Großes Theater? – Ein Fazit der ersten DSA5-Großkampagne

Vorbemerkung: Kampagnen haben bei DSA eine lange Tradition, tatsächlich schon seit den Anfangstagen, als man sich auf die Suche nach magischen Kelchen oder ins damals noch völlig unbekannte Orkland aufmachen konnte. Mit der Zeit – spätestens seit dem allgewaltigen Plotbogen um Borbarads Rückkehr – fiel diesem Format mehr und mehr die Aufgabe zu, den Metaplot voranzutreiben. Mit der neuen Edition folgt allerdings zumindest vom Format her eine Neudefinition, weg von den zuletzt gerne auch mal 200 Seiten starken Mammutpublikationen, hin zu schlankeren Bänden, die aber in 6er-Folgen erscheinen. Mit der Theaterritter-Kampagne ist nun nach knapp über einem Jahr diese erste Serie abgeschlossen. Grund genug, sich nach der Betrachtung der Einzelbände an ein Gesamtfazit zu begeben.

Umfang

Tatsächlich sind die 6 Bände sogar noch erweitert worden, sind doch mit „Die Thorwalertrommel“ und „Rübenernte“ gleich zwei Heldenwerk-Hefte erschienen, die direkt mit der Kampagne verbunden sind. Somit werden im Laufe der Gesamthandlung viele Winkel des Bornlandes besucht, wobei neben den Reisepassagen auch immer wieder längere Handlungsabschnitte in Städten wie Festum (gleich mehrfach berücksichtigt) oder Notmark spielen. Damit erhält man einen ziemlich deutlichen Überblick über die aktuellen Verhältnisse vor Ort, schließlich soll hier ja auch schon das Feld für einen kommenden Regionalband bestellt werden. Ein etwas unglücklicher Nebeneffekt – zumindest bei mir – war dafür leider eine gewisse Übersättigung, wenn also fast die Hälfte der Abenteuerpublikationen der vergangenen zwölf Monate in ein- und derselben Region spielt. Das erscheint mir ein genereller Nachteil der Gesamtkonzeption, will man weiter Kampagnen in gleicher Bandzahl und ähnlicher Schlagzahl (sprich etwa alle zwei Monate ein Band) veröffentlichen, sehe ich die Gefahr, Schwierigkeiten in der Darstellung einer aventurischen Bandbreite zu erzeugen. Löblich erscheint mir dagegen, dass die angekündigte schnelle Publikationsfolge tatsächlich erreicht wurde.

Farbenspiel = Abwechslung?

Von Beginn an war intendiert, jedem Band eine inhaltlich unterschiedliche Schwerpunktsetzung zu geben, was äußerlich durch die sechs verschiedenen Farben in den Bandtiteln unterstrichen wurde. „Der Weiße See“ als Kampagnenauftakt zeigt die bornischen Verhältnisse und Konflikte noch im kleinen Format, wenn Handelsstreitigkeiten zwischen Bornländern und Norbarden im Vordergrund stehen. „Das Blaue Buch“ hingegen stellt den wahren Gegner innerhalb der Gesamthandlung vor, erhält zudem eine gewisse Horrorkomponente. Dem setzt „Der Schwarze Forst“ eher eine märchenhafte Komponente entgegen, wenn im Bornwald der Riese Milzenis und eine Reihe der dort lebenden Hexen in den Mittelpunkt gesetzt werden. Eher die Abteilung Schlachtplatte wird mit „Der Grüne Zug“ bedient, wenn die Helden die Adelsmarschallin auf einem Kriegszug gen Notmark begleiten dürfen. In deutlich kleinerem Format finden solche Geschehnisse in „Die Silberne Wehr“ statt, wenn die Spielercharaktere ihrerseits in die Rolle der Verteidiger in einer Kampfhandlung gedrängt werden, wiederum verbunden mit einem eher märchenhaften Plot. „Der Rote Chor“ zuletzt hat vor allem einen hochpolitischen Hintergrund, wird doch parallel zur Handlung die Adelsmarschallwahl  durchgeführt, also die Vergabe des höchsten Amtes der Region.

Somit ist grundsätzlich Abwechslungsreichtum intendiert, allerdings wird dies nicht in allen Punkten erreicht, weil sich eine ganze Reihe von Handlungsmustern (zu) oft wiederholt: Immer wieder wird z.B. der Einsatz einer Goblinpauke thematisiert. Was zu Beginn noch eine interessante Neuerung ist, wird spätestens in der zweiten Hälfte der Kampagne etwas redundant, wenn immer wieder auf dieses Mittel zurückgegriffen wird, um Chaos zu stiften. Ähnliches gilt für die Verwendung von Globulen. In der Hälfte der Bände wird eine solche aufgesucht. Zwar sind diese jeweils durchaus interessant gestaltet, für meinen Geschmack handelt es sich hier aber um ein Mittel, das zu inflationär eingesetzt wird, vor allem, da zur Zeit noch andere Abenteuer weitere Globulen beinhalten.

