Ein erster Blick auf „Aventurische Magie“

 

Vorbemerkung: „Bannbaladin“, „Balsam Salabunde“, „Sensibar“ etc., selbst wer keine magieaffine Ader hat und eher selten solche Charaktere spielt – genau so ein Fall bin ich – weiß doch um die stilprägende Bedeutung von Zauberwirken und den dazugehörigen Formeln, die seit Anbeginn zu DSA gehören. Allerdings ist im Vergleich zu alten Zeiten das Material auf fast allen Ebenen so angewachsen, dass im Grundregelwerk nur ein kleiner Ausschnitt an Regeln abgedruckt wurde. Für den Bereich der Magie ist der Zuwuchs der vergangenen 30 Jahre sogar so groß, dass der vorliegende Band auch noch längst nicht alle Spielarten enthält, sondern es sogar noch „Aventurische Magie II“ geben wird.

I. Inhalt und Aufbau

Der Band ist vornehmlich sehr nüchtern aufgebaut, es dominieren Infotexte und Regelerläuterungen und -tabellen, erst im letzten Teil finden sich zusätzlich noch Ingame-Texte zur atmosphärischen Anreicherung. In den meisten Bereichen stellt „Aventurische Magie“ neue Varianten vor, stellenweise existiert aber eine sehr enge Anbindung an das Grundregelwerk, da auch Erweiterungen bereits bekannter Sachverhalte beinhaltet sind.

Nach einigen Vorbemerkungen werden zunächst die Traditionen mit ihren Spezifikationen vorgestellt, also die Gildenmagier mit ihren Stabzaubern und Bannschwertern, die Magiedilettanten, die Scharlatane mit Zauberkugeln und Zauberstecken, die Zauberbarden mit ihren Zaubermelodien und Instrumenten und die Zaubertänzer mit den Zaubertänzen und der dazugehörigen Zauberbekleidung.

Die erweiterten Magieregeln widmen sich optionalen Sonderregeln, mit denen man vornehmlich den Hintergrund seines Magiers vertiefen kann. So erhält man Regeln zu den Auswirkungen einer abgebrochenen Ausbildung, unterteilt in die denkbaren Phasen, zur Weiterbildung und zum zusätzlichen Unterricht. Dazu finden sich Wahlpakete für die unterschiedlichen Akademien bzw. Lehrmeister. Ebenso erhält man in der Zauberwerkstatt Modifikatoren für die Entwicklung eigener Zauberformeln. Zuletzt werden Zauberstile vorgestellt, getrennt nach den drei großen Gilden.

Die Sonderfertigkeiten sind getrennt nach neuen Sonderfertigkeiten, Sonderfertigkeiten für die zuvor erläuterten Zauberstile und Erweiterungen für die Sonderfertigkeiten, die bereits im Grundregelwerk aufgeführt wurden.

Das Kernstück des Bandes mit 66 Seiten sind aber die Zauber. Hier wird zwischen den drei Kategorien der Zaubertricks, den Zaubern und den Ritualen getrennt, für die letzteren beiden existieren wiederum Erweiterungen zu den aus dem Grundregelwerk schon bekannten Varianten. Dabei wird zunächst jeweils der Effekt des Zaubers beschrieben, anschließend der Probemechanismus. Die Wirkung wird in der Regel nach der erreichten Qualitätsstufe unterschieden. Dazu sind die üblichen Angaben zu Zauber- und Wirkungsdauer, (Steigerungs-)Kosten, das Zaubermerkmal und die Verbreitung vorhanden.

