Rezension: Die Rache des Spinnengötzen

Vorbemerkung: Auch 2023 wird mit Sicherheit wieder ein Jahr sein, in dem es neben vielen offiziellen Publikationen wieder eine Menge Beweise für die Kreativität der Fanszene geben wird. Und auch diesen Bereich möchte ich hier im Blog immer wieder einmal abdecken. Zuletzt ist mein Auge dabei auf Die Rache des Spinnengötzen gefallen. Das Fanabenteuer von Markus Heinen wurde unlängst auf dorp.de als kostenfreier Download zur Verfügung gestellt. Vom gleichen Autor habe ich vor ein paar Jahren schon das schöne Abenteuer Im Garten des Magiers besprochen und mutmaße, dass auch diese neue Veröffentlichung sich lohnen könnte.

In Zahlen:

– 40 Seiten

– Preis: kostenloser Download auf dorp.de

– erschienen am 19.2. 2023

I. Aufbau und Inhalt

Die Rache des Spinnengötzen ist als Krimi- bzw. Intrigenabenteuer angelegt und dementsprechend beginnt es mit einer Skizzierung der Vorgeschichte, die weit in der Vergangenheit liegt, was aber zu den Verwicklungen in der Gegenwart führt. Zudem werden direkt die wichtigsten Figuren vorgestellt und wie diese untereinander ein verhängnisvolles Geflecht entwickelt haben.

Die konkrete Handlung findet in Mengbilla statt, wozu als Hilfestellung einige Informationen über die Stadt zusammengetragen werden, u.a. in Form eines kurzen Stadtrundgangs. Kaum angekommen, kann die Heldengruppe den Kaufmann Vitorio Lorenzo Coronares aus einer misslichen Situation retten, als er von einigen Schurken bedrängt wird. Dieser vermutet mehr dahinter und sieht sein Leben bedroht. Somit bietet er den Spielercharakteren eine Anstellung als Leibwache an bzw. beauftragt sie, herauszufinden, wer nach seinem Leben trachtet.

Ein Hauptschauplatz des Abenteuers ist somit Vitarios Anwesen, die Villa Coronares. Für diese existieren als Hilfe für die Spielleitung Pläne und Raumbeschreibungen, zudem Vorstellungen der dort lebenden Figuren, wozu neben Vitario noch einige seiner Kinder und das Personal gehören. Gleichermaßen werden auch Ereignisse und Recherchemöglichkeiten in Mengbilla selbst aufgeführt, z.B. lebt Drajan, einer der Söhne Vitarios, als Borongeweihter im Tempel des
Totengottes, während dessen Bruder Enrisco ein völlig anderes, eher lasterhaftes Leben führt und dementsprechend in zwielichtigeren Gegenden angetroffen werden kann.

Neben ortgebundenen Schilderungen werden immer wieder Ereignisfolgen beschrieben, in denen die Spielercharaktere mit unterschiedlichen Schachzügen der Gegenseite konfrontiert werden oder in denen sie erleben, was ihre eigenen Maßnahmen auslösen. Dazu gehört auch die Erkenntnis, dass man es mit gleich mehreren Akteuren zu tun hat, von denen ein Gefahrenpotential ausgeht.

Im Anhang finden sich die Personenbeschreibungen der wichtigsten NSC (hier immerhin fast ein Dutzend) nebst entsprechenden Wertekästen, dazu allgemeine Gegnerwerte und – passend zur Handlung – ein paar Regelangaben zu Giften.

