Rezension: Hexenrad

Vorbemerkung: Abseits der vielen Publikationen von Ulisses hat es auch der Fanpro-Verlag wieder geschafft, seine kleine DSA-Reihe um einen neuen Roman zu erweitern. Allerdings ist Hexenrad von Markus Pavlovic trotz des non-kanonischen Status keineswegs ein Leichtgewicht, immerhin kommen hier knapp über 500 Seiten Text zusammen und schon der Klappentext verspricht eine Reise durch halb Aventurien und die Suche nach einigen mächtigen Artefakten der Schwesternschaft Satuarias. Auch wenn die Fanpro-Romane keinerlei Auswirkung auf die offizielle Geschichtsschreibung haben, habe ich sie bisher als lohnende Ergänzung angesehen, eben mit einem anderen Schwerpunkt als die epischen Romane der Phileasson-Saga vom Heyne-Verlag und den Ulisses-eigenen Produkten, die oft die Geschichte auf unterschiedlichen Ebenen vorantreiben.

In Zahlen:

– 504 Seiten

– Preis: 18,95 Euro

– erschienen am 9.5. 2022

I. Inhalt

Im Mittelpunkt der Geschichte stehen als Protagonisten die beiden Hexer Yagan Nachtwind und Xerox Nebelkralle. Der umtriebige Yagan stößt bei der Erfüllung eines Auftrages auf die Spur einer alten Sage: Diese erzählt von dem sogenannten Hexenrad, das aus einer Reihe von Artefakten in Form kleiner Statuen besteht. Diese sind in ferner Vergangenheit voneinander getrennt worden, um ein zentrales Geheimnis der Schwesternschaften Satuarias zu bewahren. Dementsprechend repräsentiert jede Statue eine der Schwesternschaften, also die Eule die Eulenhexen, die Spinne die Spinnenhexen etc.

Schnell erweist sich, dass der Zeitpunkt gekommen ist, besagte Artefakte wieder zusammenzufügen, um Unheil von ganz Aventurien abzuhalten. Die intuitive Art der Hexen sorgt dafür, dass die beiden Freunde sich auf diese Mission begeben, ohne dass ihnen zu Beginn genau bekannt ist, was das abschließende Ritual bewirken wird und ohne dass sie allzu konkrete Vorstellungen haben, wo genau sich die einzelnen Statuen befinden könnten. Allerdings ergibt sich schnell, dass ihr erster Weg von Xerox Heimat Weiden nach Maraskan führen wird, von wo Yagan stammt.

In der Folge ergibt sich in der Tat eine Art Schnitzeljagd, die Xerox und Yagan wie angekündigt in die unterschiedlichsten Gegenden des Kontinents führen wird, von Weiden über Maraskan nach Al´Anfa ins Horasreich und auch an besonders gefährliche Orte wie die Schwarzen Lande. Dabei wächst auch ihre Gruppe weiter an, da sich herausstellt, dass jede Statue auch mit einer Hexe oder einem Hexer der passenden Schwesternschaft verbunden sein will. Gleichermaßen gilt es, sich unterschiedlichen Herausforderungen zu stellen, u.a. im von Borbarads Erben besetzten Teil Maraskans, aber auch auf gesellschaftlichem Parkett, wenn man in großen Städten Rechercheaufgaben erfüllen muss. Zuletzt wartet im Finale noch die Erfüllung der eingangs erwähnten Prophezeiung, die ebenfalls nur unter großen persönlichen Risiken angegangen werden kann.

II. Figuren

Gleichermaßen ist der Roman auch von den persönlichen Geschicken der einzelnen Figuren bestimmt. Vornehmlich gibt das für das ungleiche Duo Yagan und Xerox. Während Yagan ein ausgesprochener Kopfmensch ist, der als Händler neben Rur und Gror vor allem Phex nahesteht und alle Aufgaben strategisch angeht, ist der sensible Xerox eher bereit sich treiben zu lassen. Das sorgt mitunter für Konflikte, dennoch wird im Laufe der Geschichte immer deutlicher, welch tiefe Freundschaft die beiden verbindet und inwiefern sich ihre Fähigkeiten ergänzen.

Zudem sind sie auf ihrer langen Reise nicht auf sich allein gestellt, treffen sie doch immer wieder auf Freunde und Verbündete, begonnen in Maraskan, wo sie von einem Hexenzirkel unterstützt werden, der von Yagans gestrenger Großmutter Obana angeführt wird. Aber auch die Riege dauerhafter Begleiter erweitert sich vor allem in der zweiten Hälfte des Romans stetig, wobei sich als die dauerhaftesten die Kurtisane Zoraya und die novadische Sternendeuterin Nafissa erweisen (beide ebenfalls Hexen). Vor allem letztere überrascht ihre Mitstreiter, entpuppt sich die befreite Sklavin doch als fähige Sternendeuterin, die der Gruppe mit ihren Weissagungen entscheidende Erkenntnisse über ihre nächsten Schritte verschafft.