Das 5. und 6. Kapitel stellen die Figurenebene in den Vordergrund. Dazu finden sich zunächst 27 neue Zauberprofessionen, die auf jeweils einer Seite in einem Informationstext in ihrer Typik erläutert werden, zusätzlich angereichert um Anregungen zu Ausrüstung und üblicher Tracht. Im Regelbereich ist dann jeweils ein Professionspaket vorhanden. Für 8 dieser Professionen wird das folgend genauer spezifiziert, in Form von spielfertigen Archetypen. Zu Veranschaulichung erhalten diese Figuren Ingame-Texte, in denen sie eine zentrale Rolle spielen. Zusammen ergibt dies die Geschichte einer Heldengruppe – durchweg besetzt mit magiebegabten Charakteren – die sich mit einer finsteren Schwarzmagierin auseinandersetzen müssen.

Den Abschluss des Bandes bildet der Anhang mit einigen neuen Vor- und Nachteilen und den Zahori als neuer Kultur, die wegen ihrer Zaubertänzer hinzugefügt wurden. Zuletzt soll ein Index für die Übersichtlichkeit garantieren.

II. Kritik

Eines leistet „Aventurische Magie“ sicherlich, die Möglichkeiten einen magiebegabten Charakter zu führen, werden deutlich erweitert. Das betrifft sowohl die Zahl der spielbaren Professionen als auch deren Fähigkeiten, die ihren Ausdruck in den Zaubertricks, Zaubern und Ritualen finden. Zaubersänger und -tänzer empfinde ich zudem als durchaus interessante Varianten, die andere Spielarten zulassen, die sich deutlich von klassischen Figurentypen unterscheiden. Obwohl ich beispielsweise magiebegabte Figuren selten für reizvoll gehalten habe, bietet mir der Band einige spannende Perspektiven, beispielsweise empfinde ich den Scharlatan deutlich wertiger aufgemacht als in früheren Publikationen.

Umgekehrt entdecke ich an vielen Stellen auch genau das, was mich an den meisten Regelbänden stört. Natürlich sind Regeln auch immer eine technische Sache, bei DSA geraten solche Bände aber gefühlt besonders trocken. Dafür sorgen z.B. die vielen Regelerweiterungen, die ich – selbst wenn sie eben nur optional sind – selten als echte Bereicherung wahrnehme, sondern oft als unnötig komplizierten Zusatzballast, der weniger für Spielspaß sorgt, sondern dafür, dass das Ausüben eines Zauberspruchs in teils extrem komplexe Rechentüfteleien ausartet. Ich würde mir beispielsweise auch mehr Leichtigkeit in der Präsentation wünschen, also mehr Hintergrundperspektiven und -informationen. Die Archetypen mit ihrer verbundenen Geschichte sind da durchaus ein guter Ansatz, kranken hier aber an der ziemlich dünnen Story und auch an der Tatsache, dass eine derart geballte Ansammlung an ausschließlich magiebegabten Charakteren in einer Heldengruppe vollkommen unrealistisch wirken. Dafür bieten sie aber immerhin anschauliche Beispiele zur Ausgestaltung von solchen Figuren.

Als etwas schade empfinde ich hier im Speziellen etwas, was mich im großen Ganzen an Aventurien (herauf bezieht sich der vorliegende Band ja vornehmlich) nicht stört: die Bodenständigkeit. Dass die Welt sich auch den „kleinen Geschichten“ annimmt, halte ich für gut im Sinne des Reichtums an Abwechslung (solange auch für andere Arten von großflächigen, epischen Handlungen genug Raum vorhanden ist). Bei magiebegabten Charakteren sehe ich aber die Tendenz, diese durch die Beschränkungen vergleichsweise viel zu klein zu halten, die Menge an Zaubersprüchen, die tatsächlich für die einzelnen Charaktere zur Verfügung stehen, ist für meinen Geschmack viel zu gering bemessen. Was nützt mir die vorhandene Vielfalt, wenn man sie kaum verwenden kann, wenn meine Figur über weniger als ein Dutzend Sprüche verfügt? Zwar ist die konkrete Umsetzung natürlich jedem Spieler bzw. jeder Spielgruppe selbst überlassen, hier würde ich mir aber schon in der Grundanlage durch ein solches Regelwerk mehr Angebote wünschen, auch Magier mit deutlich größerer Machtfülle auszustatten. Als Schritt in die richtige Richtung hatte ich da eigentlich die gelungene Idee angesehen, mit den Zaubertricks noch zusätzliche „kleine Sprüche“ hinzuzufügen, die der Magier zusätzlich anwenden kann. Aber auch hier sind aber immer nur wenige pro Charakter vorgesehen.