II. Figuren

Im Mittelpunkt steht vor allem die Familie Coronares. Der Auftraggeber Vitario hat eine bewegte Vergangenheit hinter sich, hat er sich doch vor seinen geschäftlichen Erfolgen als Söldner verdingt und somit seinen Reichtum aus eigener Kraft erworben. Dieser ist beträchtlich, was folglich auch seine potentiellen Erben verdächtig erscheinen lässt, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Claudius tritt als Geschäftsmann eindeutig in die Fußstapfen seines Vaters, während Enrisco eher das Schwarze Schaf verkörpert und das Leben in vollen Zügen genießt. Marcella hingegen, die einzige Tochter, versucht sich ebenfalls im Geschäftsleben, was ihrem Vater nicht unbedingt gefällt, da er andere Pläne für sie hegt. Drajan zuletzt fristet sein Dasein als Borongeweihter, allerdings scheint dies keine Entscheidung aus Überzeugung gewesen zu sein, sondern hat eindeutig politische Hintergründe, um Vitarios Beziehungen zur einflussreichen Boronkirche zu verschaffen. Damit ist innerhalb der Familie reichlich Konfliktpotential angelegt. Hinzu kommen natürlich noch weitere NSC, denen man aber vornehmlich in späteren Phasen des Abenteuers begegnet.

III. Kritik

Und genau in diesem Aspekt liegt auch die Stärke des Abenteuers. Die Figurenkonstellation ist ausgesprochen konfliktreich angelegt, so dass sich hier ein ganzes Bündel an möglichen Motiven ergeben, warum jemand Vitario nach dem Leben trachten könnte. Das sorgt dafür, dass die Spielercharaktere höchstwahrscheinlich darauf angewiesen sind, in viele unterschiedliche Richtungen zu ermitteln. Zudem sind die Familienmitglieder ja auch nur die offensichtlichsten Verdächtigen, daneben ergeben sich noch weitere Konfliktpunkte, die sich allerdings erst bei vertiefender Recherche offenbaren.

Krimiabenteuer sind im Rollenspiel alles andere als einfach, zum einen, weil beispielsweise Magie manche Fakten sehr schnell offenlegen kann (vor allem was den möglichen Einblick in die Gedanken von Verdächtigen angeht oder durch die Möglichkeit, sogar verstorbene Personen zu verhören). Zum anderen ist es schwierig, innerhalb einer eigentlich interaktiven Rollenspielhandlung mit einer Folge von festgelegten Ereignissen, wie z.B. Attentaten oder gar Mordtaten umzugehen. Kann/Soll man diese verhindern können, dass etwas geschieht oder will man als Spielleitung gar – gegen alle Vorsichtmaßnahmen einer Heldengruppe – eine Geschehnisfolge durchsetzen? Wie geht man damit um, wenn die Heldengruppe sofort durchschaut, wer hinter den Untaten steckt?

Diese Klippen umschifft das Abenteuer beileibe nicht immer, allerdings bietet es durch verschiedene gegnerische Fraktionen jede Menge Optionen, mit denen man die Gruppe beschäftigen kann, so dass es durchaus realistisch ist, dass die Ereignisfolge so wie vorgesehen stattfindet. Umgekehrt bleibt dafür der Realismusfaktor ein wenig auf der Strecke, indem der gute Vitario eigentlich in einem derartigen Wespennest sitzt, mit Bedrohungen von innen und außen, dass es sogar eher unwahrscheinlich erscheint, dass ihm bis dato noch niemand den Garaus gemacht hat.

In der Machart fällt zunächst die schöne Präsentation auf. Man merkt, dass mit Thomas Michalski ein Layout-Profi am Werk war, aber auch die Innenillustrationen von Anna Przybylska in einem Comic-haften Stil können sich absolut sehen lassen. Die Texte sind gut verfasst, allerdings in der Ordnungsstruktur nicht immer günstig. Z.B. wäre eine Vorstellung des geplanten Ablaufs, wie sich die Ereignisse ohne Heldeneinwirkung entwickeln würden, eine günstige Hilfestellung. So gibt es sehr oft Vermischungen von Orts- und Handlungsbeschreibungen, die aus meiner Sicht besser getrennt werden sollten. Zudem werden einige Personen anfangs nur als wichtig erwähnt, ihre Funktion aber nicht erläutert, die sich dann erst in der entsprechenden Szene ergibt, v.a. gilt dies für eine Figur, die als Meuchelmörderin fungiert. In der Antizipation von Heldenaktionen fehlt mir außerdem die Option, dass auch eine Vermittlerrolle möglich wäre, v.a. in der Familienkonstellation.

