Vorbemerkung: Mit dem Editionswechsel hat sich auch der Publikationsstil von DSA stark verändert. Eines der markantesten Zeichen dieses Wandels ist sicherlich der Umstand, dass eine neue Regionalspielhilfe nicht mehr nur von einem Abenteuerband, sondern von einer ganzen Reihe von kleineren Publikationen begleitet wird. Manches davon ist aus meiner Sicht nicht unbedingt eine Innovation, sehr überzeugt haben mich aber – ein wenig wider Erwarten – die handlichen Heldenbreviere, die den Lesern exemplarische Figuren einer Region im Rahmen einer kleinen Heldengeschichte näherbringen sollen. Demzufolge habe ich mich natürlich auch sehr auf Das Heldenbrevier des Dornenreichs gefreut, in dem Carolina Möbis und Nathan Fürstenberg laut Untertitel eine Märchenhafte Reise durch Aranien schildern wollen.
I. Aufbau und Inhalt
Diesmal gibt es einen entscheidenden Unterschied zu den vorherigen Heldenbrevieren: Auffällig ist ein Stilmix, indem ein Teil der Geschichte in der gewohnten Anlehnung an den Briefroman verfasst ist, während eine zweite Handlungsebene im Stil von Märchengeschichten vorhanden ist, wobei die beiden Haimamudim Irhamar und Pershila als Erzähler fungieren.
Den Ausgangspunkt bildet die Geschichte des einfachen Bauern Murtabal, der durch ein Geschenk der Mada in Form eines Zauberkristalls magische Fähigkeiten erlangt, wobei ihm die Auflage erteilt wird, die neu gewonnene Gabe nicht im Eigennutz zu verwenden. Nach einem wendungsreichen Leben verlässt der gealterte Murtabal zuletzt seine Familie und verschwindet.
Folgend setzen die beiden bereits erwähnten Heldengeschichten ein. Eng mit Madas Schicksal verbunden ist Shalzar, der der Sage nach mit einem von der Göttin Radscha Uschtammer erhaltenen Waffenfächer den Herrn der Magie tötete, um dessen Fähigkeiten den Sterblichen zur Verfügung zu stellen. Eben dieser mythische Fächer steht im Mittelpunkt der Geschichte von Pershila. Ein ungleiches Trio von weiblichen Heldinnen erhält einen wichtigen Auftrag: Die Sternendeuterin Kerizeth, die Kriegerin Nejda und die Phexgeweihte Ayshara sollen nach Anchopal reisen, um den Mada Basari zu helfen. Dort angekommen, werden sie instruiert, ein spezielles Phänomen im Verlauf des Sternenfalls zu untersuchen. Die ehemalige Fürstin Sybia war demnach im Besitz einiger mächtiger Artefakte, die sie mit Phexens Hilfe am Sternenhimmel verborgen hatte, von denen aber einige nun durch den Sturz vom Himmelszelt wieder ihren Weg nach Aventurien gefunden haben und die nun in die falschen Hände zu geraten drohen.
Ebenfalls auf einer Suche befinden sich die beiden Protagonisten des Briefteils: Sowohl der Händler Aleyan als auch der Krieger Eddin folgen der gleichen Spur, bei der es sich letztlich um ein ominöses Tagebuch eines Forschers handelt, der ein besonderes Artefakt in seinen Besitz bringen wollte. Beide sind von unterschiedlichen Organisationen beauftragt worden, während Aleyan für die Mada Basari arbeitet, bleiben Eddins Auftraggeber ungenannt, weisen allerdings eine auffällige Distanz zu Magie und magischen Artefakten auf. Während beide zunächst alleine reisen, schließen sie sich letztendlich zusammen, nachdem Aleyan die Überzeugung gewinnt, dass er die Dienste eines fähigen Söldners als Leibwächter benötigt.
Beide Gruppen folgen somit einer Spur durch viele unterschiedliche Gegenden von Aranien, unter anderem werden Anchopal, Zorgan, Elburum und Palmyrabad aufgesucht, dabei begegnen sie unterschiedlichen Personen und Gruppierungen, unter anderem spielt auch eine Weissagung der Sphinx eine wegweisende Rolle. Zuletzt spitzt sich die Situation derart zu, dass sowohl die Heldinnen als auch die beiden ungleichen Männer bei der Erfüllung ihres Auftrages in lebensgefährliche Situationen geraten, die scheinbar nicht ohne Verluste enden.