Zuletzt bin ich immer noch etwas im Zweispalt, was die große Regelverteilung auf viele Bände angeht. Die vielen Zauberergänzungen führen hier z.B. dazu, dass man in große Blätterei verfällt, wenn man für manche Zauber in kompletter Gestaltung das Grundregelwerk und „Aventurische Magie“ benötigt. Das ist zwar grundsätzlich durch das Regel-Wiki als Problem entschärft, sorgt aber dafür, dass so seitenstarke Printbände nur eingeschränkt als Nachschlagewerke nutzbar sind, wenn das nicht gebündelt vorhanden ist. In sich ist der Band allerdings durchaus klar gegliedert und übersichtlich aufgebaut.

III. Fazit

„Aventurische Magie“ erweitert das Repertoire an Möglichkeiten, magiebegabte Helden zu spielen sehr deutlich, stellt auch eine Fülle von neuen Sprüchen zur Verfügung, somit ist der zentrale Zweck damit erfüllt. Allerdings ist mir die Gestaltung letztlich viel zu technisch ausgefallen, so dass das Thema Magie viel zu wenig mit Leben erfüllt wird. Gerade die Erweiterungsregeln wirken zudem vielfach weniger wie reizvolle Zusatzmöglichkeiten sondern tendieren dazu, unnötige Komplexität in das Spiel einzubringen.

Bewusst formuliere ich das als grundsätzlichen Eindruck und nicht mit einer Wertung verbunden, dazu fehlt mir in diesem Bereich schlichtweg umfassenderes Wissen, was mir z.B. dann auffällt, wenn man die seitenlangen Diskussionen zu Einzelregeln in diversen Foren nachverfolgt, in denen unter anderem auch kleinste Veränderungen zu vorherigen Editionen erörtert werden, die mir teilweise gar nicht bekannt sind.

 

7 Kommentare

  1. Vielen Dank, Engor, für deinen wieder einmal schön geschriebenen, ausführlichen und ehrlichen Kommentar zu einem DSA-5-Produkt.

    Ich stimme dir zu, ich bin bei der „Avent.Magie“ebenfalls hin- & hergerissen. Warum?
    – Zum einen ist der Band schön gemacht; div. Illustrationen, die teils gefallen, teils füllen.
    – Andererseits will sich bei mir keine Lesefreude einstellen… ich blättere durch das Buch, lese ein wenig, lege es wieder weg. Irgendwie packt es mich nicht richtig.
    -Die Archetypen am Schluss sehe ich sehr zwiespältig. Nett gemeint, aber auch Seitenfresser.
    -Zum Thema „Aufteilung“: Das war jetzt erst Band 1. Band 2 mit den Naturmagiern kommt ja noch. Ein dritter Band ist auch absehbar. Habe ich dann wirklich alle Zauberprofessionen? Und ein Buch à la „Liber Cantiones“ kommt sicher auch später noch dazu… Will ich mir wirklich vier Bücher kaufen?
    Wenn der Verlag das Ganze bei den Geweihten ebenfalls durchzieht & dann x Teilbände veröffentlicht…

    Naja, im Moment hält sich meine DSA5-Begeisterung auf jeden Fall SEHR in Grenzen. Heute und jetzt würde ich wohl keine weiteren Regelbände mehr kaufen wollen.

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  2. Ich bin beim Magieband ebenfalls hin- und hergerissen, glaube aber dass die hier geäußerte Kritik teilweise fehlgreift.

