Rezension: Ein Tod in Grangor

Vorbemerkung: DSA5 bedient mit seiner Produktpalette verschiedene Genres, vom Katastrophenabenteuer über die epische Schlachtplatte hin zur Aufdeckung namenloser Verschwörungen. Ebenfalls recht gut bedient wird die Krimivariante, z.B. im Soloabenteuer „Der Vampir von Havena“ und einigen der Heldenwerk-Bändchen. Letztere haben allerdings den Nachteil, dass der vorhandene Platz den Autoren keine umfassende Gestaltung ermöglicht. „Ein Tod in Grangor“ ändert dies nun, da hier dem Spielleiter immerhin über 60 Seiten zur Verfügung stehen, um eine umfassende Ermittlung durch die Helden begleiten zu können.

In Zahlen

– 64 Seiten

– Preis: 14,95 Euro

– erschienen am 15.9. 2016

I. Aufbau und Inhalt

Der grundsätzliche Aufbau folgt dem klassischen Schema einer Mordermittlung, beginnend mit dem Auffinden des Opfers. Dem schließen sich die Untersuchungen vor Ort an, um folgend allen Spuren nachzugehen, bis im Finale die Aufklärung stattfindet. An mehreren Stellen finden sich zudem regeltechnische Anmerkungen, wie Teile der Recherchen auch durch Probemechanismen abzuhandeln sind.

Zu Beginn erhält man einen kurzen Überblick über den Fall und seine realen Hintergründe, zudem wird dem Spielleiter eine sechsseitige Beschreibung von Grangor und dessen einzelnen Stadtteilen an die Hand gegeben, um den Hintergrund lebendig gestalten zu können.

Natürlich beginnt die Geschichte mit einem Mord, in diesem Fall auch noch einem, der für großes Aussehen sorgt, handelt es sich bei dem Opfer doch um den bekannten Handelsketten Sumudan de Vlies, der mit seinem Uthuria-Handel zu Prominenz und Reichtum gekommen ist. Nun wurde er offenbar aus dem Fenster seines Kontors gestürzt, was von der Stadtgarde aber nachlässig untersucht wird. Schockiert über diese Passivität der Verantwortlichen bitten der Kontorleiter des Toten, Tadeo Agtstein, und Sumudans Geschäftspartnerin Odina Hortemann die Helden, ihrerseits Nachforschungen anzustellen.

Schnell kristallisieren sich erste Verdächtige heraus, beispielsweise die beiden Kinder Sumudans, die beide nicht unbedingt die Laufbahn eingeschlagen haben, die ihr Vater für sie vorgesehen hatte, womit das Verhältnis nicht gut bestellt ist. Ebenso existieren geschäftliche Verdachtsmomente gegen Konkurrenten und entlassene Mitarbeiter. Der Hauptteil des Abenteuers besteht demzufolge in der Verfolgung der jeweiligen Spuren, wobei die einzelnen Figuren, ihre Hintergründe und Motive beschrieben werden, ebenso die Orte, an denen sie anzutreffen sind. Hierbei müssen die Helden die ganze Bandbreite Grangors aufsuchen, von Unterweltspelunken bis zu den Häusern der vermögenden Handelshäuser sind alle denkbaren Milieuorte vertreten. Die Spielercharaktere werden dabei meist nicht linear geführt, da sie ihre Vorgehensweise selbst bestimmen, beispielsweise ist nicht vorhersehbar, ob sie an manchen Stellen direkt die richtige Spur finden oder eine der ausgelegten Sackgassen gewählt haben.

Ist die gesamte Recherchearbeit abgeschlossen, gilt es im Finale Beweise und Schlussfolgerungen auf den Tisch zu legen, zudem steht natürlich noch eine Konfrontation mit den Schuldigen aus, wobei auch die Stunde der eher kämpferisch orientierten Charaktere schlagen sollte.

II. Figuren

Hier fügt sich das Abenteuer gut in den Hintergrund einer freien Stadt ein, die sehr stark auf Handel ausgerichtet ist. Viele der Figuren entstammen der bürgerlichen Oberschicht wie das Opfer selbst. Tatsächlich steht natürlich mit Sumudan de Vries eine Figur im Mittelpunkt, die die Helden gar nicht mehr lebend kennenlernen. Trotzdem laufen bei ihm alle Fäden zusammen, steht doch bei den anderen NSCS stets die Frage im Vordergrund, in welcher Beziehung sie zu dem Verstorbenen stehen bzw. gestanden haben. Dabei ergeben sich Bindeglieder in alle Gesellschaftsschichten, z.B. über die Kinder Glyduria und Thuan, die beide nicht den Weg ihres Vaters eingeschlagen haben. Mit Sumudans Geschäftspartnerin Odina und seiner Konkurrentin Svealinja Watergaard treten aber auch hoch angesehene Bürger auf. Eine weitere Plotlinie führt zudem in Kontakt zur Unterwelt und den Mitgliedern der sogenannten Brekker- Bande.

III.Kritik

Einen Kriminalfall als Rollenspielabenteuer anzulegen birgt immer gewisse Risiken. Vor allem existiert häufig  ein schmaler Grat zwischen dem Versuch, die Spielercharaktere als Ermittler frei agieren zu lassen und der damit verbundenen Gefahr der Gängelung, will man die Helden doch nicht zu schnell an die Lösung lassen, auch aus dem Wunsch heraus, nicht zu viele ausgearbeitete Szenen entfallen zu lassen. Auf aventurische Verhältnisse bezogen gibt es zudem immer das Problem des magischen Potentials, mit dem Ermittlungsschritte einfach übersprungen werden können, etwa indem man sich die Lösung einfach von Verstorbenen selbst holt oder ein schnelles Geständnis vom Täter erzwingt.

