Retro-Check: Staub und Sterne

Vorbemerkung: Die jüngste Neuveröffentlichung eines Klassikers aus alten DSA-Tagen löst bei mir einiges an Erinnerungen aus: Staub und Sterne von Thomas Römer ist sicher kein gewöhnliches Abenteuer. Zum einen handelt es sich (beim Erscheinungszeitpunkt so anscheinend aber noch nicht geplant) um den Prolog zur bekanntesten DSA-Kampagne überhaupt, Die Sieben Gezeichneten. Zum anderen gilt es immer noch als eines der besten Abenteuer, zu sehen beispielsweise im Bewertungsbereich des DSA-Forums oder des Wiki Aventurica, wo es überdurchschnittlich viele sehr gute Bewertungen erhält und diese auch in vergleichsweise hoher Anzahl. 2014 gab es zudem eine Umfrage von Nandurion und Orkenspalter TV, wobei es immer noch als bestes Einzelabenteuer abschnitt. Und auch ich persönlich habe eine ganze Reihe von positiven Erinnerungen an dieses Abenteuer. Spannend ist in solchen Fällen immer, ob auch der gegenwärtige Blick noch zu einem ähnlichen Ergebnis kommt oder ob hier eher nostalgische Verklärung vorliegt.

In Zahlen:

– 58 Seiten

– erschienen 1991 bzw. am 23.2. 2023 (in der Neuauflage)

– Preis: 12,95 Euro

I. Aufbau und Inhalt

Den Anfang nimmt das Abenteuer in Khunchom. Zum Zeitpunkt des Eintreffens der Heldengruppe ist die Stadt sehr belebt, da das jährliche Gauklerfest ansteht, bei dem die begabtesten Gauklergruppen Aventuriens ihr Können unter Beweis stellen dürfen. Um dieses Ereignis ausgestalten zu können, gibt es eine ausführliche Vorstellung des Gauklerlagers, wobei die prominentesten Vertreter als NSC aufgeführt sind. Dort kann man an dem fröhlichen Treiben teilhaben und mit den NSC interagieren, wozu auch eine unheimliche Sitzung bei der Wahrsagerin Sephira gehört. Deren düstere Prophezeiungen von Tod, Dämonen und Herausforderungen scheinen sich zu bewahrheiten, als der Gauklerwagen der bekannten Familie da Merinal eintrifft, eine der talentiertesten Gauklergruppen. Der Bericht des Oberhauptes Jasper ist bedrückend, wurde die Familie doch anscheinend von düsteren Mächten angegriffen, was zur Folge hat, dass zwei seiner Söhne, Colon und Shemjo verschwunden sind. Zu allem Überfluss hat sich dies ausgerechnet am Rand der gefürchteten Gorischen Wüste ereignet, die als verfluchter Ort gilt, seit dort vor Jahrhunderten die entscheidende Schlacht zwischen Rohal und seinem finsteren Gegenpart Borbarad stattgefunden hat. Somit ergibt sich selbstredend der Auftrag, nach den beiden Brüdern zu suchen. Allerdings müssen die Spielercharaktere sich nicht allein auf die Queste begeben, sondern es finden sich zwei weitere wackere Recken, der ortskundige Karawanenführer Rafim und der geheimnisvolle Geschichtenerzähler Bukhar. Für den Fall, dass man zuvor Informationen über die Gorische Wüste sammeln will, sind einige Recherchemöglichkeiten beinhaltet.

Folgend ergibt sich ein Reiseabenteuer, bei dem zunächst die wichtigsten Stationen zwischen Khunchom und der Gorischen Wüste beschrieben werden. Am Ort des Verschwindens der da Merinal-Brüder angekommen, zeigt sich, dass dort wirklich finstere Mächte am Werk waren und dass deren Ursprung tiefer in der Gor liegt, so dass ein Vordringen in deren lebensfeindliche Umgebung unumgänglich ist. Dafür finden sich einige exemplarische Beschreibungen wichtiger Örtlichkeiten, die man allerdings kaum betreten möchte. Innerhalb der Wüste kann man allerdings eine Entdeckung tätigen, die an einen besonderen Ort führt. Dort ergibt sich letztlich ein ausführliches Finale, in dem man mit ausgesprochen fähigen Antagonisten konfrontiert wird. Dieser Teil des Abenteuers ist vergleichsweise offen gehalten, indem vor allem Ortsbeschreibungen vorhanden sind, innerhalb deren man sich überwiegend frei bewegen kann (wobei man aber verschiedene Ereignisse auslösen kann). Allerdings läuft alles auf eine finale Konfrontation hinaus, für die bestimmte Optionen antizipiert werden. Unterstützt wird dies noch durch umfangreiches Kartenmaterial für alle Abschnitte des Abenteuers. Im Anhang werden die wichtigsten NSC vorgestellt, dazu ist dort noch als Quelle der Erfahrungsbericht einer früheren Expedition in die Gor abgedruckt, den man als Rechercheergebnis verwenden kann.