    Erstens: Der Magieband soll für mich nicht in erster Linie (auch nicht in zweiter) unterhalten. Ich möchte Spaß am Spieltisch, nicht unbedingt Spaß beim Lesen der Bücher; diese sind für mich also eher Mittel zum Zweck. Ich möchte daher eine sinnvolle Erweiterung des bislang für magiebegabte Charaktere zur Verfügung stehenden Materials. Dies leistet der Band zweifelsohne.

    Zweitens: Ob die in Form der Archetypen vorgestellte Heldengruppe nun „realistisch“ ist, ist nicht für den praktischen Nutzen des Magiebands völlig egal. Abgesehen davon kann auch eine allein aus Magiebegabten bestehende Gruppe alle möglichen Arten von Abenteuern bestehen. Dass sich Magier verschiedener Couleur zusammenfinden, ist angesichts des gemeinsamen Interesses an der Erforschung magischer Phänomene auch durchaus plausibel. Die Nörgelei an solch einer Nebensächlichkeit scheint mir gerade im DSA-Umfeld symptomatisch und angesichts deutlich bedeutenderer Baustellen kaum hilfreich zu sein.

    Drittens: Die Kritik an der „Bodenständigkeit“ kann ich ebenfalls nicht nachvollziehen. Es ist ein Alleinstellungsmerkmal von DSA, eben nicht voller Drachentöter, Weltenretter und Halbgötter zu strotzen. Und was die Anzahl an individuellen Zaubersprüchen angeht: die Magiebegabten Charaktere sind schon jetzt deutlich vielseitiger als die profanen Charaktere. Darüber hinaus würde die interne Logik Aventuriens ins Wanken geraten, wenn jeder dahergelaufene Wald-und-Wiesen-Magier eine wandelnde Allzweckwaffe wäre. Insofern bin ich dankbar, dass Ulisses beständig der Versuchung widersteht, Magiebegabte der Epicness wegen mit immer fantastischeren Zaubern auszustatten.

    Was ich nachvollziehen kann und auch teile, das zum einen ist die Kritik an der Verteilung der relevanten Inhalte über zahlreiche Publikationen und zum anderen die Kritik am zweifelhaften Sinn der Zaubererweiterungen.

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    1. Das ist ja auch absolut in Ordnung, wenn man andere Kriterien anlegt, um einen Band zu bewerten. Allerdings denke ich nicht, dass meine Kritik „fehlgreift“, es ist schlichtweg meine Meinung, in der ich andere Maßstäbe ansetze. Z.B. ist mir eben wichtig, ob ich ein Rollenspielprodukt gerne lese oder z.T. anstrengend bzw. zu trocken finde, ich verstehe aber vollkommen, wenn man da Funktionalität als Hauptkriterium empfindet. Die unrealistische Gruppe ist in dem Zusammenhang tatsächlich nicht allzu schwerwiegend, so habe ich das auch nicht empfunden, allzu viel Detailmäkeln ist eh meine Sache nicht.

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  3. Ein guter Text. Mich stört die mathematische Darstellung überhaupt nicht, ich schätze es sogar. Regelwerk = Regeln auf den Punkt. Den DSA4 Magieband fand ich total nervend weil er laufend irgendwelche Stories eingestreut hat.
    Ich empfinde die Regelerweiterungen, Spezialanwendungen und Variationen allerdings auch sehr als Ballast. Eine einfache Grundregel „Spruch macht Effekt“, mit Einfluss der Qualität des Wurfs wäre eher meins.
    Die Aufteilung über mehrere Bände finde auch nicht gut. Zumal es ja alle DSA-Bände betrifft. Überall neue Fertigkeiten, Vor- und Nachteile. Nervt. Auch dass man in der Magier nun die Varianten der Sprüche aus dem GRW beschrieben hat ist sehr unglücklich gelöst. Beschreibung im GRW, Erweiterung in Magiebuch? Gar nicht gut. Und nochmal: Warum überhaupt Varianten?

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