II. Kritik
Wie in den einführenden Bemerkungen erwähnt, halte ich die Heldenbreviere für eine sehr positive Entwicklung, gerade auch, weil es bislang fast durchweg gelungen ist, im besten Sinne schöne Geschichten mit regionalem Flair zu erzählen, wobei die Stärke der überwiegend eher ruhig erzählten Storys weniger in der Handlungsdramatik, sondern in den liebenswerten Figuren liegt. In dieser Hinsicht muss ich leider sagen, dass es sich bei dem Heldenbrevier des Dornenreiches um das aus meiner Sicht bislang schwächste Exemplar der Publikationsreihe handelt. Der Hauptgrund dafür liegt in dem bereits angesprochenen Stilmix, den ich als unvorteilhaft erachte.
Mir ist ein wenig unklar, wieso man hier von dem bewährten Briefromanstil abgewichen ist: Das beste Argument für diese Erzählweise ist der Umstand, dass genau der Teil des Heldenbreviers, in dem diese verwendet wird, gut funktioniert. Aleyan und Eddin sind zwei interessante Figuren, deren Ränkespiel gerade dann seine volle Wirkung entfacht, wenn man ihre Schilderungen miteinander abgleicht und erst dann erkennt, was sich hinter einer bestimmten Situation auf den zweiten Blick verbirgt. Zudem wirkt der Kontrast zwischen dem oft eher überschwänglichen Aleyan und dem eher rationalen Eddin sehr reizvoll, ergänzen sich die beiden doch sehr unterschiedlichen Gefährten trotzdem überraschend gut. Zuletzt ergeben sich interessante Wendungen bis hin zum großen Finale, was auch an dem Spiel mit Eddins Identität liegt. Einzig die Einbettung der Briefe in die Erzählung der Geschichtenerzähler wirkt unpassend, zwar wird eine Erklärung für das Verlesen der Briefe geboten, allerdings erscheint es mir trotzdem nicht passend, den blumigen Stil mit dem der Brief zu verbinden.
Tatsächlich gestaltet sich der zweite Handlungsstrang ohnehin in Gänze für mich weit weniger überzeugend. Natürlich klingt es zunächst durchaus passend, hier Referenzen zu einem orientalisch geprägten Erzählstil (oder zumindest einer europäischen Vorstellung dieses Erzählstils) herzustellen, indem blumig ausgeschmückt die Erlebnisse der drei Frauen geschildert wird. Allerdings erweist sich dies in der Charakterisierung als eher nachteilig. Die Handlungsschilderung ist eher oberflächlich, gerade die Reiseanteile werden gerafft erzählt, lediglich mit dem Fokus auf einige Gespräche untereinander. Bis zum Ende der Geschichte gelingt es mir nicht, Facetten der Figuren zu erkennen, die über ihre Professionen und einige bruchstückhafte Hintergründe und einige grundlegende Eigenschaften hinausgehen.
In seiner grundsätzlichen Funktion als eine Art narrativer Reiseführer funktioniert der Band allerdings gut, gerade die Beschreibungen der unterschiedlichen Städte sind so angelegt, dass man jeweils ein eigenes Flair verspürt und eine sehr breite Fächerung von kulturellen Gemengelagen in Aranien. Nach wie vor gefällt mir zudem die Gestaltung mit den schönen Illustrationen von Katharina Niko. Auch die generelle Idee einer Verbindung des Sternenfalls mit einer Suche nach mächtigen Artefakten halte ich durchaus für passend, auch weil hier spürbar eine größere Tragweite beabsichtigt ist, mit einer deutlichen Anlehnung an ein zentrales Element des Metaplots. Die Einbindung verschiedener (Geheim-)Organisationen spiegelt zudem einen wichtigen Bestandteil der Regionalspielhilfe wider.
III. Fazit
Das Heldenbrevier des Dornenreiches basiert auf einer guten Grundidee, die die ProtagonistInnen auf eine gefahrvolle Artefaktsuche entsendet, wobei viele Elemente der Region wie die vielen Organisationen und die wechselhafte Geschichte Araniens aufgegriffen werden. Ein großes Manko stellt allerdings die stilistische Umsetzung dar, in der der bisher gewählte Briefstil mit den blumigen Schilderungen von Märchenerzählern verbunden wird, wobei gerade letzteres sich aus meiner Sicht nicht für diese Textlänge eignet, weil damit die Charakterisierung der Figuren zu oberflächlich bleibt.
Bewertung: 3 von 6 Punkten
Erstmal wieder vielen Dank für deine Rezension. Ich finde es schön, dass im Heldenvbrevier RSH-Mysterien aufgegriffen werden. Liest sich so (ich habe das Brevier nicht), als ob man die Handlung auch zu einem Abenteuer umschreiben könnte.
Gut, dass du vor dem Stilmix warnst. Ich mag sowas gar nicht, weshalb ich mir das Brevier auch nicht zulegen werde.
Besten Dank und liebe Grüße
Fred
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