Die DSA-Titeloscars

Vorbemerkung: Passend zum Thema des Karnevals der Rollenspielblog „Abenteuertitel“ möchte ich mich auch ganz konkret mit real existierenden Titeln und Titelkonzepten auseinandersetzen. Wohl kein anderes deutsches Rollenspiel hat eine derartige Publikationsdichte, so dass sich hier ein Blick in die DSA-Geschichte anbietet. Dabei ist Gefallen oder Nicht-Gefallen sicher eine sehr subjektive Angelegenheit, deshalb möchte ich dies auch etwas augenzwinkernd vornehmen in Form einer fiktiven Oscar-Vergabe in den verschiedensten (natürlich ebenfalls sehr willkürlich gewählten) Kategorien.

Wie werden Titel gebildet?

DSA verfügt über hunderte von Abenteuern, dementsprechend sind die Varianten breit gefächert. Gerade in der Anfangszeit sind vor allem Nomen-Kombinationen sehr gebräuchlich wie Der Quell des Todes oder Die Kanäle von Grangor. Genauso beliebt sind Nomen-Adjektiv-Kombinationen, bei denen das Adjektiv zusätzliche Attribute hinzufügen soll, wobei gerne auch auf die Dimensionen Bezug genommen wird, wie in Der große Baccanaq oder dem Klassiker Das große Donnersturm-Rennen. Gerne wird es dabei auch sehr dramatisch wie in Unsterbliche Gier. Besonders beliebt sind zudem Farbbezüge, wie sie die gesamte Theaterritterkampagne (u.a. Das Blaue Buch und Der Grüne Zug) erhalten hat, genauso sind aber auch mehrere Variationen von Die schwarze Eiche verwendet worden, ebenso gibt es Farbigkeit in Schwarzer Druidenwald oder Der rote Schlächter.

Gerne geht es auch sehr martialisch zu, wie man an der großen Anzahl an Titeln erkennt, die Varianten von Tod, Verletzungen und Blut verwenden wie in Blutiger Pelz, Blutiger Wein, Tyrannenmord, Das Tal des Todes, Knochenblei und schwarzes Blut, Der Ewige Tod, Träume von Tod, Rabenblut, Sumus Blut, Brogars Blut, Elfenblut. Man sieht, dass hier ganz offensichtlich ein besonders beliebtes Motiv ersichtlich ist, das natürlich gerade im Fantasy-Bereich gerne eingebaut wird.

Ab den 2000ern kamen neben den Einzelabenteuern auch die Anthologien in Mode, bei denen sich recht schnell ein Titelschema aus zwei miteinander verbundenen Nomen als gängiges Konzept herauskristallisiert hat, wie bei Maskenspiele und Kabale, Bardensang und Lautenspiel oder Bienenschwarm und Diskusflug. Für die besonders beliebten Märchenanthologien ist zudem ein stilistischer Ruckgriff auf Alliterationen erfolgt wie Dryadenholz und Dschinnenzauber oder Verwunschen und Verzaubert.

Natürlich geht es auch deutlich wortkarger, vielfach haben sich auch kurze und einprägsame Ein-Wort-Titel eingebürgert, allerdings erst ab 1988 mit Hexennacht. Dem schließen sich mittlerweile aber viele andere solcher Titel wie Yaquirwellen, Feenflügel, Drachenodem oder Dornenpfad an.

Viele davon sind aus meiner Sicht gut und treffend gewählt, bilden sie doch in der Regel den Hauptaspekt oder eine wichtige Facette des jeweiligen Abenteuers ab. In den folgenden Zeilen möchte ich mich dann aber vor allem mit solchen Titeln auseinandersetzen, die für mich aus unterschiedlichen Gründen herausstechen. Wie schon gesagt handelt es sich dabei um eine sehr persönliche Auswahl, ich bin mir sicher, dass jede Spielerin/jeder Spieler da eine ganz eigene Liste erstellen könnte.