II. Figuren

Schon der Einstieg in das Abenteuer ist mit illustren Personen gespickt, treffen sich in Khunchom auf dem Gauklerfest doch die herausragendsten Vertreter ihrer Zunft. Anrührend soll natürlich die Verzweiflung der Familie da Merinal sein, die die Gruppe dazu bewegen soll, die gefährliche Rettungsmission für Shemjo und Colon auf sich zu nehmen.

Als dauerhafte Begleiter fungieren mit Rafim und Bukhar zwei sehr unterschiedliche Figuren. Der Karawanenführer ist charismatisch und gesprächig, allerdings für die Schrecken der Gorischen Wüste sehr anfällig, während der schweigsame Geschichtenerzähler sich als abgebrüht und kampfstark entpuppt, dafür scheint es in seiner Vergangenheit einige dunkle Flecken zu geben.

Im Falle des Abenteuers ergeben sich zudem noch Begegnungen mit sehr fähigen Antagonisten, die über beträchtliche Mittel und auch individuelle Fähigkeiten verfügen und die zudem einen klaren Plan für ihr weiteres Vorgehen haben.

III. Kritik

Tatsächlich muss ich zugeben, dass es sich hierbei im Endeffekt um eine recht schwierige Rezension handelt, weil es schlichtweg nicht leicht ist, einzelne Faktoren gegeneinander abzuwägen. Einem nach wie vor extrem positiven Gesamteindruck auf der Handlungsebene stehen eben auch Passagen innerhalb des Abenteuers gegenüber, die man heutzutage sicher anders angehen würde und die natürlich nicht mehr modern sind.

So gibt es einige Teile des Abenteuers, die kaum ausgeführt sind und in denen man eigentlich keine Einflussmöglichkeiten hat und sich stattdessen einfach in die richtige Richtung treiben lassen soll. Das gilt vor allem für die Reise durch die Gorische Wüste, wenn man auf die Relikte der Magierkriege trifft. Für die Ruinen der Schwarzen Feste gilt beispielsweise vor allem der Hinweis, dass die Spielleitung alles unternehmen soll, um den Spielercharakteren nahezulegen, dass man sich von dort fernzuhalten habe. Wird dies ignoriert, sind sie dem Tod geweiht. Insgesamt merkt man ohnehin immer wieder die damals noch vorherrschende pädagogische Sichtweise der Autoren, die dann spielerisch manchmal keine überzeugenden Argumente liefern, um Situationen zu lösen. So erhält man angesichts der Fähigkeiten des Finalgegners den Hinweis, dass es möglicherweise angebracht sei, hin und wieder Würfelergebnisse zu fälschen.

Umgekehrt sehe immer noch große Stärken. Die Akte sind stimmig aufeinander aufgebaut, von der leichten Atmosphäre des Gauklerfestes geht es über in das Grauen der Familie da Merinal, das gesteigert wird durch die Feststellung, dass man nicht beide Brüder retten können wird. Dem schließt sich die Lebensfeindlichkeit der Gor an, bis man dann inmitten dieses finsteren Ortes ein fast idyllisches Tal findet, um dann dort mit dem Masterplan eines Schwarzmagiers konfrontiert zu werden, dessen Festung man stürmen muss. Gerade der Finalpart ist aus meiner Sicht immer noch ein absolutes Highlight, indem – anders als in vielen anderen der älteren Abenteuer – kein fester Ablauf vorgesehen ist, sondern ein freies Vorgehen ermöglicht wird. Die Zutaten dazu sind vorhanden, in Form der guten Ortsbeschreibungen, ergänzt durch umfangreiches Kartenmaterial, die Figurencharakterisierungen und durch einen Zeitplan des normalen Tagesablaufs.

Hinzu kommt für mich mit Liscom von Fasar ein hervorragender Gegenspieler, der nach meinem Eindruck sehr viel von einem Bond-Schurken hat: Er ist beseelt von einem Plan, der das aventurische Weltengefüge erschüttern soll, trotzdem erweckt er einen sehr kultivierten Eindruck, wird unterstützt von einem kompetenten Schergen und einer Reihe von entbehrlichen Handlangern und residiert in einem eindrucksvollen Hauptquartier. Diese Zutaten passen gut zusammen und im Abenteuer sind auch unterschiedliche Lösungsmöglichkeiten antizipiert, von offener Konfrontation bis hin zu versteckter Infiltration. Ganz nebenbei ist hier absolut nichts von dem sonstigen Geiz an Belohnungen vorhanden. Wer Liscom bezwingt, auf diejenigen warten umfangreiche Belohnungen, sowohl in Form klingender Münzen als auch eine ansehnliche Anzahl an Artefakten (nebst der Autoren-Einschränkung, dass man natürlich auch Möglichkeiten habe, diese Beute einzuschränken, falls man das als Spielleitung wolle). Den epischen Wert haben wir damals interessanterweise in unserer Gruppe völlig falsch eingeordnet, indem wir die Begegnung mit einem leibhaftigen Alten Drachen, die sich im Laufe der Handlung ergibt, für den Höhepunkt gehalten haben. Welche Leistung es darstellt, eine Erweckung Borbarads zu verhindern, hat sich uns erst durch die folgenden Ereignisse in der Kampagne um die Sieben Gezeichneten erschlossen. Was mir an dieser Stelle zudem fehlt, ist eine klarere Vorstellung, wie genau diese Erweckung Borbarads konkret geschehen soll, dazu finden sich kaum konkrete Angaben (wohl schlicht deshalb, weil man davon ausgeht, dass die Heldengruppe es eben nicht so weit kommen lassen wird).

