aspekte variabel gesetzt, so ist oft nicht eindeutig vorgehen, ob die Helden eines Gegenspielers unbedingt an einer bestimmten Stelle habhaft werden können oder ob dies zu einem späteren Zeitpunkt geschieht.
Allerdings sind die Einflussmöglichkeiten in manchen Bereichen kaum relevant, beispielsweise ist der Sieg des Grünen Zuges gesetzt, die vorherigen Bemühungen der Helden haben lediglich Auswirkungen auf die Höhe des Sieges, auch andere Ereignisse sind – eben auch der offiziellen Geschichte geschuldet – nur wenig variabel, z.B. was das Schicksal Wahnfrieds angeht.
Im Finale ist mir zudem der Ablauf etwas zu szenisch gestaltet. Das Szenario, das hier entworfen wurde, klingt hochspannend und ist sehr atmosphärisch, z.B. gefällt mir die Idee des auslegbaren Planes mit den variablen Schollen in der Lava sehr gut. Dafür ist das Schicksal von Olko/Leudara für meinen Geschmack viel zu cineastisch inszeniert, vor allem bleibt den Helden hier tatsächlich nur die Beobachterposition. Die Schauplätze der Katakomben und die Grotte mit den Schwertern des Nordens sorgen allerdings für Atmosphäre, die den mythischen Aspekt der Kampagne unterstreicht, zudem erfolgt so eine Abwechslung von einer reinen militärischen Handlung.
Eine Stärke des Abenteuers ist dafür eindeutig die große Figurenriege, die den Helden einerseits eine ganze Reihe von interessanten Verbündeten an die Hand gibt und die in verschiedenen Handlungsepisoden eine gewichtige Rolle spielen, hier gefällt mir insbesondere die Art, wie Wahnfried und Alderich eingesetzt werden. Jeder der drei großen Teilabschnitte verfügt zudem über einen eigenen Antagonisten mit individueller Prägung und Motivation, was ich gegenüber anonymem Schwertfutter für die eindeutig gelungenere Variante halte.
Etwas zu inflationär wird mir dafür mit dem Machtlevel der gegnerischen Fraktion umgegangen, insbesondere die Zahl von gleich 9 Drachenreitern halte ich für deutlich übertrieben. Drachen sind bei DSA für mich immer besondere Gegner gewesen, diese in so hoher Zahl einzusetzen entmystifiziert deren Bedeutung für mich. Hier hätte ich einen einzigen, besonders präsentierten Kampf (wie in „Das Blaue Buch“) deutlich bevorzugt, mit einem Gegner, der als eigenständiger Charakter konzipiert ist, während hier nur Wertekästen ohne Namen existieren.
Wichtig ist die Ausgestaltung mit zwei großen Einbandkarten von Norburg und Notmark, wobei letztere Karten sowohl die Veränderungen durch das Finale beinhaltet als auch die zentralen Positionen für das Schlachtgeschehen. Letzteres ist leider nur sehr grob skizziert, da eigentlich ein Mitwirken der Helden nicht vorgesehen ist, da diese mit ihren Kräften aller Voraussicht nach in den Katakomben sehr beansprucht werden. Daher existieren nur in wenigen Zeilen umrissene Einsatzmöglichkeiten, was auch insofern etwas bedauerlich ist, als das die taktische Grundidee mit dem Kampf an der Brücke und dem plötzlichen Ausfall der Belagerten eigentlich sehr spannend ist. Hier hat es in früheren Abenteuern bessere Konstrukte gegeben, wie man Helden in ein solch großes Geschehen gelungen involvieren kann, z.B. im Uthuria-Band „Der Gott der Xo’Artal“. Platz hätte hierfür beispielsweise im Reiseteil gewonnen werden können, wo sich mir bei den einzelnen Stationen viel zu viele Gelegenheiten ergeben, bei denen die Helden mit Familienintrigen konfrontiert werden. Das mag bei 1-2 Dörfern noch sehr reizvoll sein, in dieser Häufung nutzt es sich meiner Auffassung nach aber zu sehr ab.
IV. Fazit
Trotz der durchaus interessanten Handlung, die mit dem Feldzug die Tragweite der Geschehnisse auf ein höheres Level befördert und durchaus über Spannungsmomente und gelungene Ideen verfügt, ist für mich „Der Grüne Zug“ der bislang schwächste Teil der Kampagne. Grund dafür ist vor allem die Umsetzung von Feldzug und Schlacht, die für mich deutlich offener gestaltet werden könnten, so dass die Spieler mehr Einfluss nehmen können, was teilweise hinter zu epischen Inszenierungen zurücksteht. Positiv fallen hingegen der flexible Einsatz von Figuren und die Interaktion mit den Kampagnen-NSCs auf.
Bewertung: 3 von 6 Punkten
Sehr treffende Rezension, die den Finger in die Wunde legt: Ein (m.E. großartiges) „Setting“ wie die Endschlacht ist mehr oder minder vergeudet, wenn die Helden eigentlich woanders beschäftigt sind.
Will man sie gleichwohl einbeziehen, stellt sich die Frage nach der Wirksamkeit der Helden in der Schlacht. Dabei stört (mich) nicht so sehr die bis zu 9 Drachenreiter – das Abenteuer sieht ausdrücklich vor, dass manche Reiter von den Helden zur Strecke gebracht wurden und die Zahl angepasst werden kann – und auch nicht, dass das Endergebnis der Schlacht vorgegeben ist. Angesichts des bisherigen Bemühens der Abenteuerbände, Verknüpfungen zu erstellen, gestehe ich den Machern soviel Vertrauensvorschuss zu, dass sie in folgenden Bänden mit konkreter Folge füllen, was im Abenteuerband noch abstraktes Zahlenspiel bleibt. Aber wie richtig beschrieben sind die Einwirkungsmöglichkeiten der Helden („Chance für Heldentaten“) während der Schlacht leider nur grob umschrieben. Das ist konsequent vor dem Konzept des Abenteuers (die Helden sind ja eigentlich nicht da) und mag bis zu einem gewissen Grad „realistisch“ sein – auch Helden können nicht überall sein (solche Probleme finden sich nicht zum ersten Mal in einem Kriegsabenteuer, siehe Jahr des Greifen). Ob das ein befriedigendes Ergebnis für die Spieler UND Helden sein dürfte, steht auf einem anderen Blatt. Hier findest sich denn auch eine zumindest (leichte) Unstimmigkeit innerhalb des Abenteuers und der Kampagne als solche: Viele Handlungen der Helden in den vorherigen Abenteuern, sei es aus dem „Blauen Buch“(*) oder „Schwarzen Forst“, haben unmittelbare Auswirkungen auf die Schlacht. Es wurde sogar an Alrikejs Stahllieferung gedacht. Das alles kann man den Helden (und konsequenterweise den Spielern) aber nicht wirklich kommunizieren, wenn sie nicht an der Schlacht teilnehmen.
(*) an dieser Stelle wird es mit den Verknüpfungen sogar leicht übertrieben – man kann nur hoffen der Meister hat sich die Verluste des Korsmals-Bundes im „Blauen Buch“ notiert 😀 )
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