Rezension: Sternenspitze

Vorbemerkung: Nachdem der Blog in den letzten Wochen eine deutliche Thorwal-Lastigkeit aufgewiesen hat, möchte ich mit einem kleinen Fanwerk-Exkurs zwischendurch einen anderen Schwerpunkt setzen. Mit deutlicher Verspätung ist mir aufgefallen, dass Steve Barnes mit Sternenspitze ein neues Soloabenteuer in das Scriptorium Aventuris gestellt hat. Nachdem mir seine beiden bisherigen Soloabenteuer Speerspitze und Flammenspitze wirklich gut gefallen haben, will ich natürlich auch hier einen Blick riskieren.

In Zahlen:

– 3. Soloabenteuer von Steve Barnes

– 3 Speicherstände

– 1 vorgefertiger Charakter

– Preis: grundsätzlich kostenfrei, kann selbst festgelegt werden (hier im Scriptorium erhältlich)

– Erschienen am 7.11. 2020

I. Aufbau und Inhalt

Das Abenteuer ist – wie schon zuvor Speerspitze und Flammenspitze– im html-Format gestaltet, man kann sich Abschnitt für Abschnitt weiterklicken, wobei wie üblich immer wieder Abzweigungen vorhanden sind, wenn man unterschiedliche Wahloptionen hat. In bestimmten Abschnitten hat man die Option, den bisherigen Spielstand zu speichern, wozu drei Speicherslots vorhanden sind.

Wenn man das möchte, kann man auf einen eigenen Charakter zurückgreifen und dessen Werte eingeben. Alternativ kann man aber auch auf Gerbald Flickenschuh als vorgefertigte Figur zurückgreifen. Für diesen sind alle spielrelevanten Werte vorhanden, zudem gibt es eine kurze Hintergrundgeschichte für ihn. Seine Grundwerte, die benötigten Talentwerte und das aktuelle Inventar kann man sich jederzeit anzeigen lassen.

Inhaltlich handelt es sich um ein Rechercheabenteuer, das in der horasischen Hauptstadt Vinsalt spielt. Der Spielercharakter wird in einer Einführung von einem mysteriösen Auftraggeber rekrutiert, um ihm ein altes Sammlerobjekt zu besorgen: die Standarte der 12. bosparanischen Legion. Über die Hintergründe des Auftrags sowie über die des Geldgebers lässt sich nichts Näheres in Erfahrung bringen. Somit bleibt nichts anderes übrig, als sich in die Recherche zu stürzen. Dazu werden zu Beginn einige Orte angeboten, wo man mit der Informationssuche beginnen kann. Dabei ergeben sich vor Ort entweder wichtige AnsprechpartnerInnen, die weitere Anlaufpunkte nennen können (die damit quasi freigeschaltet werden) oder manchmal auch Sackgassen. An dieser Stelle ist das Abenteuer recht schnörkellos gestaltet, es gibt im Prinzip kaum Nebenstränge, allerdings kann es sich unter Umständen auszahlen, Umwege in Kauf zu nehmen, von denen man dann später profitiert. Eine Besonderheit ist der Hesindetempel, der über ein Register verfügt. Konkret bedeutet dies, dass sich hier ein Eingabefeld öffnet, in das man Begriffe eingeben kann, zu denen man Informationen sucht.   

Je mehr Fortschritt man generiert hat (in Form von gesammelten Informationen), desto mehr Optionen stehen offen bzw. kann man manche Bereiche auch schließen, indem man dort alles erledigt hat, was möglich ist. Im Vergleich zu den beiden vorhergehenden Abenteuern sind die Anlaufstellen aber deutlich reduziert und die Spielzeit beträgt im Ganzen 1-2 Stunden. Gerade das Finale wird sehr von den eigenen Entscheidungen beeinflusst, die man vorher getroffen hat. Somit ist ein Erfolg genauso denkbar wie ein Scheitern. Und auch wenn der Tod nicht hinter jeder Ecke lauert, kann man durch unglückliche Handlungen auch sterben.

II. Figuren

Wie bei den meisten Soloabenteuern gibt es kaum Figuren, die einen über einen längeren Zeitpunkt begleiten. Der erste wichtige Ansprechpartner ist Alrik, der geheimnisvolle Auftraggeber, über den man aber zunächst wenig erfährt, weil dieser sich ausgesprochen bedeckt hält. Das erzeugt natürlich über das gesamte Geschehen hindurch die offene Frage, ob man wirklich auf der Seite des Guten steht oder ob man unwissentlich der falschen Fraktion zuarbeitet. Die anderen NSC sind jeweils die Ansprechpartner vor Ort bei den einzelnen Stationen der Recherche. Im Finale ist dabei die Frage relevant, welchen Eindruck man jeweils von ihnen gewonnen hat.

