Vorbemerkung: Nachdem vor kurzem der letzte Band der Rabenkrieg-Kampagne erschienen ist, möchte ich nun nach der Besprechung aller Einzelbände auch noch meinen Gesamteindruck von der übergreifenden Handlung und der inhaltlichen Gestaltung der Kampagne loswerden. Tatsächlich handelt es sich nach der Theaterritter-Kampagne erst um das zweite Großprojekt dieser Art, das seit dem Editionswechsel abgeschlossen wurde, nachdem die Sternenträger durch den zwischenzeitlichen Publikationsstopp quasi „überholt“ wurden. Allerdings gibt es für mich hier noch einige bemerkenswerte Eindrücke, die auch für folgende Publikationen Erkenntnisse bringen könnten.
Umfang
Wieder handelt es sich um eine 6bändige Kampagne, die – anders als die anderen Kampagnen von DSA5 – tatsächlich auch nach dem Start mit Die Zähne des Kaimans in einer völlig regelmäßigen Abfolge erschienen sind. Allerdings lief es auch hier nicht ohne Verzögerungen, nachdem mit Rabenerbe und Rabenbund eigentlich schon 2017 zwei Romane als Prolog veröffentlich wurden. Ursächlich scheint hier ein Wechsel der Autorenschaft zu sein, nachdem die Autorin der Romane, Heike Wolf, anschließend nicht mehr zur Verfügung stand.
Die Romane erscheinen mir allerdings auf jeden Fall bemerkenswert (und vor allem lesenswert), da sie die Vorgeschichte des Feldzugs erzählen, also bevor das Heer Al´Anfas aufbricht. Dabei geht es vor allem um das Intrigengeflecht im Vorfeld, wobei der Fokus auf den Grandenfamilien liegt, die sich hier positionieren wollen, natürlich stehen auch die Machthaber Amir und Oderin im Fokus. Für die Kampagne selbst ist eine Kenntnis der Romaninhalte nicht notwendig, allerdings sind sie sehr hilfreich, um sich die Motivlage einiger Charaktere veranschaulichen zu können (viele der dortigen Figuren agieren als NSC in der Kampagne). Zudem sind die Romane gut und spannend geschrieben und ermöglichen – anders als der spätere Rollenspielteil – auch einen Blick nach Al´Anfa selbst, da die Stadt nach dem Lossegeln der Flotte nicht mehr aufgesucht werden wird.
Die Besonderheiten eines militärischen Großereignisses
Eine Kampagne mit einem militärischen Schwerpunkt hatte es zuletzt am Ende der vorherigen Regeledition gegeben, als das Mittelreich gegen die Heptarchen vorging, für den Süden und gerade Al´Anfa muss man noch weiter zurückblicken in der Rückschau auf Der Löwe und der Rabe.
Solche Kampagnen bringen immer eine große Schwierigkeit mit: Im Sinne eine fortlaufenden Metaplots ist es kaum möglich, den Ausgang offen zu halten, gerade ein Kriegsereignis ist in dieser Hinsicht festgelegt. Damit stellt sich aber natürlich die Frage, wie man eine Heldengruppe sinnvoll in etwas einbinden kann, was letztlich schon vorbestimmt ist? Muss man somit nicht zwangsläufig das Gefühl einer (wenn auch sicher sehr effektreichen) Schienenfahrt bekommen?
Tatsächlich ist das insgesamt gut geregelt worden. Ausschlaggebend dafür ist vor allem die Maßnahme, die Heldengruppe zum Teil einer Spezialeinheit zu machen. Die Rabenklauen sind keine kleinen Rädchen in einem großen Getriebe im Rahmen des unübersichtlichen Schlachtengetümmels, sondern vollbringen ihre Taten im Hintergrund, leisten dort aber die entscheidenden Beiträge, indem sie z.B. in Die Zähne des Kaimans die Landung der Flotte ermöglichen oder am Ende das Eindringen in die letzte feindliche Festung vorbereiten.
