Rezension: Fauler Frühling

Vorbemerkung: Das Abenteuerjahr 2019 hat ja mit Die Gefangenen von Santobal bereits gut begonnen, bislang folgte aber kein weiteres Abenteuer. Dies hat sich nun mit dem Erscheinen von Fauler Frühling geändert. Interessant erscheint allein schon der Schauplatz, gilt es doch für die Spielercharaktere, einen Ausflug in das selten besuchte Binnenland Thorwals auf sich zu nehmen. Etwas skeptisch stimmt mich allerdings der Umstand, dass laut Ankündigung der Fokus auf dem Thema Krankheit liegen soll, ist das doch aus meiner Sicht ein eher weniger angenehmes Thema. Dafür erscheint bemerkenswert, dass das Abenteuer von Rafael Knop auf dem Input von Fans basiert, die mit dem Autor auf dem KRK 2018 die Grundgedanken für die inhaltlichen Leitlinien erarbeitet haben.

In Zahlen:

– 64 Seiten

– Preis: 14, 95

– Erschienen am 28.4. 2018

I. Aufbau und Inhalt

Mehr denn je erscheint bei Fauler Frühling die Frage im Vordergrund, was die Helden dazu bewegen könnte, sich an den dünn besiedelten Schauplatz zu begeben, das kleine Örtchen Vedgard am Rande des Olochtai-Gebirges. Hierzu werden drei Vorschläge gegeben, wobei die präferierte Lösung (neben der Vision einer Hexe und einer Zufallsbekanntschaft durch einen Wettstreit) die Begegnung mit dem jungen Skalden Hjalfdan ist, der die Spielergruppe dazu motivieren möchte, ihn nach Vedgard zu begleiten, wo er den Stoff für eine große Saga mit den Helden als Protagonisten vermutet. Dieser Idee folgend, werden viele Spielabschnitte und Kapitel mit einem Auszug aus Hjalfdans Heldenlied eingeleitet bzw. zusammengefasst.

Eingangs erfolgt eine Reisebeschreibung, wenn das Dorf zur Zeit der Schneeschmelze erreicht werden soll. Dabei ist mit zunehmender Annäherung spürbar, dass dort etwas nicht stimmt, wird die Natur doch feindlicher und alles wirkt ungesund und kränklich. Massiv verstärkt wird dies durch die Eindrücke vor Ort selbst: die Dorfbewohner sind verschlossen, der Ortsvorsteher feindselig und unwirsch, die lokale Hexe Gundrid scheint gar verschwunden und mehrfach muss man sich den Angriffen von größeren Tieren und Insekten erwehren.

Somit gilt es, herauszufinden, was diese Zustände verursacht hat, wobei sich schnell die Erkenntnis ergibt, dass es sich um eine dämonische Präsenz handelt, der Einhalt geboten werden muss. Dazu existieren eine Karte und die Beschreibung des Ortes und der relevanten Umgebung, die die Helden zur Recherche aufsuchen können. Ebenso finden sich Werte und Informationen zu den wichtigsten NSCs, die als Feinde oder Verbündete agieren können. Zusammen mit den Hintergrundinformationen über den Ursprung der Plage ergeben sich unterschiedliche Handlungsoptionen, die zwar in ihrer Reihenfolge frei verfügbar sind, jedoch alle in ein großes Finale münden.

Eine Besonderheit des Abenteuers bedingt, dass Fähigkeiten als Kämpfer zwar hilfreich sind, aber keinesfalls eine Lösung des Problems darstellen können. Vielmehr sind vor allem gesellschaftliche Fähigkeiten vonnöten, um die benötigten Hilfsmittel zu erlangen und die richtigen Verbündeten zu finden. Daneben ist mindestens ein magiebegabter Charakter sinnvoll, allerdings existieren auch NSCs, die ggf. das Fehlen eines solchen ausgleichen können.