Letzteres Problem kann auch „Ein Tod in Grangor“ nicht lösen, was aber auch unter den Gegebenheiten des Hintergrunds schwer möglich sein dürfte. Dafür findet sich hier ein vorbildlich ausgearbeiteter Kriminalfall. Der Autor Marco Findeisen gibt dem Spielleiter alle Informationen an die Hand, um die einzelnen Ermittlungsschritte angemessen ausgestalten zu können. Zwar wird teilweise auf den simpleren Regelweg mittels Proben verweisen, überall finden sich aber konkrete Angaben, was z.B. ein Verdächtiger oder  Zeuge aussagen kann, was man bei einer Untersuchung finden kann etc. Zur besseren Übersichtlichkeit sind an einigen Stellen Zusammenfassungen vorhanden, die den zwischenzeitlichen Informationsstand bilanzieren.

Das Abenteuer weist natürlich einige Setzungen auf, beispielsweise ist das Finale sehr auf den Effekt der Großversammlung ausgerichtet, ebenso halten sich viele NSCs an geplanten Plotpunkten auf und ihre Aktionen werden durch das Auftreten der Helden ausgelöst. Aber selbst dies wird zum Teil in mehreren Varianten angeboten (wenn z.B. ein Verdächtiger zu Hause oder in seiner Stammkneipe angetroffen werden kann). Vor allem aber sind diese Ereignisse meist vollkommen logisch motiviert, lediglich die Gier als Massenmotiv im Finale scheint etwas arg dick aufgetragen. Die Ausstattung mit Kartenmaterial ist gut gelungen, als sehr originell empfinde ich die Idee, den Finalort als kleine Raumaufsicht zu gestaltet, nebst allen Verweisen, wie hier die Gegebenheiten in den Kampf eingebunden werden können. Ohnehin weist das Abenteuer einige abwechslungsreiche Ideen auf, wenn die Helden zwischen den Kontrasten von humorigen Kneipenschlägereien und bierernsten Aktionärsversammlungen wandeln.

Auch wenn ich grundsätzlich wenig gegen das Abenteuer einzuwenden habe, ist mein einziger echter Kritikpunkt die Lösungskette des Falls, die mir letztlich in Auflösung und Motiv etwas zu profan ausfällt, wenn es sehr schlicht Gier als Auslöser gewesen ist. Dafür sind die Mordumstände clever durchdacht, hier ist die anfängliche Irreführung gut gelungen, um die Helden zumindest zeitweise von einer zu schnellen Auflösung des Falles abzuhalten. Stellenweise sind einige Spuren etwas zu offensichtlich ausgelegt, manchmal fehlen mir etwas elegantere Handlungszüge, die letztendliche Lösung sollte aufgrund einiger arg grober Widersprüche oder leicht zu ermittelnden Alibischwächen geübten Krimilesern und -sehern nicht allzu schwer fallen.

Umgekehrt passt dieses profane Element gut zum Hintergrund von Grangor, die Helden bewegen sich in einem zutiefst bürgerlichen Milieu, in dem sowohl in oberen als auch unteren Schichten das Tagewerk von Alltagsnöten bestimmt ist. Die kommerziellen Zwänge der Kaufleute werden ebenso deutlich wie die Teufelskreise, in denen sich die gefallenen Halbweltgestalten bewegen. Eine der interessantesten Szenen ergibt sich auch in dieser Unterwelt, wenn die Helden vor die Dilemmasituation gestellt werden, einem offenbar nicht ganz unschuldigen Bettler retten zu können, wenn sie dafür die Konfrontation mit einer schlagkräftigen Übermacht nicht scheuen.

IV. Fazit

Auch wenn die Auflösung des Falls nicht allzu sehr vor Originalität strotzt und die Helden mit etwas Logik im Vorgehen halbwegs zügig an die Lösung gelangen sollten, ist „Ein Tod in Grangor“ ein sehr gelungenes und gut ausgearbeitetes Abenteuer, das vor allem die bürgerliche Atmosphäre Grangors passend ausgestaltet, zudem sehr kurzweilige Unterhaltung bietet.

Bewertung: 5 von 6 Punkten

5 Kommentare

  1. From a Dutch DSA veteran that does not write Deutsch very well:

    I loved this adventure. It is a whodunnit, the genre I like most, but it is really hard to pull off a decent detective adventure.This one is the best I’ve seen in DSA, if you discount the classic adventure Die Attentäter that made a great impression on me around 25 years ago, but I am not sure the adventure would hold up to modern standards.

    Anyway, the adventure opens with all kinds of house rules that for me were completely not needed. We are kinda stuck in a hybrid between DSA 3 and DSA 5, all these new rules already give me a headache, I surely do not need more. Plus I think there is nothing more killing to a good adventure than asking dice roles all the time when the situation could also be easily resolved perfectly by good old Role Playing.

    Having said that, the plot in this adventure is solid. The motivation of the NPCs are clear. It is complicated enough that the party will not resolve the puzzle immediately. The plot is not so complicated that you lose track as the DM though, I think the writer hit the balance right. There is a lot of room to lay red herrings should you need them, there are quite a few worked out in the book, I did not need all of them.

    The final confrontation did not happen as planned in the adventure, I think it needs a lot of luck or heavy handed DMing to make that happens, but I don’t mind that. You should only play these kind of adventures when you like surprises, don’t mind thinking up quick solution to unexpected actions and are OK with a bit of chaos sometimes..Point is that the plot and the characters are strong enough to survive all this so it should be possible to lead everything back to a satisfying conclusion.

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