Stringenz

In diesem Punkt allerdings zeigt sich für mich das größte Problem: Die großen Geheimnisse der Theaterritter mit ihren Jahrhunderte alten Rätseln versprechen einen großen und epischen Ablauf. Allerdings fehlt es mir dazu an einem konsequenten Roten Faden, vor allem auch, weil die Handlungen immer wieder den Spannungsaufbau drosseln: Der Auftakt mit „Der Weiße See“ ist vergleichsweise bodenständig, auch weil der Korsmal-Bund nur am Rande auftaucht. Das ändert sich mit „Das Blaue Buch“ gewaltig, werden die Antagonisten hier doch als ernstzunehmende und ressourcenstarke Gegner aufgebaut, gegen die maximal ein Teilerfolg möglich ist. In „Der Schwarze Forst“ wird dies dann aber deutlich abgebaut, wenn es plötzlich darum geht, eine simple Stahllieferung zu eskortieren und ganz andere Handlungsfelder eröffnet werden, die eher das Erwachen des Bornlandes thematisieren. Der Folgeband „Der Grüne Zug“ setzt dann den erneuten Kontrapunkt, indem schon im 4. Band die eigentlich schon entscheidende militärische Auseinandersetzung stattfindet, während „Die Silberne Wehr“ eher die Geschichte eines letzten Aufbäumens ist und der eigentliche Schlag des Gegners im Ehernen Schwert vergleichsweise knapp beschreiben wird. „Der Rote Chor“ setzt zum Abschluss dann zwar einige Plotfäden durchaus passend fort, allerdings bleibt das Manko, dass der eigentliche Konflikt schon längst entschieden ist und mit der anschließenden Globule nur noch eine Art Anhängsel folgt. Dieses dramaturgische Wellenbad ist zumindest unkonventionell, ich habe gerade gen Ende hin deutlich eine Spannungssteigerung vermisst, da entscheidende Konflikte einfach zu früh abgeschlossen werden.

Schillernde Gestalten

Das lässt sich auch mit einem Manko in dem Bereich erklären, der eigentlich für mich mithin die größte Stärke der Kampagne darstellt: Über 6 Bände wird hier eine immer größer werdende Figurenriege aufgebaut, von altbekannten NSCs, die seit vielen Jahren wichtiger Bestandteil des Metaplots sind, bis hin zu interessanten neuen Figuren, wobei hier vor allem Leudara zu nennen ist. Gerade sie und Olko sind sehr ambivalent angelegt, was sie mit ihren stetigen Seitenwechseln erfreulich unberechenbar werden lässt. Aber auch in vielen anderen Bereichen tauchen lebendige und spannende Konstellationen auf, von den Machtspielen in Festum (z.B. durch Gardehauptmann Timpski verkörpert), zu den Konflikten unter den Norbardenfamilien und der Rivalität der bornischen Hexen, bis zu dem erfreulich aufgewerteten Goblinbild. Eine gute Idee stellen zudem die unterschiedlichen Auftraggeber dar, die jeweils vor die Haupthandlung der Einzelbände vorgeschaltet werden können und gewisse Zugehörigkeiten stetig steigern können.

Eines jedoch fehlt mir in dieser Hinsicht sichtlich: Auch wenn die Einzelbände über zum Teil gute Schurkenfiguren verfügen, fällt doch auf, dass der große Strippenzieher im Hintergrund schlichtweg nicht vorhanden ist, womit auch hier ein Element des konsequenten Spannungsaufbaus ausgelassen wurde. Stattdessen werden manche Figuren sogar unnötig marginalisiert, wenn z.B. Drachenreiter anonyme Gegner bleiben, was ich für nicht vereinbar damit halte, dass Begegnungen mit Drachen in Aventurien immer noch eine Besonderheit darstellen sollten. Deren Reiter dann zu teils namenlosem Schwertfutter werden zu lassen, halte ich für falsch.

Ein kleiner Vorschlag

Um keinen falschen Eindruck zu hinterlassen: Die Einzelbände gefallen mir durchaus, allerdings sehe ich die Gesamtkonstruktion der Kampagne dramaturgisch als problematisch an. Tatsächlich sind aber eigentlich alle Versatzstücke vorhanden, ich hätte persönlich aber eine andere Anordnung für günstiger gehalten.