IV. Fazit

Die Rache des Spinnengötzen ist ein gelungenes Fanabenteuer, in dem es viel zu ermitteln gibt und das vor allem durch eine umfangreiche Personenkonstellation mit viel Konfliktpotential überzeugt. In der Machart ist Abenteuer sehr professionell und wertig gestaltet, allerdings ist mir die Ordnungsstruktur nicht immer günstig gewählt. Wie immer verzichte ich bei Fanwerk auf eine Punktewertung.           

6 Kommentare

  1. Schön, dass du auch solche Werke betrachtest. Ich hatte mir das Abenteuer schon mal auf die: „Könnte interessant sein“-Liste gesetzt, war aber noch nicht dazu gekommen es zu lesen.

    Like

    1. Ich glaube, dass Fanwerk eine unverzichtbare Säule von DSA ist, im Prinzip genauso wichtig wie offizielle Publikationen, weil sie ein Dokument der Lebendigkeit der Szene sind. Und deshalb versuche ich ich immer wieder mal, wenn es zeitlich passt, auch solche Publikationen reinzunehmen. Eben auch in der Hoffnung, dass diese dann etwas mehr Aufmerksamkeit bekommen, auch wenn die Reichweite meines Blogs natürlich eingeschränkt ist.

      Like

  2. Hey, dann melde ich mich als Autor und Urheber des Abenteuers doch auch mal direkt zu Wort. Erst mal vielen dank für die, ja durchaus positive Rezension, freut mich das es im Großen und Ganzen gefallen hat. Du kannst mir gerne aber auch einfach mal genauer schrwiben wo du eventuell noch Verbesserungsbedarf im Aufbau siehst.

    Das ist ja tatsächlich etwas, was mir als Autor manchmal durchgeht. Ich habe den Ablauf und die Personen mit ihren Motivationen und möglichen Handlungen imKopf, zwar versuche ich immer alles einzubringen was für den Erstleser wichtig ist, aber ich glaube da geht mir auch immer mal wieder etwas durch. Daher finde ich es natürlich hilfreich wo Leser noch Schwierigkeiten oder Verbesserungsbedarf sehen.

    Als reiner Online-Fandownload können wir das ja auch immer wieder verbessenr und müssen keine Bücher en Masse neudrucken 😉

    Like

    1. Lieber Markus,

      danke für deinen Kommentar, es ist immer schön, wenn man mit den Autoren selber über ihre Arbeit sprechen kann. Wie gesagt, ich hab unterm Strich wenig zu meckern. In der Sturktur sind mir aber Sachen aufgefallen, die ich z.B. als Spielleiter etwas ungünstig finde. So wird Annabella erstmals auf Seite 5 erwähnt, aber so, dass sich dort ihre Rolle/Funktion nicht auf Anhieb erschließt, den Aha-Effekt hat man erst viele Seiten später.
      Generell finde ich, dass der Handlungsüberblick auf Seite 5 etwas konkreter sein sollte und klarer Ross und Reiter genannt werden sollten, wer also konkret hinter allem steht. Das sollte meiner Aufassung immer direkt gesagt werden, es geht ja hier nichts spannenden Lesestoff, sondern darum alles für die Spielleitung möglichst Übersichtlich darzustellen.

      Beste Grüße
      Engor

      Like

      1. Ah ja, habe mir die Stelle naoch mal angeschaut und ich denke ich weiß was du meinst. Ja da kann man die einzelnen Parteien und vor allem Personen mit Hintergründen und Motivationen noch mal etwas besser aufführen. Wie gesagt, wenn man nachher alles zusammenschreibt sind einem als Autor Dinge oft klar, die man dem Leser aber besser noch mal genauer erklären muss, weil er ja nicht schon Stunden mit der Geschichte zugebracht hat. Und bei sowas bin ich auch voll bei dir, ich finde es eigentlich immer gut die wichtigsten Sachen für das Abenteuer am Anfang als Spielleiter präsentiert zu bekommen und kein großes Geheimnis erst beim Lesen des Abenteuers zu erfahren.

        Like

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s