Vorbemerkung: 2021 ist angebrochen und damit steht auch ein neuer Jahrgang Heldenwerke ins Haus. Auch wenn ich im vergangenen Jahr einiges an Kritik geäußert habe, bin ich nach wie vor von dem Format überzeugt und hoffe auf spannende Abenteuer im Kurzformat. Den Anfang macht Ein Blick in rote Augen von Sebastian Kreppel. Der Titel legt zumindest eine gehörige Portion Horror nahe, was ja in der Vergangenheit schon mehrfach (und auch sehr gelungen) in Heldenwerken aufgegriffen wurde.
In Zahlen:
– Heldenwerk Nr.34
– 15 Seiten
– Erschienen am 28.1.2021 (zusammen mit dem Aventurischen Boten 205)
I. Aufbau und Inhalt
Zunächst fällt der Schauplatz ins Auge: Thalusien wurde schon wurde schon sehr lange nicht mehr als Schauplatz in einem Abenteuer verwendet. Allerdings geht es nicht in die Hauptstadt Thalusa selbst, sondern in das kleine Örtchen Nabatil. Dort sind die HeldInnen zu Gast beim lokalen Kadi Muyanpasha al´Alam. Mitten in der Nacht wird das Landgut des Kadis von einer verzweifelten Bäuerin aufgeschreckt, die berichtet, dass ihr Enkel von einem Ungeheuer verschleppt wurde. Der Kadi bittet daraufhin die Heldengruppe, der Sache auf den Grund zu gehen. Dies geschieht unter anderem auch aus Sorge um die eigene Tochter, die ebenfalls in dieser Nacht im Freien unterwegs ist, da sie mit einem Naturforscher auf Leuchtkäferjagd ist.
Folgend ergibt sich eine Spurensuche im Morgengrauen, die tatsächlich erweist, dass unheimliche Wesen plötzlich die Umgebung heimsuchen und gleich mehrere Personen dringend Hilfe benötigen. Hierzu gibt es im Heft viele Hilfestellungen zur Ausgestaltung des Hintergrundes. Einerseits findet sich zu Beginn ein Rückblick auf die Vergangenheit, der die Vorgeschichte der Ereignisse schildert, zudem sind viele Personenbeschreibungen vorhanden, da das Abenteuer auch viel von Interaktion lebt.
Wie gewohnt mündet das Geschehen in ein dramatisches Finale, bei dem nicht allein die KämpferInnen einer Gruppe auf ihre Kosten kommen, gerade Leute mit Wildniskenntnis oder Fähigkeiten im Bereich der Heilkunst können sich hier beweisen. Zur Ausgestaltung ist auch eine Karte des Finalortes als Orientierungshilfe für die Spielleitung vorhanden. Auffällig ist der relativ enge Zeitrahmen, das gesamte Heldenwerk arbeitet mit einer sehr dicht zusammenhängenden Ereignisabfolge, so dass im Prinzip zwischen dem Einstieg und dem Finale nur wenige Ingame-Stunden liegen dürften. Atmosphärisch sorgen Dunkelheit, ein Dungeon, uralte Geheimnisse und finstere Monster für ein Horror-Gefühl.
II. Figuren
Maßgeblich sind hier drei NSC zu nennen. Der Auftraggeber Muyanpasha gibt sich – anders als sein berühmt-berüchtigter Gebieter Dolgoruk – ausgesprochen gastfreundlich und jovial, verfügt aber offenkundig nur über sehr beschränkte Mittel als lokale Autorität, da er auf die Hilfe der Helden angewiesen ist. Seine Tochter Isha saba Meribani ist als neugierige junge Frau sehr abenteuerlustig eingestellt und dürfte somit auch eine Sympathieträgerin darstellen, was umso motivierender wirkt, wenn es gilt, ihr in einer Notlage beizustehen. Der Forscher Kasperbald von Vierseen gibt hingegen eher den kuriosen Sonderling bzw. Exzentriker, der wider Willen aus seinem Forschungsdrang in ein dramatisches Geschehen versetzt wird.
III. Kritik
Nachdem ich in den letzten Monaten mit den Heldenwerken eher kritisch ins Gericht gegangen bin (zumindest mit den regulären Ausgaben), freut es mich sehr, dass Ein Blick in rote Augen endlich wieder einmal die Stärken des Formats ausspielt. Diese liegen aus meiner Sicht eindeutig in ihrer schnellen Spielbarkeit, die aber nur dann erreicht wird, wenn man das Format nicht auf unterschiedlichen Ebenen überfrachtet und damit noch viel Vorbereitungsaufwand in die Hände der Spielleitung legt, wenn diese allzu große Handlungs- oder Hintergrundlücken füllen muss.
