Rezension: Mondsilberne Mysterien

Vorbemerkung: Bei manchen Abenteuern ist es schon das Cover, das ein gewisses Versprechen abgibt, wenn es eine dramatische Situation oder einen besonderen Fixpunkt enthält. Genau so ein Fall ist Mondsilberne Mysterien von Alex Spohr, das Begleitabenteuer zur Regionalspielspielhilfe Das Dornenreich. Maskierte und bewaffnete Kultisten, die mit Schwertern bewaffnet eine Stufenpyramide hinauflaufen, an deren Spitze eine riesige Sphinx steht, ihr zur Seite eine Magierin (Mirhiban), die gerade einen Kampfzauber webt, während einige Katzen den Kultisten entgegenspringen. Das enthält einerseits viel Dynamik und andererseits wird hier mit der Sphinx von Ras´Lamasshu eine der interessantesten Figuren aufgegriffen.

In Zahlen:

– 48 Seiten

– Preis: 12,95 Euro

– erschienen am 28.10. 2019

I. Aufbau und Inhalt

Wie bei den Begleitabenteuern zu den bisherigen Regionalspielhilfen üblich, handelt es sich um in Reiseabenteuer, d.h. es werden möglichst viele Schauplätze der Region beinhaltet, was im Fall von Aranien unter anderem auch einige der großen Städte betrifft.

Der Einstieg ist im doppelten Sinne klassisch: Einerseits findet er im beliebtesten Ausgangspunkt für Abenteuer statt, in einem Gasthaus bzw. hier regionaltypisch in einer Karawanserei. Und andererseits handelt es sich zusätzlich noch um das berühmte Rote Kamel von Taref as´Sarjabaran, dem Ort, an dem in Aranien bzw. Zorgan gefühlt jedes zweite Abenteuer seinen Anfang nimmt. Allerdings geschieht keine gemütliche Anwerbung im herkömmlichen Sinne, stattdessen kommt direkt eine große Dramatik auf, wenn ein junger Mann mitten in das gesellige Zusammensein der anwesenden Gäste hineinstürmt und von einem Attentäter verfolgt wird, der anscheinend keinerlei Skrupel dabei empfindet, in aller Öffentlichkeit seinem blutigen Handwerk nachzugehen. Dies sollte natürlich die Heldengruppe auf den Plan rufen. Gelingt es, den jungen Mann zu retten, erfahren sie, dass er in Tareks Auftrag unterwegs war, um ein seltenes Buch mit dem Titel Mondsilberne Mysterien zu beschaffen. Besondere Brisanz erhält das Unterfangen dadurch, dass Tarek wiederum für niemand geringeren als die Sphinx von Ras´Lamasshu tätig ist. Somit geht die Aufgabe nun an die Helden über, womit zunächst Recherchearbeit ansteht. Zur Ausgestaltung kann einerseits auf die Spielhilfe und die dortige Stadtbeschreibung von Zorgan zurückgegriffen werden, primär wird vorgeschlagen dies regeltechnisch in Form von Herumfrage-Proben abzuhandeln. Die Bedingungen dazu werden erläutert, zudem existiert eine Liste der Personen, die als Informationsgeber fungieren können. Gelingt es auf diese Weise das gesuchte Buch zu finden, ergeben sich Folgeaufgaben, die eine Reise quer durch Aranien bedingen.

Die folgenden Kapitel sind jeweils ähnlich aufgebaut: Zu Beginn ist eine Zufallstabelle vorhanden, um die Reise zum nächsten Ort zu gestalten. Folgend wird für den allgemeinen Hintergrund wieder auf die Regionalspielhilfe verwiesen, lediglich die Details die Aufgabe betreffend werden ausgeführt. Recherche kann wieder über Proben erledigt werden, während vor allem die Figuren beschrieben werden, jeweils mit ihren möglichen Informationen. Zudem wird auf unterschiedliche Optionen verwiesen, wie man mit bestimmten Situationen umgehen kann, z.B. ob man mit Gegnern verhandeln will, sie infiltrieren möchte oder ob man eine offene Konfrontation sucht. Im Laufe der Handlung trifft man dabei auf unterschiedliche Gruppierungen, wobei die Bandbreite von den Kulten vergessener Gottheiten bis hin zu den letzten Oronern reicht. Zusätzlich ist natürlich von Beginn an spürbar, dass mindestens eine weitere Fraktion das gleiche Ziel wie die HeldInnen verfolgt, was naturgemäß für die eine oder andere gewaltsame Auseinandersetzung sorgt.