And the winner is…

Der wendungsreichste Titel: Über die Qualität und vor allem die Spielerführung von Die Attentäter kann man sicherlich unterschiedlicher Auffassung sein. Der Titel hingegen ist aus meiner Sicht eine geniale Finte, schürt er doch anfangs ganz eindeutig die Erwartungshaltung, dass es für die Helden gilt, eben solche Attentäter an ihrem schändlichen Vorhaben zu hindern, was allerdings schon im recht frühen Stadium des Abenteuers für einen großen Aha-Effekt sorgt, wenn deutlich wird, wer hier wirklich gemeint ist. Zudem bleibt natürlich durch die bloße Täterperspektive auch noch völlig offen, wem es denn an den Kragen gehen soll.

Der unglücklichste Titel: Es hat in der DSA-Historie schon viele Titel gegeben, die beim ersten Anhören für ein irritiertes Stirnrunzeln sorgen, eben weil sie nicht wirklich griffig oder schlicht sehr merkwürdig wirken. Eindeutiger Spitzenreiter in dieser Kategorie ist für mich das Heldenwerk Rache ist Stockfisch. Zwar ist Rache in dem Szenario durchaus ein bestimmendes Motiv, die Anlehnung an das bekannte Sprichwort Rache ist Blutwurst erzeugt aber eher eine eher humorige Assoziation, die der Inhalt dann gar nicht bestätigt, zudem ist es schlichtweg keine treffende Inhaltsbeschreibung.

Die schwächste Literaturanlehnung: Sich an gängigen Titelmotiven aus der Populärkultur zu bedienen bzw. andere Titel zu zitieren ist in der Literatur nicht unüblich. Allerdings sollte dies dann auch eine passende Verbindung (oder auch eine entsprechende Verneigung) aufweisen. Problematisch finde ich dies im Fall von Wind über Weiden, was bei mir sofort eine gedankliche Verbindung zum Kinderbuchklassiker Der Wind in den Weiden mit seinen tierischen Protagonisten auslöst. Einen gepanzerten Ritter aus Weiden kann ich damit allerdings beim besten Willen nicht verbinden, auch hier hätte es sicher treffendere Inhaltsbezüge gegeben.

Die gelungenste Titelentlehnung: Aber natürlich gibt es auch positive Beispiele, in denen ein bekannter Titel passend entliehen wurde. Hier ragt für mich das Gruselabenteuer Die Nacht der geifernden Mäuler aus der Anthologie Dämmerstunden heraus. Das Abenteuer enthält genau den Romero-Faktor, den der Titel verspricht, auch inhaltlich stellt es eine Verbeugung vor bekannten Zombie-Klassikern dar.

Der verheißungsvollste Titel: Bei mir persönlich wirken vor allem solche Titel, die sofort jede Menge gedanklicher Assoziationen auslösen. Als sehr gelungen empfinde ich in diesem Zusammenhang Die Stadt des toten Herrschers, was mir sofort Gedanken an monumentale Ruinen und längst untergangene Zivilisationen auslöst. Dahinter verbirgt sich zudem auch noch eines der spannendsten Abenteuer der DSA-Frühzeit mit einer ausgesprochen unkonventionellen Handlung. Ähnliches gilt für Legatin des Bösen, wobei hier die Besonderheit ist, dass man diese Legatin im Rahmen des Soloabenteuers selbst spielen soll und durchaus auch gewisse Sympathien für sie entwickeln kann.

Der irreführendste Titel: Nicht jeder Titel ist ein konkreter Verweis auf den Inhalt, zumindest nicht immer vordergründig. Das passendste Beispiel ist hier aus meiner Sicht In den Höhlen des Seeogers, das vor allem in Kombination mit dem Cover eher die Erwartungshaltung schürt, sich in dunklen Kavernen mit einem neuartigen Monster messen zu können, was dann aber (auch hier völlig gewollt) unterlaufen wird, der Titel erweist sich im Endeffekt aber trotzdem als treffend.