Auch das könnte theoretisch – zumindest über einen Zeitraum von 6 Bänden – irgendwann eher eintönig werden. Hier aber haben die Autoren David Schmidt und Armin Abele für viel Abwechslungsreichtum gesorgt, indem sie die Schwerpunkte variieren. So gibt es neben den erwähnten Infiltrationsmissionen offene Kampfteilnahmen, wobei der Höhepunkt Die Krallen der Löwen darstellt, wo man auch an einer offenen Feldschlacht teilnimmt (wobei auch hier für passende Schlaglichter gesorgt wird, anstatt Würfelorgien zu produzieren). Umgekehrt ist der Krieg nicht nur von Siegen geprägt, auch der Umgang mit fatalen Fehlentscheidungen der Kommandierenden wird thematisiert, wenn man in Der Biss der Spinne vornehmlich auf der Flucht ist. Und schon im Folgeband Der Sturz des Adlers dreht sich die Rolle, wenn man quasi als Jäger einem feindlichen Agenten auf der Spur ist. Etwas aus der Reihe fällt dann noch Der Preis des Greifen, da man sich in dem Band auf das diplomatische Parkett wagen darf. Gerade diese Variation gefällt mir sehr gut und der Band stellt für mich auch den stärksten in einer insgesamt guten Reihe dar.
Das ist ohnehin das, was ich ausdrücklich loben will. Die Autoren haben ein relativ konstantes Niveau gehalten, die einzelnen Bände waren entweder gut oder überdurchschnittlich. Lediglich der Abschlussband fällt an dieser Stelle etwas raus, ohne aber wirklich schlecht zu sein. In Der Fluch der Hornechse gelingt es leider nicht ganz, passend echsiche Elemente einzubringen. Eigentlich empfinde ich die Idee, etwas mehr Fantasy-Elemente einzubauen gut (schließlich wird dies sonst nur im 3. Band teilweise versucht), allerdings ist mir die Umsetzung etwas zu oberflächlich.
Dafür erlebt man dort den Höhepunkt des eigenen Aufstiegs. Im Laufe der Kampagne bleiben die Taten der Spielercharaktere nicht unbemerkt, man steigt nicht nur rangmäßig auf, sondern gewinnt auch das Ansehen einflussreicher Personen wie von Oderin oder Rhonda. Einfluss auf höchster Ebene ist gerade seit dem Editionswechsel nicht häufig ermöglicht worden, so dass es hier umso willkommener ist. Ohnehin kann man mit einer guten Figurenebene interagieren, neben wichtigen Verbündeten wie Said gibt es auch in den meisten Abenteuern kompetente Gegenspieler, mit denen man sich messen kann.
Es kann nur einen Sieger geben
Wie schon angesprochen ist ein Dilemma, dass hier sehr ungleiche Gegner aufeinandertreffen. Von Beginn an ist das mächtige Al´Anfa im Prinzip turmhoch überlegen und ein Sieg von Oderins Truppen erscheint unausweichlich, gerade die Resultate des vierten Bandes manifestieren dies nochmal nachhaltig, wenn die Entscheidung quasi schon vorgezogen wird.
Generell wird auch das immer wieder gut ausgeglichen, indem es ja nicht nur Siege gibt, sondern man auch empfindliche Niederlagen erleidet. Zudem gibt es ja noch eine zweite Handlungsebene, in der man sich mit Gegnern aus den eigenen Reihen auseinandersetzen muss. Alternativ kann man ja auch auf Seiten des Horasreichs agieren und versuchen, die Triumphe Al´Anfas zumindest zu schmälern Trotzdem sehe ich hier schon ein gewisses Manko, mir fehlt eine Perspektive, dass der Feldzug zumindest theoretisch auch scheitern kann, so dass wenigstens irgendwann die Gefahr einer Niederlage Al`Anfas gegen die Kemi besteht. Eine Fantasywelt bietet meiner Ansicht nach immer auch Möglichkeiten, numerische Unterlegenheit mit anderen Mitteln auszugleichen. Eine Dämonenbeschwörung in letzter Minute, eine selbstmörderische Verzweiflungstat, unverhoffte Feinde abseits der menschlichen Kulturen, so etwas hätte gerade dem Finale gut getan. Ohnehin merkt man, dass der Fokus sehr stark auf Seiten Al´Anfas liegt, die Kemi werden immer nur partiell thematisiert, z.B. erhält man vergleichsweise wenig Einblick in deren taktische Ideen. Manches bleibt zudem sehr diffus, z.B. das Schicksal von Peri, das nur sehr verklausuliert angesprochen wird.