II. Figuren

Im Zentrum steht die Dorfgemeinschaft von Vedgard, die allerdings ob der dramatischen Lebensumstände sehr verhalten auf die Helden reagiert und zum Zeitpunkt des Abenteuers so gar nicht dem Klischee einer Gemeinschaft von lebenslustigen Thorwalern entspricht. Wichtige Ansprechpartner können hier der Ortsvorsteher Bengolf und die Hexe Gundrid sein, die allerdings verschwunden ist. Traditionell unterhält die Dorfgemeinschaft gute Beziehungen zu einer benachbarten Orksippe, die allerdings seit Beginn der Plagezeit keinen Kontakt zu den Bewohnern Vedgards hatte.

Eine Sonderrolle nimmt der Skalde Hjalfdan ein, so man sich denn für diesen Einstieg entschieden hat. Der enthusiastische junge Mann fungiert quasi als Chronist der Taten der Heldengruppe, kann aber auch eine ganz praktische Rolle als Dolmetscher einnehmen, falls von den Helden niemand die Landessprache spricht.

III. Kritik

Tatsächlich sind nicht alle Inhalte des Abenteuers das, was ich unter appetitlich verstehen würde. Es geht u.a. um Krankheitsabläufe, Würmer und Insekten, die Seuchen übertragen, tollwütige Tiere und eine durch ihre Schwächung teils irrational handelnde Dorfgemeinschaft, dazu sind die Natur und einige der Schauplätze dämonisch pervertiert: Sprich, die fast schon heimelige Atmosphäre eines Einsteigerabenteuers in einer beschaulichen Region wie beispielsweise dem Kosch kommt nicht auf.

Aber prinzipiell liegt gerade in dieser Atmosphäre der Verzweiflung und des langsamen Dahinsiechens die große Stärke von Fauler Frühling. Die Bedrohung liegt nicht in einem klar fassbaren Aspekt wie einer Räuberbande oder einem Monster, sondern die gesamte Umgebung strahlt – bis auf wenige Enklaven des Schutzes – eine mehr oder weniger offene Lebensfeindlichkeit aus und die meisten NSCs wirken mit der Situation überfordert.

Die Grundidee einer antagonistischen Entität, die sich nicht ohne weiteres mit Waffengewalt bezwingen lässt, ist dabei insofern gut umgesetzt, als dass es die erste Begegnung mit dem Feind ermöglicht, dies selbst zu erfahren und somit auch selbst einen alternativen Plan zu entwickeln. Die Insektenschwärme gestalten glaubhaft die Problematik, so dass es erklärbar erscheint, warum pure Gewalt keine Lösung darstellt.

Der folgende Lösungsweg ist zwar vom Abenteuer vorgesehen, allerdings herrscht grundsätzlich eine sehr hohe Bewegungsfreiheit, in der die Helden ihr Vorgehen selbst bestimmen können, wobei die Reihenfolge nicht vorgegeben ist, allerdings sich die nächsten Schritte oft logisch ergeben. Gut gelöst ist auch die Unterstützung durch NSCs, die Helden können letztlich fast alles selbsttätig erfüllen, sobald aber jemand mit bestimmten Fähigkeiten fehlt, gibt es eine Figur, die diese Rolle einnehmen kann, ohne den Spielercharakteren das Rampenlicht streitig zu machen. Positiv fällt in diesem Kontext auch die Darstellung der Orks auf, die hier als gutmeinende Verbündete agieren, obwohl dies nicht auf den ersten Blick ersichtlich ist bzw. die Helden sie unter Umständen sogar für die Verursacher der Plage halten können. Zwar stellt im Prinzip keines der Abenteuerelemente etwas fundamental Neues dar (Bekämpfung von Krankheiten/Dämonen, Zusammensuchen von Wissen/Gegenständen für ein Ritual, eine feindselige Dorfgemeinschaft), die Kombination ist hier aber sehr stimmig.