Die Recherchekette mündet in ein großes Finale. Hierzu existiert eine Karte des Finalortes nebst einer Beschreibung der Figuren, die dort aufeinandertreffen sowie den zur Verfügung stehenden Ressourcen, vor allem offenbaren sich hier auch die zentralen Antagonisten. Im Anhang werden diese ausführlicher thematisiert.

II. Figuren

Besonders bemerkenswert sind vor allem die beiden Auftraggeber der Heldengruppe. Tarek stellt für viele SpielerInnen wahrscheinlich mittlerweile einen guten alten Bekannten dar, fungierte er doch in der Vergangenheit schon mehrfach als NSC in Aranien-Abenteuern. Dabei wirkt er stets eher jovial und sympathisch, während ihn trotzdem immer eine gewisse Aura des Geheimnisvollen umgibt, was seine Motive und Verbindungen angeht. Die Sphinx hingegen ist natürlich eine ganz andere Kategorie von Figur, uralt und mysteriös, abgehoben vom Alltag der gewöhnlichen Sterblichen, so dass eine persönliche Begegnung mit ihr etwas Außergewöhnliches ist. Allerdings erhält man hier eine seltene Gelegenheit, eines ihrer Geheimnisse zu lüften.

Daneben sind noch viele weitere Figuren für das Abenteuer von Bewandtnis: Die meisten sind einzelne Glieder innerhalb der Rechercheketten, wobei natürlich auch hier Hierarchien vorhanden sind. Zudem gibt es eine Reihe von Antagonisten, einerseits die Strippenzieher im Hintergrund, andererseits ihre meist eher handfesten Mittelmänner und -frauen vor Ort.

III. Kritik

Wie schon angesprochen wirkt vieles an Mondsilberne Mysterien schon auf den ersten Blick sehr verheißungsvoll: Man befindet sich auf der Spur uralter Geheimnisse, für die man atmosphärische Örtlichkeiten aufsuchen muss und dabei im Bunde mit einer faszinierenden Figur wie der Sphinx steht. Eingeleitet wird dies zusätzlich noch durch einen actionreichen Einstieg, bei dem der Attentäter sich als schwerer Brocken erweist, dem man nicht ohne weiteres beikommen kann, man also direkt verspürt, dass man sich hier mit kompetenten und einflussreichen Gegnern auseinandersetzten muss.

