Das Geheimnis des Drachenritters I: Die Soloabenteuer

Vorbemerkung: Nach einem ersten Blick in die Box am Ende der vergangenen Woche arbeite ich mich langsam konkret durch die Inhalte der Einsteigerbox Das Geheimnis des Drachenritters. Chronologisch ergibt es aus meiner Sicht Sinn, sich an die vorgesehen Reihenfolge zu halten. Die Einweisung Lies mich zuerst empfiehlt als Vorgehensweise, dass sich jeder Spieler einen der Heldenbögen nimmt, nebst dem dazugehörigen Soloabenteuer. Vergleichbare Publikationen waren ja bei DSA bisher etwas anders konstruiert: Traditionell waren ja in den alten Basisspielen keine unterschiedlichen Soloabenteuer für verschiedene Heldenprofessionen enthalten, sondern ein längeres Soloabenteuer, das sich an keinen bestimmten Typus Held richtete, wobei vor allem der Aspekt der Weltenvorstellung und die Erläuterung einfacher Regelmechanismen im Vordergrund stand. Etwas skeptisch macht mich dabei die Heftdicke: Kann ein Soloabenteuer auch im Heldenwerkformat funktionieren? Sicherlich ist so von Anfang an klar, dass hier keine aufwändige Geschichte mit allzu vielen verschiedenen Handlungsoptionen erzählt werden kann.

I. Inhalt

Die Heldenbögen

Die Box enthält vier Helden, die Kriegerin Leomara Bärenherz, den Zwerg Romoxosch, Sohn des Dwarosch, die Elfe Valariel Sternenpfeil und den Magier Hesindian Schlangentreu, für die jeweils ein kleines Heft vorhanden ist. Darin befindet sich ein kommentierter Heldenbogen, der in der Seitenmitte angeordnet ist, während sich links und rechts Infokästen befinden, die alle Werte und die dazugehörigen Regelaspekte erläutern. Somit ist auch nicht vorgesehen, dass die Spieler unbedingt zunächst auf das ebenfalls in der Box enthaltene Regelheft zurückgreifen müssen, sondern zum direkten Losspielen nur die hier aufgeführten Informationen notwendig sind. Beispielsweise werden die einzelnen Werte erklärt und die Proben, die jeweils damit zusammenhängen, zudem folgt noch eine Seite mit Regelerläuterungen zu den Themenkomplexen Steigerung und Regeneration/Heilung. Auf der Rückseite des Bogens folgt noch eine kurze Vorstellung des Figurenhintergrundes, allerdings auf einige wenige Anmerkungen beschränkt. Die beiden magiebegabten Helden haben zusätzliche Seiten für ihre dementsprechenden Fähigkeiten. Dort werden Beispielsweise die Zauber vorgestellt, die sie beherrschen, neben den Werten auch mit einer kurzen Wirkungsbeschreibung.

Die Soloabenteuer

Für jeden der vier Helden existiert auch ein kurzes Soloabenteuer, jeweils auf 12 Seiten beschränkt und damit auch nur knapp über 20 Abschnitte lang. Gemeinsam ist allen Abenteuern die Ausgangssituation: Alle Helden befinden sich in der Grafschaft Heldentrutz und erhalten dort von Ergard Hohenwald, der Hauptfrau der gräflichen Garde, einen kleinen Auftrag.

Diebesgut

Die Kriegerin Leonora Bärenherz soll in dem Rohrweihen, einem großen Wald, zwei Diebe ausfindig machen und eine gestohlene Kette zurückbringen. Im Wald angekommen muss sie sich die richtige Strategie einfallen lassen, um die Räuber in ihrem Versteck anzugreifen.

Giftzwerg

Der Zwerg Romoxosch, Sohn des Dwarosch, begibt sich als Tiefenkundiger in das Kellergewölbe eines verlassenen Landhauses, um dort eine Vase zu lokalisieren und herauszubringen. Seine Aufgabe besteht vor allem darin, die Gänge und Räume zu untersuchen und etwaige Verstecke offenzulegen, die dem menschlichen Auge verborgen bleiben.