III. Kritik

Bei den Fanpro-Romanen gilt meistens, dass man sich mangels großer Werbeankündigungen und wenig medialer Präsenz zumeist auf eine ziemliche Wundertüte einlassen muss und außer dem Klappentext wenig bis gar nichts im Vorhinein bekannt ist, was hier auf „irgendwas mit Hexen und Artefakten“ hinausläuft. Deshalb bin ich auch ohne allzu große Erwartungshaltung an die Lektüre herangegangen. In im Großen und Ganzen muss ich auf jeden Fall feststellen, dass ich eine spannende Geschichte mit sympathischen Hauptfiguren erhalten habe.

Was dem Autor vor allem gelingt, ist die beiden Hexer mit ihren unterschiedlichen Wesenszügen in den Mittelpunkt zu stellen. Sie repräsentieren Herz (Xerox) und Hirn (Yagan) und gehen dementsprechend Herausforderungen ausgesprochen unterschiedlich an. Yagan plant strategisch und schreckt, sofern es notwendig ist, auch vor Gewaltanwendung nicht zurück (wobei er sich sowohl als Hexer als auch als Kämpfer mit seinem Nachtwind als kompetent erweist). Trotzdem hat er sein inneres Gleichgewicht noch nicht gefunden, sondern sein Handeln ist auch immer von Selbstzweifeln und Strenge gegen sich selbst geprägt. Im Gegensatz dazu ruht Xerox in sich selbst und strebt stets nach Harmonie und Ausgleich, lässt sich dabei gerne von äußeren Geschicken treiben. Allerdings zeigt er sich somit oft sehr weltfremd, wodurch gerade in den Städten der gewiefte Händler Yagan mit seinen Kontakten und seinem Verhandlungsgeschick vorangehen muss.                 

Für meinen Geschmack erweist sich Entwicklung ihrer Beziehung stellenweise aber auch als etwas kitschig, wenn gerade in der zweiten Hälfte die gegenseitige Innigkeit überbetont wird, allerdings ist die Beziehung der beiden glaubhaft in ihren Entwicklungsschritten dargestellt, wobei sie sich als sehr reflektierte Figuren zeigen. Was die anderen Figuren angeht, empfinde ich es als etwas nachteilig, dass ein nicht geringer Teil der Hexen, die am abschließenden Ritual teilnehmen, erst sehr spät zur Gruppe stoßen oder nur sehr wenig Beschreibungsraum erhalten haben. So kommen sie den Leser*innen, obwohl sie am Ende teilweise entscheidende Aufgaben einnehmen, für meinen Geschmack wenig nahe. Dies gilt besonders für die Hexen Ebelriede, Brea, Caya, Myria und Talva. Ebenso wird ein wichtiger Antagonist für das Finale erst kurz vor Schluss eingeführt und kann so keine dauerhafte Wirkung entfalten. Auf diese Weise fehlt auch das Gefühl einer dauerhaften Konfrontation, da die einzelnen Reiseetappen immer nur von singulären Ereignissen geprägt sind. Hier wäre ein durchgehender Antagonist, mit dem man um die einzelnen Artefakte ringen muss, vielleicht eine bessere Alternative gewesen. Ebenso gibt es aber auch gute Gegenbeispiele, z.B. die Entwicklung von Nafissa, die zunehmend an Selbstvertrauen gewinnt und mit einem naiven Blick eine zusätzliche Perspektive bietet. Gleiches gilt für Obana, die trotz ihrer Härte als Rebellenführerin und ihres rauen Umgangstons Yagan gegenüber einen einfühlsamen Kern hat.

Generell stellt für mich die Maraskan-Episode (die auch textlich die längste Etappe der Odyssee ist) das Highlight des Romans dar, bietet der Autor doch hier einen originellen Blick in das Denken der Maraskaner, vor allem geprägt durch die Perspektive eines dort angesiedelten Hexenzirkels. Überhaupt merkt man, dass hier viel Gefühl für die Hintergrundwelt vorhanden ist, so dass die Reise nicht nur spannend ist, sondern auch einen schönen Überblick über die unterschiedlichen Regionen Aventuriens beinhaltet. Auch wenn der Roman nicht kanonisch ist, hat die Geschichte einige epische Elemente, die aber so gestaltet sind, dass es glaubhaft ist, dass sie keinen Teil der offiziellen Geschichtsschreibung einnehmen, sondern die Resultate der Taten der Protagonist*innen der breiten Öffentlichkeit verborgen bleiben.  

IV. Fazit

Hexenrad ist ein unterhaltsamer und spannender Roman, der eine Reise quer durch Aventurien bietet und trotz der Vorgabe, nicht kanonisch zu sein, eine durchaus epische Geschichte erzählt. Während die beiden Hauptfiguren sehr umfassend gestaltet werden, bleiben viele der Nebenfiguren sehr diffus, weil sie zumeist erst sehr spät in die Handlung eingefügt werden. Man merkt dem Roman an, dass er mit viel aventurischem Sachverstand geschrieben wurde, was insbesondere für die Maraskan-Episode gilt.         

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