Der hotzenplotzigste Titel: Man sagt DSA ja gemeinhin (und das sicher nicht ganz zu Unrecht) eine gewisse Bodenständigkeit nach, indem immer wieder auch Handlungen in begrenzter, oft dörflicher Atmosphäre entwickelt werden, in denen auch das Ziel eher eine lokale Tragweite hat. Den Spitzenplatz nimmt hier für mich unangefochten Der Apfelwurm von Alriksfurt ein. Zwar wird hier sicher auch bewusst mit dem Klischee gespielt, trotzdem steckt hier doch auch inhaltlich vieles davon. Eine ehrenvolle Erwähnung hat sich hier aber auch Angbarer Bock verdient, dicht gefolgt von Rübenernte und Deicherbe.

Der Arthaus-Sonderpreis: Hier möchte ich explizit das Heldenwerk Das Mädchen und der Menschenfresser nennen. Wohl kein anderer DSA-Titel stellt einerseits so eindeutig den Inhalt des Abenteuers dar, könnte aber andererseits gleichzeitig auch einen französischen Autorenfilm der 70/80er schmücken.

Mein Lieblingstitel: Vor allem finde ich eher ungewöhnliche Titel spannend. Mein persönlicher Titelfavorit ist dabei das Soloabenteuer Ewig ist nur Satinav. Der Titel nimmt hier – zunächst unmerklich – ein wesentliches Element des Abenteuers voraus, was sich in der titelgebenden Entität dem erfahrenen Spieler schon direkt offenbart. Dies hat aber noch eine zweite Ebene, die sich erst beim Durchspielen und dem Erkennen des eigentlichen Clous erschließt. Als unverbraucht empfinde ich auch einige der selten verwendeten Titel mit Appellcharakter, wobei mir hier Findet das Schwert der Göttin besonders gut gefällt, wobei hier aus meiner Sicht der Titel deutlich mehr verspricht als das Abenteuer letztlich halten kann. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang natürlich auch Folge dem Drachenhals, der Auftaktband der Phileasson-Saga.

Fazit

Wie schon angemerkt ist dies meine ganz persönliche Liste, wobei ich in der Fülle von Abenteuern sicherlich auch den einen oder anderen Band mit Erwähnungspotential übersehen habe. Eine große Rolle spielen dabei natürlich auch die persönlichen Erlebnisse, die man mit einem Abenteuer hatte oder die individuellen Assoziationen, die ein Titel erzeugen kann. Aus diesem Grund würde ich mich natürlich auch sehr über andere Oscar-Nominierungen seitens der LeserInnen dieses Artikels freuen und lade herzlichst zur Verwendung der Kommentarspalte ein. Ich bin mir sicher, dass auch andere Abenteuertitel eine Erwähnung in bestimmten Kategorien verdienen.

5 Kommentare

  1. Und „Wo keine Sonne scheint“ ist noch nicht einmal lobend erwähnt worden? Für mich einer der „denkwürdigsten“ Abenteuertitel überhaupt! 😉 Aber schöner Artikel, danke dafür!

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  2. In meine frühe DSA-Zeit fällt ein Titel, dessen Klang mich damals wie heute anspricht: „Im Dschungel von Kun-Kau-Peh“ – ohne zu wissen, was oder wer Kun-Kau-Peh ist, wollte ich das Abenteuer unbedingt spielen. Da schwingt das mystisch-fremde mit.

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  3. Für mich der beste Titel ist immer noch „Rausch der Ewigkeit“, das letzte Abenteuer der Borbaradkampagne. Ich weiß nicht, wie oft ich das Heft hoch gehalten habe, um meinen Spielern den Wink mit dem Zaunpfahl um die Ohren zu hauen…

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  4. „Jenseits des Lichts“ ist auch ein wunderbarer Titel. Er macht auf jedenfall neugierig und spielt doppeldeutig sowohl auf den Schauplatz der Schwarzen Lande als auch auf die gesamte Theater-Thematik an.

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