Rezension: Die Drachen von Wolldorf II – die Abenteuer

Vorbemerkung: Nachdem ich im ersten Teil der Besprechung von Die Drachen von Wolldorf mit der Betrachtung der Regel- und Hintergrundanteile der DSK-Einsteigerbox begonnen habe, sollen nun die Abenteuer im Mittelpunkt stehen. Auch hier ist sicherlich vor allem der Aspekt interessant, inwiefern es gelingt, einerseits Handlung so zu reduzieren, dass Einsteiger*innen ohne Überfrachtung gut mitgenommen werden und sie andererseits spannend genug zu gestalten, um von der Attraktivität des Settings zu überzeugen.

I. Inhalt

Das Abenteuermaterial ist zweigeteilt, indem zwei Abenteuer beinhaltet sind, die in der Story fest zusammengehören, sich allerdings im Schwierigkeitsgrad unterscheiden, sowohl was die Herausforderungen für die Spielercharaktere als auch die Anforderungen an die Spielleitung betrifft.

Der magische Schlüssel

Das erste Abenteuer verfügt zunächst über ein paar Anmerkungen zu Rolle des Spielleiters und beantwortet einige erste Fragen, z.B. wie man sich verhalten kann, wenn eine Gruppe getrennt wird. Ebenso werden die grundsätzliche Textstruktur sowie Wertekästen für Gegner erläutert. 

Im Handlungsbereich knüpft es direkt an die Einführung durch Die ersten Tapser an, wo man in Wolldorf eintrifft und mit dem Auftraggeber Toblin zusammenkommt. Nach einer Zusammenfassung der Vorgeschichte, die für das Abenteuer relevant ist und die weit in die Vergangenheit Wolldorfs zurückreicht, erhält man erste Aufgaben von Toblin. Im Kern bestehen diese aus zwei Beschaffungsmissionen, die allerdings unterschiedliche Schwerpunkte haben. Eine leitet mutmaßlich in einen Kampf über, die andere verlangt eher planerisches Geschick und Kreativität. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Interaktion mit Menschen, was den erwachten Katzen einiges abverlangt, da diese die Natur der erwachten Wesen keinesfalls durchschauen sollten. Anders als im Tutorial wird Interaktion hier frei gestaltet, z.B. gibt es keine Dialogvorgaben mehr. An vielen Stellen wird der Fließtext allerdings durch Informationskästen unterbrochen, die Regel- oder Hintergrundaspekte erläutern.

Der Tempel des Drachen

Das zweite Abenteuer ist ebenfalls kein eigenständiges Abenteuer, sondern stattdessen die logische Fortführung von Der magische Schlüssel. Nachdem man dort einige Vorarbeiten erledigt hat, kann man nun in den finalen Teil der Handlung übergehen. Hier finden sich – dem Gedanken einer Progression folgend – nun kaum noch Informationsanteile, sondern der Fokus liegt auf dem konkreten Abenteuergeschehen. Der Fokus verlagert sich etwas, im Prinzip handelt es sich um eine Art Dungeoncrawl, indem die Gruppe zusammen mit Toblin in eine unterirdische Anlage vordringt. Die Atmosphäre ist nunmehr deutlich düsterer und auch mystischer, auch weil Elemente der bedeutsamen Vergangenheit Aventuriens (auch in einer Schnittmenge zu dessen menschlichen Bewohnern) thematisiert werden. Trotzdem merkt man immer wieder den Einsteigerfokus, indem z.B. bei an sich einfachen Kämpfen mehrere Möglichkeiten präsentiert werden, wie die Gruppe diese Hürde nehmen könnte und wie man als Spielleitung darauf reagieren kann. Am Ende ergibt sich ein Finale, das durchaus über einige Ansätze von Epik verfügt.   

II. Figuren

Auffällig ist, dass die beiden Abenteuer vergleichsweise wenig interaktive Elemente enthalten, die Zahl der NSC ist relativ begrenzt. Die große Ausnahme ist der Meckerdrache Toblin, der im ersten Abenteuer die Rolle des Auftraggebers einnimmt und der dann in Der Tempel des Drachen zum dauerhaften Begleiter wird. Dabei kann er sich durchaus ambivalent und vielseitig zeigen. Andere NSC sind eher nachrangig, allerdings kann man am Ende des Abenteuers noch mit einer ausgesprochen bemerkenswerten Figur zusammentreffen, die schon eine sehr lange DSA-Historie hinter sich hat (und somit auch ein Bindeglied zu DSK darstellt).