Hier bleibt das Geschehen auf einer übersichtlichen Ebene, indem es zunächst um verschwundene Personen geht und sich in der Folge schnell eine Ghulplage als ursächlich entpuppt. Der Hintergrund eines alten Fluchs bzw. der Antagonist als grauenerregender Mörder in einer neuen Art von Inkarnation sorgt zusätzlich dafür, dass die Handlung trotzdem über eine gewisse Originalität verfügt, statt eine allzu simple Variation einer Zombie-Geschichte zu erzählen. Die nächtlich-morgendliche Dunkelheit sowie die Kulisse einer alten Grabstätte als Finalschauplatz erzeugen außerdem eine passende Gruselatmosphäre. Umgekehrt wird durch den jovialen Kadi und den unbeholfenen Kasperbald erreicht, dass auch ein gewisser Komik-Faktor eingebracht werden kann, was auch kleine Kontrapunkte setzt. So oder so wird eine Anlehnung an Horrorfilme wie z.B. Die Mumie erreicht, auch durch die Identität eines intelligenten Antagonisten, der trotzdem eine furchterregende Kreatur darstellt.
Dennoch ist das Ganze überschaubar gehalten, so dass eben nicht allzu viel zusätzliche Vorbereitung notwendig ist. Die Handlung ist zeitlich wie angesprochen sehr dicht angelegt, es finden keine wichtigen Nebenhandlungen statt, sondern alles fokussiert sich auf die ausschlaggebende Ereigniskette und ist an den Figuren fixiert, die allesamt gut beschrieben sind und unterschiedlich agieren, wobei neben den bereits erwähnten Figuren der ehemalige Soldat Mawud erwähnt werden kann.
Allerdings setzt hier auch mein einziger relevanter Kritikpunkt an, die NSC verhalten sich mitunter sehr irrational. Z.B. fällt ein Tagebuch des Entdeckers auf, der die Ereigniskette ausgelöst hat: Wenn dieser weiß, dass sich Ghule im Grab befindet, wieso sendet er dann noch zwei seiner Arbeiter hinein, anstatt das Grab zu versiegeln und kompetente Hilfe zu holen? Das Ende des Tagebucheintrags wirkt zudem sehr merkwürdig, warum sollte jemand noch schreiben, während ihm unmittelbare Gefahr droht? Da steht dann doch eher der dramaturgische Effekt im Vordergrund und nicht die Logik. Beim Kadi fehlt zudem eine Erläuterung, warum er auf die Heldengruppe als Helfer angewiesen ist und offenbar über keine eigenen Ressourcen verfügt. Genauso bleibt unklar, wieso Kasperbald einerseits als inkompetenter Heiler beschrieben wird, andererseits aber die richtigen Heilmittel findet. Allerdings handelt es sich dabei eher um Details und um nichts, was die Gesamthandlung stört.
Wichtig ist dafür umgekehrt, dass auch auf die richtigen Hilfestellungen geachtet wurde, z.B. wurde diesmal nicht auf eine Karte für den Finalschauplatz verzichtet, was aus meiner Sicht eigentlich eine absolute Notwendigkeit darstellt und trotzdem allzu oft schlicht weggelassen wird. Zuletzt gefällt mir auch, dass daran gedacht wurde, nicht nur Kämpfer zu bevorteilen, die natürlich gegen die Ghule benötigt werden, sondern auch wildniserfahrene HeldInnen oder solche mit einer Heilerprofession sich gut einbringen können, da das Abenteuer ja nicht mit dem reinen Bezwingen der Gegner abgeschlossen ist, sondern z.B. auch noch den Opfern geholfen werden muss.
IV. Fazit
Ein Blick in rote Augen stellt einen gelungenen Auftakt in das Heldenwerk-Jahr 2021 dar. Das Abenteuer setzt seine Handlung sehr fokussiert um, indem die notwendigen Hilfestellungen für alle Bereiche vorhanden sind, z.B. in Form von Figurenbeschreibungen und einer Karte des zentralen Handlungsortes. Lediglich die Handlungen der NSC wirken manchmal etwas zu unlogisch, dafür überzeugt die Horror-Atmosphäre, die durch den Hintergrund und die Gegner erzeugt wird.
Bewertung: 5 von 6 Punkten
Das klingt tatsächlich mal wieder nach einem interessanten HW.
Was deine Kritk am Tagebuch angeht, erinnert es mich an den Stil von Lovecraft, wo oft der Erzähler noch seine Beobacvhtung niederschreibt … und stirbt. 🙂
Werde ich mir wohl holen.
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Ja, solche Tagebücher sind sicherlich schon oft verwendet worden. Aber genau das stört mich, weil es aus meiner Sicht gleichermaßen überstrapaziert wie unlogisch ist. Wenn einer erkennt, was er da für ein Monster vor sich hat, wer schreibt das denn erst auf und kümmert sich dann um das Problem?
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