III. Kritik

Soloabenteuer sind nach wie vor einer meiner liebsten Zeitvertreibe und deshalb kommt es mir natürlich sehr gelegen, wenn man die raren offiziellen Publikationen durch gut gemachtes Fanwerk ergänzen kann. Und um genau so ein gut gemachtes Fanabenteuer handelt es sich bei Sternenspitze. Man merkt, dass der Autor mittlerweile einige Erfahrungen gesammelt hat, somit sind die Abschnitte eine gute Durchmischung von rein narrativen Passagen und Entscheidungsmomenten. Die Mechanismen sind gut gewählt, so dass man immer eine faire Chance hat, Fortschritte im Rechercheprozess zu generieren und man z.B. nicht ständig auf Würfelglück angewiesen ist. Trotzdem bleibt der Faktor Intuition wichtig, so dass man am Ende beispielsweise sehr darauf angewiesen ist, die NSC richtig einzuschätzen, um erfolgreich zu sein. Von der Machart kommt das Abenteuer etwas puristisch daher, hin und wieder werden Bilder verwendet, allerdings wird dabei nicht auf das Angebot des Scriptoriums zurückgegriffen, Farbe sucht man daher eher vergebens (was mich persönlich nicht großartig stört). Gut sind die Serviceoptionen gestaltet, z.B. die Bereitstellung von Gerbald als Held und die Wertedarstellung. Für den Fall, dass man auf eine eigene Figur zurückgreift, kann man bei Proben auch die eigenen Modifikatoren eingeben.

Inhaltlich lehnt sich Sternenspitze ein wenig an die Ankündigungen zum heiß erwarteten Banner der Treue an, so dass man mit der Geschichte des bosparanischen Reichs konfrontiert wird, passend dazu bleiben aber viele Aspekte im Dunkeln, so dass die Bereiche Recherche und Intrigen im Vordergrund stehen, was bei Abenteuern im Horasreich ja oft ein übergreifendes Thema ist und somit zum Setting passt.

Was vor allem auffällt, ist die gründliche Hintergrundrecherche, die der Autor selbst betrieben hat, um den Spielercharakter mit einigen Geheimnissen der Vergangenheit Vinsalts vertraut zu machen. Dabei wird längst nicht alles aufgelöst, trotzdem fühlt sich dieser Suchprozess sehr authentisch an. Hier hätte ich mir sogar noch ein paar mehr Details und noch mehr Verwicklungen (z.B. in Form von spürbarer Konkurrenz beim Rechercheprozess) gewünscht, an dieser Stelle ist die Kürze des Abenteuers im Vergleich zu den beiden vorherigen Soloabenteuern doch spürbar, die Basissuche ist vergleichsweise schnell abgeschlossen und gerade über das verschollene Banner selbst erfährt man eher wenig. Genauso wäre es nach meinem Empfinden etwas realistischer gewesen, wenn man zumindest ansatzweise versuchen könnte, die Identität des Auftraggebers zu ermitteln. Hier würde nach meiner Logik eine gewisse Neugier in jedem Spielercharakter vorherrschen. Ebenso sind die meisten Anlaufstellen sehr knapp beschrieben und lassen vor Ort nur einige wenige Optionen zu. Umgekehrt allerdings sorgt das dafür, dass Sternenspitze keine Längen hat und sich eben vergleichsweise schnell und einfach spielt. Nebenbei beweist es aus meiner Sicht auch, dass Soloabenteuer in einem kürzeren Format (z.B. im Rahmen eines Heldenwerks) durchaus machbar sind, denn bei all den kleinen Kritikpunkten, die ich hier äußere, bleibt es für mich ein komplettes Abenteuer ohne Handlungslücken. Von Stil her ist es gut geschrieben, vor allem gelingt es immer wieder eine Atmosphäre des Geheimnisvollen und Bedrohlichen zu erzeugen. In dieser Hinsicht halte ich das Abenteuer für sehr empfehlenswert.

Durch die Kürze ist der Wiederspielwert eher gering und im Prinzip braucht man die Speicherstände bis zum Finale kaum. Hier allerdings lohnen sie sich dann, um die Unterschiede in Erfahrung zu bringen, die sich aus den eigenen Entscheidungen ergeben.

IV. Fazit

Sternenspitze ist ein gut geschriebenes Soloabenteuer, das sich durchaus mit offiziellen Publikationen messen kann. Inhaltlich erhält man ein spannendes Rechercheabenteuer, das einige Geheimnisse Vinsalts zutage fördert. Die Informationssuche ist passend ausgestaltet, auch wenn ich mir teilweise etwas mehr Hintergrundinformationen gewünscht hätte. Hervorheben muss man die gute Recherchearbeit, hier merkt man, dass der Autor viel Wert darauf gelegt hat, die offiziellen Setzungen zu berücksichtigen. Wie üblich verzichte ich bei Fanwerk aber auf eine Punktewertung.

1 Kommentar

  1. Danke Engor für die faire Rezension und konstruktive Kritik! Ich hoffe wir erfahren bald mehr zum Thema in „Banner der Treue“. Sonst würde es sich echt anbieten, das Abenteuer noch etwas auszubauen. Bildmaterial aus dem Scriptorium könnte ich tatsächlich mal nutzen. Das werde ich bei meinem nächsten DSA-Projekt auf jeden Fall machen. Danke für die Anregung!

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