III. Kritik

Zunächst fällt eindeutig der Progressionsaspekt auf, indem der Handlungsfortschritt quasi dreigeteilt ist: Hier muss man noch das bereits besprochene Die ersten Tapser hinzunehmen, das eine Art Einleitung darstellt und das im Kern ein großer Vorlesetext mit einigen interaktiven Elementen ist. Direkt hieran schließt Der magische Schlüssel an. Dem Abenteuer merkt man sehr deutlich an, dass es wirklich zum Sammeln erster Erfahrungen angedacht ist, indem es eigentlich nur aus zwei überschaubaren Handlungsetappen besteht: Ein Kampf, bei dem es eher weniger ums gewinnen geht, sondern um eine Form von Ablenkung, bis das eigentliche Ziel erreicht ist und einer kleinen Diebestour, bei der man zeitgleich die Interaktion mit den Menschen erproben kann. Beide Episoden sind so angelegt, dass ein Scheitern eher schwer möglich ist, was aber ohnehin an dieser Stelle eher demotivierend wirken würde. Viel mehr Raum ist auch nicht vorhanden, da der reine Handlungstext im Heft für die Spielleitung ebenso reduziert ist, da weiterhin noch einiges an Platz für Infotexte reserviert ist. Das halte ich aber durchaus für angemessen, da gerade diese besonders anspruchsvolle Aufgabe genauso vermittelt werden soll wie das Rollenspiel selbst.

Die Lernkurve ergibt sich dann in Der Tempel des Drachen, indem beide Aufgaben schwerer gestaltet werden. Hier ist dann potentiell ein Kampf auf Leben und Tod enthalten (wenn auch nur gegen zwei Höhlenspinnen, die aber auch auf andere Weise umgangen werden können) und gerade im Umgang mit Toblin ergeben sich auch in der Interaktion Momente, in denen den Spieler*innen relevante Entscheidungen abverlangt werden. Und die Spielleitung wird nun ebenfalls nicht mehr so kleinschrittig unterstützt, sondern es wird deutlich mehr Raum auf Hintergrundbeschreibung verwendet als auf Infotexte. Umgekehrt ist es natürlich nicht zufällig, dass ein Dungeoncrawl als Kern gewählt wurde und kein Abenteuer mit komplexen interaktiven Anteilen mit vielen NSC, so ist es schlichtweg einfacher zu leiten. Hier ergibt sich dann vieles aus der Atmosphäre, wenn man bedenkt, dass das Dungeon im Prinzip nur ein paar Spinnweben, zwei Spinnen, einen inaktiven Wächter und ein paar Statuen und ein bemerkenswertes Artefakt enthält. Viel Varianten sind damit gar nicht möglich, allerdings ist auch das nicht unbedingt der Anspruch an eine solche Einsteigerbox. Das Finale hat einen erkennbaren Höhepunkt und ergibt tatsächlich sogar noch zwei Aha-Momente, wenn man quasi nacheinander mit zwei der mächtigsten Figuren der DSA-Historie interagiert, wenn auch in einer für DSK angepassten Variante.

IV. Fazit

Hier möchte ich nun zu einem Gesamtfazit ansetzen, was nicht nur die Abenteuer berücksichtigt, sondern auch den Regel- und Hintergrundbereich aus dem ersten Teil. Generell gefällt mir das Maß zwischen sinnvoller Reduktion und gelungener Präsentation. DSK ist hier bunt und lebendig, dabei aber relativ regelleicht. Wolldorf ist ein schöner Schauplatz, in der vorliegenden Form allerdings sind die vorhandenen Spielanreize endlich, mit dem vorhandenen Material kann man sicherlich auch abseits der Abenteuer einige Spielabende füllen, danach bräuchte man aber Nachschub. Die Lernkurve gerade für eine Spielleitung ist angemessen gewählt innerhalb der Schritte vom Tutorial bis hin zur Leitung der beiden Abenteuer. Was mir allerdings für neue Spielleiter*innen fehlt, ist eine kleine Anleitung, wie man den Hintergrund nutzt, um eigene Abenteuer zu erstellen.

Die Abenteuer bieten sicherlich sehr überschaubare Inhalte, viel mehr als 2-3 Spielabende kann man damit nicht füllen, hier bietet der DSA-Pendant eindeutig mehr, umgekehrt ist der aber auch teurer. Sie zeigen den Spieler*innen dafür aber viel vom Setting und führen in die wesentlichen Spielelemente ein, wie man Kämpfe auswürfelt etc. Genau wie bei Das Geheimnis des Drachenritters ist man aber auf die Beispielhelden angewiesen, eine Generierung kann man mit der Box nicht durchführen.

Aus meiner Sicht deutet die Box viele der Stärken von DSK an und wird Einsteiger*innen bestimmt viel Spaß bereiten, allerdings muss man auch mit klaren Grenzen leben und seine wahren Schätze offenbart das Setting erst, wenn man sich auch den Kernband Die Schwarze Katze besorgt und den Sprung in die große Stadt Havena wagt. Vorfreude darauf kann man mit der Box aber definitiv entwickeln.

Bewertung: 4 von 6 Punkten    

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