Unerfreuliche Doppelungen
Trotzdem sehe ich die vorgenannten Aspekte insgesamt eher als kleinere Einschränkungen. Mein einzig größerer Kritikpunkt liegt im Bereich der Rahmengestaltung. Die Kampagne baut für mich gut und sinnhaft aufeinander auf, umso absurder finde ich den ständig vertretenen Gedanken, man könne die Abenteuer auch als Einzelabenteuer spielen. Mit gewissen Einschränkungen mag das vielleicht sogar möglich sein, absolut will ich das nicht ausschließen.
Was ich aber extrem ärgerlich finde, ist die unverhältnismäßige Platzvergeudung, die damit legitimiert wird. In jedem Band wird somit eine fast identische Textpassage mit den zentralen Details der Kampagne abgedruckt, viele Textanteile (z.B. Figurenbeschreibungen) wiederholen sich ständig, dazu kommen dann redundante, immer gleiche Beutetabellen. Wenn man schon eine solche Idee verfolgt, sollte man andere Wege finden (z.B. in Form eines Begleit-PDF). Als zahlender Kunde hier gleiche Textpassagen (in jedem Band außer dem Kampagnenauftakt mehrere Seiten) zu erhalten, empfinde ich als unangemessen, den Platz könnte man viel effektiver nutzen als für Doppelungen, von denen es bei DSA5 ohnehin weit mehr als akzeptable Mengen gibt. Hier würde ich mir für folgenden Kampagnen ein Umdenken wünschen.
Ganz viel Metaplot?
Immer wieder habe ich in den vergangenen Jahren mangelnde Bewegung im Metaplot beklagt. Rabenkrieg ist in dieser Hinsicht natürlich eine Kampagne von hoher Relevanz für den Süden Aventuriens, weil am Ende eine sichtliche Festigung der Macht Al´Anfas steht, Figuren wie Oderin, Rhonda und Said werden sicherlich auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen.
Umgekehrt sind die Verwerfungen nicht allzu groß. Die Veränderungen sind regional begrenzt, das Kemi-Reich hat (auch in Abenteuern) im offiziellen Abenteuern immer eine sehr untergeordnete Rolle gespielt, Al´Anfa hat sich wie schon erwähnt eher im Inneren gefestigt und vielleicht auch an Ansehen gewonnen, der Land- und Ressourcenzugewinn hält sich eher in Grenzen. Von daher kann man eher davon sprechen, dass in den regionalen Plot viel Bewegung gekommen ist, für den Gesamtkontinent handelt es sich eher um eine Randepisode. Trotzdem bin ich froh, dass nach der Theaterritter-Kampagne endlich wieder merklich am Metaplot gearbeitet wurde und würde mir wünschen, dass das regelmäßiger fortgesetzt wird, immerhin war damals eine kontinuierliche Folge von sechsteiligen Kampagnen angekündigt worden, 2,5 davon in 6 Jahren sind eine eher magere Ausbeute.
Vor allem würde ich ein zeitnahes Anknüpfen an die Resultate der Kampagne anraten, die im letzten Band ja angekündigt werden. Hier ist sichtlich Potential erkennbar, auch im größeren Stile spannende Ereignisse für den gesamten Süden aufzuwerfen. Gleiches gilt auch für die Situation in Al´Anfa selbst, die beiden aus meiner Sicht sehr gelungenen Romane werfen hier eine neue Situation auf (gerade auch auf der Antagonistenebene), die Stoff für weitere Abenteuer bietet, was allerdings seit 2017 noch nicht wieder aufgenommen wurde. Sicher wäre an dieser Stelle auch wünschenswert, wenn eine folgende Regionalspielhilfe nicht ewig auf sich warten lassen würde.