Alles, was danach folgt, scheitert aber in meinen Augen massiv an einer ausgesprochen schwachen und vor allem sehr schematischen Ausgestaltung. An dem Moment, wo die Recherche beginnt, setzen gleichsam auch die Probleme der Umsetzung an. Sicherlich sind 48 Seiten für ein Abenteuer ein sehr überschaubarer Platz, somit erkenne ich schon die Schwierigkeit, eine umfangreiche Informationssuche aufzubereiten. Dennoch halte ich die Rechercheproben für wenig geeignet als Hauptinstrument, ich sehe sie lediglich als eine optionale Ergänzung. Aus meiner Sicht wären ein paar Infokästen mit verfügbaren Informationen (nebst einer Angabe, an welchen Orten/ von welchen Personen man sie erhalten kann) ein viel besserer Weg. Auch die Integration solcher Textteile in die ohnehin knappen Personenbeschreibungen halte ich für zu dünn, vor allem wenn sie unspezifisch bleiben. So steht im ersten von drei Rechercheabschnitten bei gleich drei Figuren der Zusatz Pershin wird sie verschwinden lassen. Wie das geschehen soll, welche Mittel dabei verwendet werden und wie und ob das unterbunden werden kann, wird nicht ausgeführt (man erfährt lediglich, dass sie ermordet werden sollen). Die mehrmalige Wiederholung solcher Abschnitte führt obendrein noch zu einer gewissen Eintönigkeit, weil hier mehrfach – wenn auch in unterschiedlichen Rahmensituationen – Schema F verwendet wird. Gleiches gilt leider auch für die Ausgestaltung von Reiseabschnitten in Zufallstabellen. Auch diese haben aus meiner Sicht durchaus eine grundsätzliche Daseinsberechtigung, können doch Spielanteile hier komprimiert aufgearbeitet werden und gute Optionen bieten, wenn eine detaillierte Ausgestaltung nicht möglich ist. Eine gleich dreimalige Verwendung ist aber nicht im Ansatz sinnvoll, vor allem dann, wenn die Tabellen zum Teil inhaltsgleich sind. Das ist dann tatsächlich kein rationaler Umgang mit Platzressourcen, die man – wie oben erwähnt – sinnvoller hätte nutzen können.

Tatsächlich ist es aus meiner Sicht stellenweise nicht durchdacht, wo man ausführlicher Textpassagen verwendet und wo nicht. Beispielsweise halte ich es für völlig legitim, wenn man bei einem Abenteuer, bei dem die Regionalspielhilfe sogar im Klappentext als Voraussetzung genannt wird, bei den Örtlichkeiten, bei prominenten Personen oder Organisationen einfach Verweise setzt. Trotzdem muss der Blick auch immer darauf gerichtet werden, was denn für die SpielerInnen und vor allem die SpielleiterInnen hilfreich ist. So fehlt es den meisten Figuren aufgrund ihrer Präsentation in nur wenigen Zeilen an Tiefenschärfe, weil die Motivationen nicht klar genannt werden. Beispielsweise ist die Sphinx als zentrale Figur schon in der Spielhilfe beschrieben und ihr Bedarf an dem Ritual wird auch erläutert. Im finalen Kapitel fehlen aber auch Angaben, wie eine solche Begegnung konkret aussehen kann (es wird lediglich erwähnt, dass sie nicht in Rätseln spricht), vor allem aber ist am Ende kein Textabschnitt vorhanden, der konkretisiert, wie die Seelenwanderung genau stattfindet (es wird lediglich in zwei Sätzen geschildert, dass sie Wasser aus der Schale trinken muss, dann beginnt die Übertragung), auch über die Konsequenzen der gesamten Ereignisse wird nichts gesagt, ein Ausblick fehlt völlig (Wie sieht die Verbindung der Sphinx zu den HeldInnen in der Folge aus? Besteht ab jetzt ein nachhaltiger Konflikt zwischen ihr und den Erben der Gräber? Hat sie nach der Erneuerung eine Metaplot-relevante Weissagung?), vor allem wird so ihre Persönlichkeit nicht deutlich: Bleibt sie ein unnahbares höheres Wesen, auch dann, wenn sie unbedingt Hilfe benötigt oder sind auch Emotionen erkennbar? Genau so würde eine Figur für mich greifbar werden. Der Text fokussiert sich stattdessen völlig auf den Kampf, Zukünftiges wird nur im Abschnitt zu den möglichen Belohnungen aufgegriffen. Das gilt aber nicht nur für die Sphinx, auch viele andere Umstände bleiben ein Rätsel. So wird erwähnt, dass die Antagonisten einen untoten Greif mit sich führen, über dieses besondere Wesen mit dem Namen Xarax erfährt man aber nichts, außer zu den Umständen seiner Erweckung und seinen Spielwerten.