Jagdglück

Getreu ihrem Naturell als wildniserfahrene Elfe wird Valariel Sternenpfeil ebenfalls in den Rohrweihen geschickt, um dort einen entlaufenen Ziegenbock ausfindig zu machen. Dabei gilt es, einerseits den Spuren des Tieres zu folgen als auch darauf zu achten, dass niemand dem Bock ein Haar krümmt.

Schattenturm

Der Magier Hesindian Schattentreu ist mit seiner magischen Expertise gefragt, entsendet man ihn doch in einen verlassenen Magierturm, der – obschon er mitten in der gräflichen Burg liegt – seit langem nicht mehr betreten wurde. Just nun wird aber ein alter Foliant benötigt, den man in dem Turm vermutet.

Alle Abenteuer haben eine kurze Spieldauer, der Verlauf ist in etwa gleich: Den Helden werden unterschiedliche Proben (Eigenschafts- und Talentproben, bei Hesindian und Valariel auch Zaubersprüche) abverlangt, es kommt zu mindestens einem Kampf, dazu kommen 2-3 Stellen, an denen man den Lösungsweg leicht durch seine Entscheidungen beeinflussen kann. Die Mechanismen sind so eingestellt, dass ein Scheitern in den Proben nicht zum Scheitern im Abenteuer führt und dass der Spielercharakter im Kampf auch bei schlechtem Verlauf nicht stirbt. Sobald Regeln ins Spiel kommen, werden diese durch kursiv abgehobene Erklärungstexte erläutert und mit Beispielen veranschaulicht.

II. Kritik

Wie oben schon angeführt, wurde diesmal ein anderes Konzept gewählt, statt einem ausführlichen, sehr allgemein gehaltenen Abenteuer hat nun jeder Held ein kurzes, maßgeschneidertes Abenteuer. Natürlich bringt diese Designentscheidung mit, dass man im Prinzip nicht von einem echten Soloabenteuer im traditionellen Sinne sprechen kann, am ehesten vergleichbar sind die Abenteuer vielleicht noch mit dem kurzen Solovorspann in der allerersten DSA-Basisbox, wo erkennbar die Spielmechanismen im Vordergrund standen.

Wer also eine ausführliche Geschichte erwartet, der wird hier nicht auf seine Kosten kommen: Der meist etwa einseitige Vorspann wirft die Helden sofort in die konkrete Situation, die auch in keine komplexe Story mündet, sondern immer dem gleichen Ablauf folgt: Die Figur muss eingangs ein paar Entscheidungen über ihr Vorgehen treffen, damit sind ein paar Proben verbunden und bevor man das Objekt der Begierde erlangt, muss man noch einen Kampf bestehen. In keinem Abenteuer wird man mit nennenswerten NSCs konfrontiert, Interaktion ist hier kein echter Schwerpunkt.

Als Freund von Geschichten liegt mir der alte Ansatz von den DSA3+4-Basisboxen mit einem längeren Soloabenteuer prinzipiell mehr. Klar ist so natürlich auch, dass die vorliegenden Soloabenteuer für erfahrene DSA-Spieler keinerlei lohnende Herausforderung beinhalten, sind doch die Ziele, das Bergen einer Vase, das Finden des Ziegenbocks oder die Überwältigung von zwei Dieben sehr einfach gehalten und sind auch nicht mit irgendwelchen Wendungen verbunden.

Aber hier muss man aus meiner Sicht tatsächlich mit anderen Maßstäben herangehen: Im Fokus steht die Frage, wie gut ein absoluter DSA-Novize an die Hand genommen wird, um seine ersten Schritte unternehmen zu können. Und in dieser Hinsicht finde ich es vor allem sehr wichtig, dass es nicht notwendig ist, sich zuerst mit dem Regelwerk auseinander zu setzen, sondern man sich nur die Zeit nehmen muss, den weitgehend selbsterklärenden Heldenbogen in die Hand zu nehmen und anschließend kann man sofort nach einem der Solos greifen und ohne weiteres losspielen. Die Erklärungen sind anschaulich geschrieben und im Kleinen erläutert jedes Abenteuer die wichtigsten Mechanismen von Proben und Kampfsituationen (zum Teil mit unterstützenden Grafiken, die die die relevanten Werte hervorheben), dazu finden sich noch ein paar Erläuterungen zur Spielwelt und zum Hintergrund der Figur (z.B. werden relevante Götter vorgestellt).