Fazit
Die Rabenkrieg-Kampagne halte ich für einen Fortschritt gegenüber der ersten Kampagne um die Theaterritter. Die Struktur der Abläufe ist hier viel klarer und nachvollziehbarer. Obwohl der Ausgang des Kriegszuges für das offizielle Aventurien zwar festgelegt ist, finden sich immer wieder passende Möglichkeiten, die Heldengruppe so einzubinden, dass das Gefühl vorhanden ist, einen Unterschied zu machen. Einschränkend muss aber auch gesagt werden, dass nicht alle Möglichkeiten ausgenutzt werden, um die ungleichen Kräfteverhältnisse der beiden Kriegsparteien etwas auszugleichen, um die Entwicklung spannender zu halten. Die Metaplot-Bewegungen sind unterm Strich eher regional bedeutsam, trotzdem halte ich es für positiv, dass auch der Süden hier nach längerer Zeit wieder berücksichtigt wurde. Das einzig echte Ärgernis stellt für mich die Prämisse dar, dass man die Abenteuer auch als Einzelabenteuer spielen könnte, was kontinuierlich für völlig unnötige Doppelungen sorgt.
Danke für dein Gesamtfazit. Ich kann mich dem zu großen Teilen anschließen.
Insgesamt empfinde ich die Rabenkrieg-Kampagne insbesondere für Gruppen geeignet, die etwas „nachspielen“ wollen.
Der fehlende Fantasy-Faktor (was ist mit Magiern und Geweihten auf Seiten der SC, was ist mit den magischen und karmalen Eigenheiten des Settings insgesamt?) sollte m. E. auch hervorgehoben werden, weil das für einige Gruppen die Entscheidung, diese Kampagne zu spielen, möglicherweise entscheidend sein könnte.
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Vielen lieben Dank für deine Worte, Elgor 🙂 Es freut mich sehr, deine Besprechung zu lesen.
Nur an einer Stelle muss ich korrigieren – die Verzögerung kam nicht durch meinen Ausstieg zustande. Vielmehr war das immer wieder erfolgte Aufschieben seitens des Verlags, obwohl Armin und ich seit Erscheinen der Romane in den Startlöchern saßen und das Konzept, Exposé + 1,5 Outlines komplett fertig waren und wir nur auf das GO warteten, einer von mehreren Gründen, warum ich aufgehört habe, für DSA zu schreiben. Ich bin aber sehr froh, dass sich mit David ein begeisterter Al’Anfa-Fan und hervorragender Autor gefunden hat, der nach meinem Ausstieg die Kampagne zusammen mit Armin so toll hinbekommen hat ❤
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Liebe Heike, vielen Dank für deine Richtigstellung, ich glaube sogar, dass wir uns darüber einmal ausgetauscht hatten, das war mir nicht mehr präsent (und deinen Abgang finde ich nach wie vor schade). Ja, da haben David und Armin tatsächlich gute Arbeit geleistet, deine beiden Romane zähle ich aber auch eindeutig zum gelungenen Gesamtpaket dazu.
Viele Grüße
Engor
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Lieber Engor, stimme dir in vielen Punkten zu. Die Problematik, den offiziellen Ausgang nicht beeinflussen zu können wird sich bei einem Aventurien mit lebendiger Geschichte nicht ändern lassen. Die Idee mit den Einzelabenteurn ist…. naja…. Ich habe noch niemanden getroffen dem dabei die Löffel weggeflogen sind. Sie entspricht auch schlichtweg nicht der Realität. Auf Discord gibt es keine Rundenangebote singulär für Rabenkrieg IV beispielsweise. Verbreiteter scbeint mir zu sein einzle Abenteuer wegzulassen. Statt der Dopplungen die mit diesem Feigenblatt verbunden sind, würde ich mir wünschen, dass DSA hier Möglichkeiten aufzeigt, wie der Plot sich bei abweichender Entscheidung entwickeln könnte.
Ich hoffe die Rabenkriegkam
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