Rezension: Kartenset Heldenerschaffung

Vorbemerkung: In den Diskussionen bisher weitgehend unbeachtet geblieben ist ein eher kleines Produkt des Werkzeuge-Crowdfundings: das Kartendeck zur Heldenerschaffung. Allerdings verspricht es aus meiner Sicht nicht wenig und dazu noch etwas höchst Nützliches, nämlich eine schnelle Charaktergenierung. Genau das hat sich in der Vergangenheit von DSA4 und DSA5 nicht unbedingt als eine Stärke des Systems entpuppt und deshalb sollte Abhilfe in dieser Hinsicht etwas sehr Willkommenes sein.  

In Zahlen:

– 200 Karten in 4 Kategorien

– Preis: 24,95

– Erschienen am 16.6. 2021

I. Inhalt

Das Produkt besteht lediglich aus einer Schachtel mit 200 Karten in Tarotformat, ein Begleitheft liegt nicht vor, weshalb der Grundmechanismus einer HeldInnenerschaffung bei DSA als bekannt vorausgesetzt wird.

Die Karten lassen sich in 4 unterschiedliche Kategorien einteilen: Spezies, Kultur, Persönlichkeit und Profession. Der Bereich Spezies ist dabei mit nur 4 Karten am engsten umrissen, indem man die Auswahl zwischen Mensch, Zwerg, Elf und Halbelf hat, „Exoten“ wie Achaz, Orks oder Goblins sind hier nicht inbegriffen. Auf diesen Karten erhält man einige Angaben zu Grundwerte-Modifikationen und zur Orientierung werden die üblichen Kulturen genannt, für die man sich im Anschluss entscheiden kann, während für die Spezies Mensch dabei die Auswahl sehr groß ist, ist dies beim Zwerg deutlich eingeschränkter.   

Mit der Kultur kann man sich dann einen regionaltypischen Zuschnitt geben, also z.B. Mittelreich, Mhanadistan usw. wählen oder einen konkreten Typen-Zuschnitt wie Firnelfen oder Ferkinas. Die Vorder- und Rückseite der Karte ist identisch und führt die Grundwerte der Talente auf und etwaige Sonderfertigkeiten, also die jeweilige Sprache und Ortskenntnis.

Mit der Persönlichkeit ordnet man sich dann einen zentralen Charakterzug zu, z.B. durch die Typistik Kommandeur, Feingeist, Seelsorgerin etc. Auch hier sind die entsprechenden Talentmodifikationen angegeben. Dies erweitert man im letzten Schritt durch die Entscheidung für eine Profession. Dieser Kartenstapel fällt dementsprechend am höchsten aus, da ja neben den vielen profanen Professionen auch noch die unterschiedlichen magiebegabten Figuren aufgeführt werden und sämtliche Varianten der Geweihten (auch die von einigen der Halbgötter). Neben den Talentmodifikationen kommen hier konkrete Grundwerte im Bereich der Eigenschaften, der Kampftechniken sowie ggf. Zauber bzw. Liturgien hinzu, sowie Sonderfertigkeiten, Vor- und Nachteile sowie Ausrüstungsangaben. 

Die Erläuterungen zur Heldenerstellung finden sich in Aventurische Meisterschaft: Hier gibt es dann auch eine Aufschlüsselung der einzelnen Generierungsschritte: Demnach entspricht die Wahl von Spezies, Kultur und Profession 1000 Abenteuerpunkten, die zusätzliche Persönlichkeit gibt noch 50 Abenteuerpunkte dazu. Wenn man weitere 50 Abenteuerpunkte frei verteilt, hat man einen Charakter der Erfahrungsstufe erfahren, nimmt man 150, dann hat man die Stufe kompetent. Die Berechnung der Talentwerte erfolgt über eine simple Addition der Kartenwerte. Allerdings ist die Generierung noch nicht ganz abgeschlossen, einige Anpassungen müssen noch von den SpielerInnen eigenhändig vorgenommen werden, z.B. die Berechnung der Lebensenergie.  

II. Kritik

Wenn allein Schnelligkeit ein Grundkriterium ist, dann erfüllen die Karten absolut ihre Anforderung: Letztlich muss man nur die vier Stapel sortieren, sich das auswählen, was man gerne als Charakter spielen möchte und zieht die entsprechende Kombination (z.B. Spezies: Mensch, Kultur: Bornland, Persönlichkeit: Rebell, Profession: Jäger) und man kann mit einer schollenflüchtigen Jägerin aus dem bornischen Hinterland losziehen. Das geht ziemlich fix und man hat alles auf den Blick.

