Vorbemerkung: Der Ulisses-Produktausstoß ähnelt in den letzten beiden Jahren durch die Intensivierung von Crowdfundings dem einer Ketchupflasche: Manchmal kommt wenig heraus, dann aber plötzlich ganz viel auf einmal. Darauf bin ich mittlerweile eingestellt und bin es dementsprechend auch gewohnt, in der Folge Rezensionen auf ein paar Wochen zu verteilen. Im November/Dezember letzten Jahres allerdings war der Output dann doch nicht mehr ohne weiteres abzuarbeiten, kamen doch binnen weniger Tage gleich drei Pakete, Die Sonnenküste, Fasar – Brüchiger Frieden und das Classic-Crowdfunding. In den vergangenen Monaten habe ich nach und nach die Rezensionen dazu veröffentlicht, dabei habe ich aber darauf geachtet, ein wenig zu durchmischen, um eine thematische Abwechslung zu erreichen. Jetzt allerdings ist der Produkteberg endlich abgebaut, was jetzt zuletzt Anlass bietet, jeweils ein kurzes Fazit zu ziehen, was den Gesamteindruck angeht. Den Anfang macht dabei nun Die Sonnenküste, natürlich auch, weil die Zahlen besagen, dass es sich dabei um die erfolgreichste Finanzierung gehandelt hat. Bei einer Regionalspielhilfe ist für mich dabei natürlich die Frage vorrangig, wie gut der Überblick über die Region geleistet wurde und wo sich auch allgemein für zukünftige Bände Optimierungsbedarf zeigt. Für die ausführlichen Eindrücke habe ich die jeweilige Rezension verlinkt.
Die Spielhilfen
Natürlich ist der zentrale Band die Regionalspielhilfe selbst. In dieser Hinsicht ist Die Sonnenküste für mich überwiegend ein gelungener Band, der gerade auch im Vergleich Die Gestade des Gottwals sein Potential besser entfaltet. Die Stärke des Bandes liegt eindeutig in seiner deutlich konkreteren Anlage von offenen Abenteuerfäden, was primär in dem gelungenen Mysterien-Kapitel bedingt ist. Hier wird eine gute Personenriege vorgestellt, in der sowohl Antagonismus vorstellbar ist, als auch jede Menge Geheimnisse, die es aufzudecken gilt. Generell überzeugt der Mix aus der märchenhaften Anlage der Zyklopeninseln und dem Intrigenspiel, das den Wilden Süden bestimmt. Die Teilung des Horasreichs erscheint mir somit auch sinnvoll, gerade wenn man es vergleicht mit dem Mittelreich, das ja im Endeffekt auch auf viele Regionalspielhilfen verteilt ist. Wie immer sind dennoch auch Längen und Doppelungen erkennbar. Letztere empfinde ich nach wie vor als ärgerlich, auch wenn ich die Begründung im DSA5-Konzept grundsätzlich verstehe (aber eben für falsch halte). Die Längen hingegen entstehen weiterhin durch die aus meiner Sicht zu detaillierte Anlage der Bände, hier würde ich mir mehr Fokus auf die Aspekte wünschen, die einen konkreten Spielwert haben (den ich zum Beispiel in Landschaftsbeschreibungen nur bedingt sehe, zumindest nicht in dem vorliegenden Umfang). Das wäre aber mehr Konzeptkritik im Allgemeinen und soll nicht einem Einzelband angelastet werden, zumal die Sonnenküste in Sachen konkreter Anregungen für das direkte Spiel eindeutig einen der stärkeren Bände darstellt.
Mit ist klar, dass das Rüstkammerkonzept immer auch etwas kritisch betrachtet wird, vor allem in der Frage, ob die Inhalte nicht in den Hauptband gehören würden. Nach wie vor denke ich aber, dass dabei entscheidend ist, ob darin schöne Ergänzungen vorhanden sind oder notwendige Inhalte. Bei der Rüstkammer der Sonnenküste würde ich aber eindeutig ersteres konstatieren, die Waffen und Ausrüstungsgegenstände gewähren viel regionalen Flair, man muss den Band deshalb aber nicht besitzen. Gleiches gilt für das Sonderkapitel zu den Zyklopenschmieden, die in kürzerer Form auch im Kernband thematisiert werden. Trotzdem ist es ein lohnendes Sonderkapitel, was gleichermaßen die Typik der Region unterstreicht und obendrein einen Aspekt von hoher Relevanz für Abenteuer beleuchtet (vor allem passt es exakt auf das Thema einer Rüstkammer).