IV. Fazit

Staub und Sterne stellt für mich auch über 30 Jahre nach dem ursprünglichen Erscheinen ein hervorragendes Abenteuer dar. Nicht alle Designentscheidungen würde man heute auch noch so treffen, dafür erhält man vor allem einen großartigen Hintergrund für ein episches Finale, in dem man sehr viel Handlungsfreiheit hat. Mit ist klar, dass hier meinerseits nicht alle Nostalgieelemente ausgeblendet worden sind und wer sich an den oben genannten Aspekten stärker stören wird, kann selbstredend meine Maximalwertung um 1-2 Punkte reduzieren.

Bewertung: 6 von 6 Punkten         

6 Kommentare

  1. Danke für die interessante Rezi! Mich würden noch die Unterschiede zur Neuauflage interessieren, da ja nun eine ältere Auflage wieder erschienen ist. in dem Fall hätte ich gerne die Überarbeitung, die es immerhin noch als pdf zum download bei Ulisses gibt.

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    1. Wenn du die Version von 2009 meinst, kann ich dir leider nicht helfen, die besitze ich nicht. Ich habe hier nur meine uralte Version von 1991, die fast auseinanderfällt (siehe Bild). Der Neudruck ist identisch dazu und dank ihm hab ich jetzt auch die Karten wieder, die hatte ich nämlich leider verbummelt.

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      1. Auch schön, so ein uraltes Heft aus den DSA-Urzeiten. Ja, die Unterschiede der ersten 1991er-Fassung zur Fassung von 2009 würden mich interessieren. Falls wir das Abenteuer noch mal spielen, würde ich wohl zur Neufassung greifen. Wobei unsere freitägliche VTT-Runde tatsächlich mit Splitterdämmerung und Sternenträger wohl über Jahre beschäftigt sein wird.
        Deine Rezensionen hier sind übrigens klasse, mittlerweile lese ich jede mit. Wegen des ausgewogenen und kritischen Stils lesen sich die Texte sehr angenehm und deine Publikationsgeschwindigkeit ist bewundernswert!

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  2. >>> Für die Ruinen der Schwarzen Feste gilt beispielsweise vor allem der Hinweis, dass die Spielleitung alles unternehmen soll, um den Spielercharakteren nahezulegen, dass man sich von dort fernzuhalten habe. Wird dies ignoriert, sind sie dem Tod geweiht. Insgesamt merkt man ohnehin immer wieder die damals noch vorherrschende pädagogische Sichtweise der Autoren, die dann spielerisch manchmal keine überzeugenden Argumente liefern, um Situationen zu lösen. So erhält man angesichts der Fähigkeiten des Finalgegners den Hinweis, dass es möglicherweise angebracht sei, hin und wieder Würfelergebnisse zu fälschen. <<<

    Letzteres ist sicher auch den eingeschränkten regeltechnischen Möglichkeiten des damaligen DSA geschuldet.
    Ersteres sehe ich inzwischen gar nicht mehr so kritisch. "Tödliche" Gebiete sind im old-school-Spiel Usus und entsprechende Vorwarnungen, welche die Spielenden dazu bringen sollten, sie zu vermeiden, wenn ihnen ihre Charaktere lieb sind, nur fair.

    Gefällt 1 Person

    1. Solche „tödlichen Gebiete“ kann ich auch voll und ganz akzeptieren. Ich glaube nur, dass man das heute inhaltlich anders aufmachen würde als mit ein paar eher oberflächlichen Aufforderunge, die Gruppe dort eben fernzuhalten. Im Abenteuer ist das zudem sehr knapp dargestellt und man wird v.a. aufgefordert, zu improvisieren. In einem Kaufabenteuer würde man da heute – vermute ich mal – etwas konkretere Hilfestellungen bekommen.

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      1. Das mit Sicherheit. Ist aber halt immer ein feines Abwägen, inwieweit man aktuelle Maßstäbe an so alte Kamellen anlegen kann – weil das Hobby hat sich die letzten dreißig Jahre schon nochmal anders professionalisiert als in den ersten zwanzig.

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