Gut gelingt auch der Ausgleich zwischen der dörflichen Atmosphäre auf der einen Seite, die zwar einmal mehr DSA-typisch bodenständig wirkt und der bedrohlichen Gesamtsituation andererseits, die aufgrund der Hintergrundgeschichte des Dämons wiederum einen deutlich epischeren Charakter eines Kampfes um die Existenz der gesamten Gegend erhält, da ohne ein Eingreifen alle Lebewesen und die Natur zum Untergang verdammt sind. Hier stört mich lediglich, dass man zwar als Leser und Spielleiter mehr über den Hintergrund des Dämons geschildert bekommt, die Spieler dies aber nur bruchstückhaft in Erfahrung bringen können und abseits der Auseinandersetzungen keine Interaktion stattfindet und man somit auch keine Agenda des Antagonisten erhalten kann, dies kann maximal durch einen von dem Unwesen vereinnahmten Dorfbewohner als Mittler geschehen. Die meisten Helfer des Dämons haben ja ohnehin keine individuelle Ausprägung, da er sich ja vornehmlich Insektenschwärmen bedient. Dies erhöht zwar einerseits den schon angesprochenen Ekelfaktor, appelliert dafür aber andererseits auch passend an typische Urängste.

Der variable Einstieg passt zum Aufbau des Abenteuers, allerdings erscheint mir die Variante der Begleitung durch Hjalfdan die reizvollste Variante. Die Kommentierung in Form eines Heldenliedes ist eine bereichernde Idee und unterstreicht den Charakter der Situation, in der eben auch in einer eigentlich beinahe menschenleeren Gegend große Taten vollbracht werden können, die der Dokumentierung wert sind (auch wenn einige der Strophenbeispiele für meinen Geschmack in ihrer Reimform etwas arg bemüht formuliert sind).

IV. Fazit  

Fauler Frühling ist ein gutes Abenteuer, das vor allem mit einer bedrückenden Atmosphäre überzeugen kann, da die Bedrohung ist für einen ganzen Landstrich schwer greifbar ist und die spätere Lösung samt Finale gut hergeleitet wird. Trotz der Verortung im thorwal´schen Hinterland handelt es nicht um ein gefällig-lokales Abenteuer, sondern es hat durchaus einen epischen Unterton. Der Aufbau ist dabei zwar in der Findung der geeigneten Gegenmaßnahmen gegen die Seuchen und Krankheiten stringent, allerdings werden die Spielercharaktere nicht durch mangelnde Bewegungsfreiheit eingeschränkt, sondern können ihre Vorgehensweise frei bestimmen.

Bewertung: 5 von 6 Punkten

8 Kommentare

  1. Vielen Dank für diese ausführliche und informative Rezension! Kleine Frage am Rande: Wie heißt die Hexe richtig: Gunhild oder Gungrid?

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  2. Mhm, irgendwie deprimierend. Wie läuft denn emotionale Führung durch dieses Abenteuer? Das klingt alles so als würde es eher bedrückend anfangen und dann schnell weiter nach unten gehen. Wenn dann die Stimmung bei den Meisterpersonen auch so verschlossen depressiv ist, dann wird das nicht besser. Und wenn dann auch noch der Buttkicker anfängt zu maulen, wann er denn endlich mal was töten darf …
    Ich würde mal spekulieren, dass dieses Abenteuer vor allem leidensfähige Spieler verlangt. Sicher nicht jedermanns Sache.

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    1. Das hängt sicher auch irgendwo vom Meister ab, allerdings ist das Abenteuer von der Grundidee her eindeutig so ausgelegt, dass eine eher deprimierende Stimmung vorherrscht. Allerdings ist es ein gewolltes Stilmittel, die Helden sollen die Bedrohung verspüren, die von ihrer Umgebung ausgeht. Ein Gegengewicht kann der begleitende Skalde sein, der die Stimmung etwas auflockern kann.

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  3. Was mich bei diesem Abenteuer irritiert: Die Tulamiden schicken den Al’Hani einen Dämon, der genau gegen das anfällig ist, was den Al’Hani heilig ist (Bienen). Ist das nicht kurios? Warum sollte man so etwas tun?

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