Im Vergleich zur digitalen Heldenerstellung, z.B. mit Optolith sehe ich hier aber zwei entscheidende Nachteile: Einerseits hat man dann die Grundwerte auf den Karten, der Übertrag in ein entsprechendes Formular muss dann aber noch händisch erfolgen (wobei es sich allerdings sicher in erster Linie um eine reine Komfortfrage handelt, weniger um einen tiefgreifenden inhaltlichen Negativaspekt). Andererseits ist das Durchsuchen der Kartenstapel deutlich umständlicher, als sich durch ein entsprechend voreingestelltes Formular durchzuklicken, was dann auch noch folgende Modifikationen durch den Einbau von Erfahrungsstufen und dementsprechenden zusätzlichen APs merklich erleichtert.

Was zudem weiterhin nicht ausbleibt, ist eine gewisse Grundkomplexität, EinsteigerInnen kann man das Deck eben nicht kommentarlos in die Hand drücken, weil keinerlei Anleitung oder sonstige Hilfestellungen vorhanden sind, unterstrichen werden muss also der einleitend schon erwähnte Aspekt, dass DSA-Grundkenntnisse hier vorausgesetzt werden.   

Aus meiner Sicht ergibt sich die Einsatzmöglichkeit der Karten vor allem in einem anderen Aspekt: Sie sind ein sehr schnelles Instrument, um vor einer Rollenspielsitzung NSC zu erstellen. Damit kann man individuelle Charaktere basteln, ohne dass es allzu viel Zeit kostet und man muss an dieser Stelle auch nicht allzu sehr in die Tiefe gehen, hat aber direkt die passenden Werte. Wer also eigene Abenteuer erstellt oder ein Kaufabenteuer um zusätzliche Figuren erweitern möchte, hat hier eine einfache Option zur Verfügung. Wer möchte, kann das Deck natürlich auch als Möglichkeit der zufälligen Generierung verwenden, indem man die 4 Karten willkürlich zieht. Ein interessantes Einsatzgebiet könnten natürlich auch Conventions sein, wenn schnell ein Charakter benötigt wird und eben kein Computer zur Hand ist.  

Etwas befremdlich mutet allerdings insgesamt der Umstand an, dass das Deck einfach nur aus den 200 Karten besteht, während die hilfreichen Erläuterungen zur Anwendung in Aventurische Meisterschaft stehen. Als Käufer erwarte ich, dass alle notwendigen Informationen zu einem Produkt diesem auch beigefügt sind. Hier ist dies nicht der Fall und weder der Klappentext noch die Produktbeschreibungen im F-Shop oder auf der Crowdfundingseite weisen darauf hin. Das halte ich aus Kundensicht für nicht akzeptabel, vor allem wenn man gut 25 Euro investieren soll.

III. Bewertung

Das Kartenset Heldenerschaffung stellt eine gute analoge Methode der schnellen Generierung von HeldInnen dar, in dieser Hinsicht ist es ein funktionierendes und durchdachtes Produkt. Allerdings sehe ich kaum Vorteile im Vergleich zu den bekannten digitalen Generierungstools, die schlicht komfortabler sind. Das Fehlen eines Beihefts bzw. den Abdruck der dazugehörigen Erläuterungen in Aventurische Meisterschaft (ohne darauf explizit hinzuweisen) halte ich zudem für einen klaren Mangel.

Bewertung: 3 von 6 Punkten     

2 Kommentare

  1. Ergänzung zum Artikel: Erfreulicherweise hat Ulisses mittlerweile eine Korrektur vorgenommen und eine zusätzliche Karte zum Download bereitgestellt, mit der man Erläuterungen zur Vorgehensweise bei der Generierung erhält: https://ulisses-spiele.de/das-schwarze-auge-erklaerung-zum-heldenerschaffungs-kartenset/?fbclid=IwAR1pkkqniLuYPvTJTzhcmSkubKXz-w4YJNgbmb3NVxKy5rCgVZyl379_-qs

    Ich finde, dass das eine sehr gute Reaktion auf Kritik ist.

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