DSA ist auch in der 5. Edition für einen Gelegenheitsspieler immer noch ein sehr komplexes Gebilde mit Regeln, die man aus üblichen Gesellschaftsspielen nur ansatzweise kennt. Hier ein kurzes „rundum-sorglos-Paket“ zu erhalten, erleichtert den Spieleinstieg sehr. Und die Idee, dass eine Spielgruppe sich somit parallel auf ein gemeinsames Abenteuer vorbereiten und mit seiner Figur vertraut machen kann, hat sehr viel für sich. Zwar gewinnen die vier Protagonisten sicherlich keinen Originalitätspreis, aber auch in diesem Punkt ergibt es durchaus Sinn, mit eher klischeehafter Zusammensetzung von Magier, Kämpferin, Zwerg und Elfe an in der Populärkultur bekannte Muster anzuknüpfen und nicht mit einer Nivesin, einem thorwalschen Runenmagier, einer maraskanischen Meuchlerin und einem Zuckerbäcker aus Gareth anzufangen, weil diese vielmehr zusätzlichen Kontext bedingen würden.

So ist vor allem der Tutorial-Aspekt vordergründig, indem auf diese Weise in relativ schneller Zeit die basalen Spielmechanismen erläutert werden können (vor allem auch im kurzen Selbststudium leistbar), so dass im Prinzip unmittelbar daran das dazugehörende Gruppenabenteuer Die Räuber vom Dunkeltann angeschlossen werden kann, das durch den hier vorliegenden Quasi-Prolog schon vorentlastet ist, da durch die Soloabenteuer die Auftraggeberin schon eingeführt wurde.

III. Fazit

Die Soloabenteuer der Einsteigerbox sind deutlich zu kurz, um für erfahrene DSA-Spieler eine Herausforderung darzustellen und bieten im Vergleich zu früheren Basisabenteuern auch erzählerisch eher wenig Inhalt. Die wirkliche Stärke liegt in der Tat an der immens hohen Einsteigerfreundlichkeit, da hier wirklich alle Aspekte auf schnelle Zugänglichkeit ausgerichtet sind. Sehr konsequent (und intelligent) ist dabei die Tutorial-Funktion eingesetzt. Die vier unterschiedlichen Helden samt Soloabenteuer ermöglichen zudem, dass eine Spielgruppe sich parallel auf das folgende Gruppenabenteuer vorbereitet und mit den basalen Regelmechanismen vertraut macht.

Auf eine Bewertung verzichte ich an dieser Stelle noch zugunsten einer Gesamtwertung aller Boxanteile.

5 Kommentare

  1. Die Solos als Tutorial. Das halte ich mal für einen guten Gedanken. Sie dann auch noch quasi als Vorspann fürs Gruppenabenteuer anzulegen ist auch eine gute Idee. Gerade für die Anfängergruppen an die sich die Box ja vornehmlich richtet.

    Was die relativ geringe Zahl von Abschnitten betrifft (auf 12 Seiten hätte ich eher knapp unter 40 statt 20 Abschnitte erwartet), liegts an den Erklärboxen? Oder sind die Abschnitte eher lang?

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  2. Zwei Szenarien: 1.) Man bekommt die Box, liest sich ein, verteilt die Solos an die Spieler und lässt sie sich mit einem abendfüllenden Solo vorbereiten. Dann trifft man sich und spielt das erste Gruppenabenteuer. 2.) Man öffnet die Box, will sofort loslegen. Man verteilt die Solos, jeder liest sich eine halbe Stunde lang ein, dann geht es los.

    Wir haben für die Einsteigerbox Szenario zwei für wahrscheinlicher gehalten und die Soloabenteuer darauf ausgelegt. Die 1. Variante kann man auch umsetzen (was andersherum nicht ginge) und wenn man dabei längere Solos möchte, etwa weil der Spielleiter schon erfahren ist, dann gibt es dafür ja schon drei Soloabenteuer (wobei die Tendenz ja schon irgendwie steigend ist 😉 ).

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