Der Auftakt mit der Goblinpauke im Mittelpunkt ist durchaus sinnvoll, allerdings fehlen hier eben schon mehr Vorausdeutungen auf die Tragweite der Handlung, was z.B. durch eine Prophezeiung oder ähnliches effektreicher gestaltet werden könnte. Zudem ist für mich der Einsatz der Pauke zu früh gewählt, hier hätte es vollkommen ausgereicht, wenn quasi die „Baupläne“ für ein solches Instrument entdeckt werden, so dass eher verdeutlicht wird, wie gefährlich das Artefakt in den falschen Händen sein könnte. Der 2. Teil ist für mich das Highlight, hier würde ich nicht allzu viel ändern. Allerdings hätte man hier die Gelegenheit gehabt, aus der Vielzahl der durchaus gelungenen Gegner der Einzelbände einen auszuwählen, der langsam als Gegner aufgebaut wird, während man zwischenzeitlich immer nur einzelner Schergen habhaft wird. Vor allem aber sollte das Blaue Buch innerhalb der Kampagne intensiver als eine Art von Wegweiser genutzt werden.

Die Wahl zum Adelsmarschall könnte genauso einen guten Mittelteil darstellen, wenn hier versucht wird, einen Kandidaten des Korsmal-Bundes in das Amt zu hieven. Ein besonderer Clou könnte hier auch in einer bewussten Täuschung liegen, wenn dieser zunächst als Verbündeter der Helden auftritt, z.B. sich dadurch in eine aussichtsreiche Wahlposition hievt, indem er den fingierten Angriff auf die Festung des Widderordens niederschlägt und den Helden hilft Mjesko Einhand zur Strecke zu bringen. Als Sieger der folgenden Wahl wäre es dann an ihm, auch die Bedrohung durch die Goblinpauke auszuschalten, wenn er mit den Helden im Gefolge loszieht, um den geplanten Durchbruch der Riesland-Trolle zu verhindern und die Spielercharaktere plötzlich feststellen, dass sein Plan im Gegenteil nur die Begrüßung seiner Streitmacht ist, mit der er das Bornland unterwerfen will. Diesem Vorhaben könnte eben in einer ungleich größeren Schlacht – wiederum in Notmark – Einhalt geboten werden, wenn die Helden die Pauke nunmehr einsetzen, um mittels des Vulkanausbruchs das feindliche Heer vernichten. Dabei wäre auch genug Raum für gelungene und tragische Figuren wie Olko und Leudara vorhanden. Ein immens starkes feindliches Heer hätte im Showdown auch eine gute Rechtfertigung dargestellt, die zu gewinnenden Ressourcen am Ende zu bündeln, um den Gegner zumindest aufzuhalten, bis die Pauke zum Einsatz kommen kann. Hier wäre eben eine Verwendung eines Goblinheeres als Retter in der Not oder auch der Schwerter des Nordens denkbar. Auch das Erwachen des Bornlandes als unterstützender Faktor oder gar Milzenis und die Hexen könnten weitere Verbündete darstellen.

Fazit

Die Theaterritterkampagne hat mir in vielen Aspekten gefallen, gerade „Das Blaue Buch“ und „Die Silberne Wehr“ sind sehr gelungene Bände. Gut in Szene gesetzt wird die generelle Atmosphäre des Bornlandes, auch durch eine vielschichtige Figurenriege aus allen gesellschaftlichen Schichten. Die Aufwertung des Goblinbildes halte ich zudem für einen längst überfälligen Schritt. Dramaturgisch hingegen wäre mir ein stringenterer und gen Ende hin auf mehr Epik abzielender Verlauf sinnvoller erschienen. Die generelle Publikationsstrategie mit kürzeren Einzelbänden bietet den Vorteil, eine Heldengruppe viel schneller durch eine solche Kampagne zu führen, löblich ist ebenfalls die schnelle Frequenz der Veröffentlichung, z.B. eine deutliche Verbesserung im Vergleich zur „Splitterdämmerung“ (zwar ein Zyklus, trotzdem aber durchaus vergleichbar), die zwischenzeitlich lange Unterbrechungen hatte. Allerdings halte ich es für angeraten, in Zukunft verstärkt darauf zu achten, neben einer Kampagne mit einem regionalen Fokus andere Abenteuerbände zu publizieren, die in anderen Regionen spielen, um die aventurische Vielfalt mehr zu unterstreichen.

9 Kommentare

  1. Danke für diese sehr ausführliche Rezension.
    Ich bin froh dass ich mir die nicht aufgehalst habe als Kampagne als sie neu war, nur 1 Buch da war und alle total gehyped auf Theaterritter waren.
    Ich kenne 3 Gruppen die sie spielen und immernoch im 1 oder 2 Buch sind.