Die Abenteuer
Hier ist erfreulich viel Material vorhanden, wobei auch sehr unterschiedliche Interessen berücksichtigt wurden. Auf ins Abenteuer – Zyklopenauge richtet sich zunächst eindeutig an Einsteiger*innen. Wie immer sind direkt spielbare Figuren mit einer konkreten Vorgeschichte zur Abenteuereinführung beinhaltet. Dabei entwickelt sich eine schöne kleine Geschichte um einen gestohlenen Dolch, dessen Untersuchung den Kerninhalt bietet. Die vielen Vorlesetexte zur Einführung nehmen dabei allerdings dem Plot wieder einiges an Raum, so dass vor allem das Finale für meinen Geschmack etwas zu kurz kommt.
Den wichtigsten Beitrag liefert natürlich mit Labyrinth der Intrigen das Regionalabenteuer. Wie üblich ist es als Reiseabenteuer angelegt und zeigt Teile beider beinhalteten Regionen, spielt somit auf dem Festland und auf den Zyklopeninseln. Vor allem der Metaplot der Inseln wird deutlich vorangetrieben, indem das Abenteuer ein zentrales Ereignis schildert, das das lokale Machtgefüge massiv verändert. Somit wird hier auch eine passende Verknüpfung zur Regionalspielhilfe hergestellt, was ich für einen Ansatz halte, der konsequent beigehalten werden sollte. Einzelabenteuer sind rar geworden, umso wichtiger ist es, dass diese regionalen Abenteuer vorhanden sind. Abseits davon handelt es sich aber auch um einen Band mit einem spannenden Plot, der viel Abwechslung bietet.
Purpurschein und Heldensagen, das Meisterschirmheft, ist zwar Spielhilfe und Abenteuerband gleichsam, allerdings sind es vor allem die vielen Abenteuerszenarien, die das Heft prägen. Diese fallen in der Summe durchwachsen aus, die Grundideen sind überwiegend gelungen, allerdings ist die Anknüpfung an den Hauptband unterschiedlich stark ausgeprägt. Somit gibt es Szenarien, die von einer Auslagerung von Hintergründen profitieren und nur den Plot bieten, während andere hier etwas zu kurz kommen.
Kalias Labyrinth ist zuletzt ein altes Botenszenario, das für das Crowdfunding auf das Format eines Heldenwerks erweitert wurde. Das Abenteuer bedient sich klassischer Versatzstücke eines Abenteuers auf den Zyklopeninseln und verfügt über einen spannenden Intrigenplot. Allerdings sind mir die Erweiterungen etwas zu knapp ausgefallen, insbesondere das Finale hätte ruhig 1-2 Seiten mehr vertragen können.
Narratives
Das Heldenbrevier der Sonnenküste ist dieses Mal als eine Art von Kriminalgeschichte angelegt, in der die Protagonist*innen teilweise auf verschiedenen Seiten zu stehen scheinen. Dabei ist meiner Meinung nach eine sehr schöne Mantel-und-Degen-Geschichte entstanden, die einige der Figuren aus der Regionalspielhilfe mit mehr Hintergrund ausstattet und neben einiger Spannung auch einen guten Schuss Humor enthält.
Ebenso erhält auch die Vademecum-Reihe Zuwachs. Das Draconiter-Vademecum stellt allerdings insofern eine Neuerung dar, als dass diesmal keine Gottheit im Mittelpunkt steht, sondern mit den Draconitern ein konkreter Orden beschrieben wird. Das sorgt für einen sehr detaillierten Fokus auf diese Glaubensgemeinschaft und ihre Mitglieder, kommt dafür aber auch nicht ganz ohne Längen aus.
Neben den Abenteuerszenarien enthält das Meisterschirmheft Purpurschein und Heldensagen eben auch besagte Heldensagen, bei denen eine Fortsetzungsgeschichte erzählt wird, in der eine Pilgergruppe auf den Spuren des Heiligen Geron im Mittelpunkt steht. Von der Aufteilung empfinde ich die Geschichte etwas ungünstig her konstruiert, allerdings ist sie in der Handlung durchaus kurzweilig, wenn auch keine totale Offenbarung.
Fazit
Unterm Strich sehe ich in einigen Aspekten eine Zusammenstellung, die mich mehr überzeugen kann, als das zuvor bei Die Gestade des Gottwals der Fall war, was vor allem an dem guten Hauptband liegt, daneben ist das Begleitabenteuer sehr gelungen, gleiches gilt zudem für das Heldenbrevier, womit diese Bände für mich die Highlights darstellen. Generell fallen die vielen direkt spielbaren Anteile auf, wozu natürlich primär die vielen Abenteuer und Szenarien gehören. Zwar werden einige Themen etwas überstrapaziert (vor allem, was Labyrinthe betrifft), trotzdem wird das regionale Flair gut hervorgehoben. Trotzdem würde ich mir insgesamt noch mehr Fokus auf das Wesentliche wünschen, z.B. indem man Anteile mit Längen noch weiter wegkürzt (was durch die Detaildichte fast zwangsläufig entsteht) und Doppelungen reduziert.
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