Das ist letztlich das zentrale Problem des gesamten Abenteuers. Die an sich gute Grundidee wird in der Umsetzung extrem statisch angegangen, die Einzelabschnitte sind sehr skizzenhaft geraten. Zwar spricht grundsätzlich nichts dagegen, ein wenig die Sandbox als Vorbild zu nehmen und auf die Schilderung eines starren Ablaufes und auf Handlungsdetails zu verzichten (dafür gibt es auch viele positive Beispiele auch jüngeren Datums wie Die Gunst des Fuchses oder die Heldenwerke Die Paligan-Akten oder Seelanders Eleven), aber das funktioniert nur, wenn die Rahmenpunkte deutlich abgeklärt sind. Wie schon erwähnt halte ich die Beschreibungen von Städten für verzichtbar, hier greift die Verbindung zur Regionalspielhilfe. Aber dafür müssen zumindest die konkreten Örtlichkeiten gut ausgearbeitet werden. Beispielsweise existiert zwar eine Karte der Pyramide der Sphinx (aber auch nur eine Vogelperspektive, die das Innere gar nicht berücksichtigt), wirklich griffige Angaben wie eine Textbeschreibung fehlen aber, vor allem wäre es doch sinnvoll gewesen, taktische Optionen anzuführen, z.B. wie man die Räumlichkeiten im Kampf nutzen könnte. Die Einstufung der Komplexität „mittel“ für SpielleiterInnen halte ich demnach auch für zu niedrig, da der Ausgestaltungsbedarf in allen Kapiteln aus meiner Sicht groß ist, vor allem dann, wenn es zu solchen Konfrontationen kommt. Vor allem gilt dies für den Abschnitt in Malquis, wo sich potentiell mehrere verfeindete Organisationen gegenüberstehen, die man möglicherweise gegeneinander ausspielen kann bzw. wo man Bündnisse schließen sollte.

IV. Fazit

Mondsilberne Mysterien stellt für mich leider eine große Enttäuschung dar, weil die an sich gute Grundidee schwach umgesetzt wird. Nach einem eigentlich gelungenen Einstieg werden alle folgenden Handlungsabschnitte viel zu schematisch umgesetzt, vor allem dominieren spannungsarme Rechercheabschnitte, bei denen ganz offensichtlich die völlig langweilige Variante der reinen Regelumsetzung präferiert wird, zusätzlich stößt man mehrfach auf redundante Zufallstabellen, auch das effektreich angedachte Finale weist deutliche Gestaltungslücken auf, die meisten Figuren haben keine Tiefe.

Bewertung: 2 von 6 Punkten

3 Kommentare

  1. Da erster Kommentar: Erstmal vielen Dank für die vielen ausführlichen und gut geschriebenen Rezensionen; diese haben mich in den letzten Wochen sehr gut unterhalten und mir bei der Orientierung geholfen.
    Ich bin in gewissem Sinne erleichtert über die schlechte Bewertung, da es mein erstes Abenteuer der fünften Edition war und ich von dem Abenteuer sehr enttäuscht war. Das heißt zumindest, dass der Standard der Abenteuer insgesamt höher ist. Mir ist die große Blässe und Abstraktheit der Figuren und der Handlung ebenfalls ein Rätsel, gerade noch in Verbindung mit platzverschwendenden Anteilen wie den erwähnten ähnlichen Reisetabellen, Anfängen der auch in der ohnehin obligatorischen RSH vorhandenen Stadtbeschreibungen, (fast?) keinem Bild, das nicht auch in der RSH abgedruckt ist usw.
    Gerade zusammen und im Vergleich mit der deutlich interessanteren RSH wirkt das Abenteuer sehr fade, und das ist ja genau der Effekt, den man nicht will, da es ja bestimmt häufig zusammen erworben wird.

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  2. Vielen Dank für diese erfrischend deutliche Kritik. Sie ist inhaltlich gut nachvollziehbar. Vieles Genannte störte mich bereits auch bei anderen Publikationen des Autors; ich frage mich, welche Spielertypen dieser Abenteuerstil anspricht und warum.

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