    Ich werde mir die 6×60 Seiten sparen und nicht lesen und warte lieber auf Niobara oder kommende Kampagnen die ich von DSA5 auf 4 konvertiere

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    1. Wer hier öfter liest weiß, dass „der Rezensent“ vornehmlich liest, Grundlage sind die Leseeindrücke. Ich schreibe deswegen von meinen inhaltlichen und dramaturgischen Eindrücken, nicht von konkreten Spielerfahrungen.

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      1. Das ist dir vollkommen selbst überlassen, ich schreib hier nur und wer da was Interessantes für sich findet und wer nicht, das muss jeder für sich selbst entscheiden. Ich persönlich würde es mir allerdings nicht unbedingt anmaßen, das als schwach zu beurteilen, man muss hier nix lesen oder gar Ratschläge befolgen…

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  2. Danke für die den Gesamtüberblick – hab es fast schon aufgegeben das da nichts mehr kommt 🙂 .
    Ich hab auch seit kurzem alle 6 Teile durch gelesen und muss sagen, dass ich mir nicht sicher bin ich die Kampagne leiten möchte – einfach weil die Informationsgestaltung so komplett anders ist als in den anderen früheren Werken. Damit meine ich: Alle Szenen sind gebündelt am Anfang, die Charaktere meist an unterschiedlichen Stellen beschrieben, danach folgt ein schlechter roter Faden (= Auflistung der Szenen die man am Anfang lesen konnte) durch die Handlung. Ich sehe da viel vorausarbeit für den Meister zukommen.
    Weiters gefallen mir zwei dramaturgische Stellen nicht, die einfach zu unglaubwürdig sind (Finale 4ter und 5ter Teil).

    Auf der anderen Seite bekommt man ein schönes Bild vom Bornland und sogar ältere Charaktere (wie zB Mjesko Einhand) tauchen wieder auf die man durch ein früheres Abenteuer kennt.

    Das größte Problem ist für mich der dritte Teil, weil er so unerwartet zwischen dem Band davor und danach hängt. Entfernen kann man ihn auch schwer weil sonst die späteren Bände etwas angepasst werden müssen …

    Unterm Strich fand ich die Kampagne gut, aber hoffentlich passt da Ulisses Spiele bei der Entwicklung auf das die Verzahnung angenehmer ist, 6 Einzelbände müssen bei einer Kampagne nicht unbedingt sein.

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  3. Eine verdammt gute Rezension. Da meine Spieler allesamt unglaublich große Fans der Theaterritter sind (ich meisterte früher einmal eine ruhig-bedachte Kampagne zu diesem Thema über 2 Jahre hinweg, zusammengesammelt aus allen Infofetzen, die es damals so gab^^°), ist es gut zu wissen, dass die offizielle Kampagne etwas taugt. Auch, wenn sie anscheinend nicht frei von Kinderkrankheiten ist.

    Ich hätte daher eine Bitte, wenn das möglich wäre:
    Könntest du evtl. die Reihefolge der Bände angeben, in der du die Kampagne meistern würdest? In deinem Vorschlag klang das bereits ein wenig an, über eine deutlichere Festlegung würde ich mich allerdings sehr freuen. 🙂
    Die vorgegebene Reihenfolge scheint da ja eher etwas antiklimatisch…

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    1. Wie gesagt, es ist nur eine alternative Idee, die noch richtig viel Arbeit mit sich bringen müsste, weil bei den einzelnen Handlungsdetails viele Bedingungen verändert werden müssten.
      Meine Idee wäre es mit „Der Weiße See“ zu beginnen, wo man eine Art „Bauplan“ der Pauke erhalten könnte. Dann könnte man in „Der Schwarze Forst“ Milzenis und die Hexen als zukünftige Verbündete gewinnen. In „Das Blaue Buch“ lernt man den Gegner kennen, den man aber noch nicht besiegen kann. Bei der Adelsmarschallswahl könnte eine Meisterfigur als vermeindlicher Verbündeter gewonnen werden, mit dem man zusammen in „Die Silberne Wehr“ einen ersten Sieg gegen den Korsmal-Bund erringt. Der Verräter offenbart sich dann im großen Endgefecht in“Der Grüne Zug“.
      Das wäre meine grundsätzliche Reihenfolge, allerdings müssten auch innerhalb der Bände Details ausgetauscht werden, z.B. würde so Olko bereits im 4. Band ausscheiden und für Wahnfried von Ask hätte ich andere Pläne.

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