Rezension: Saltatio Mortis: Finsterwacht

Vorbemerkung: Ich habe in den vergangenen Jahren schon recht viel rezensiert, Spielhilfen und Abenteuer sind ja quasi mein „Kerngeschäft“, Romane ebenso. Im Laufe der Zeit sind dann auch aus meiner Sicht „exotischere“ Sachen wie Brett- und Kartenspiele, ein Comic und sogar ein Klemmbausteine-Schiff dazugekommen. Musik gehört auch eher zu den Bereichen, von denen ich maximal rudimentär Ahnung habe. Trotzdem komme ich aktuell wohl kaum um eine Beschäftigung mit Finsterwacht, dem Konzeptalbum von Saltatio Mortis herum, auch weil ich es als wichtiges Produkt empfinde, gerade weil es eine andere Klientel als Rollenspieler erreicht. Trotzdem werde ich naturgemäß eher aus der Warte eines Rollenspielers agieren, eine Besprechung aus musikalischer Sicht wird sicherlich an anderen Stellen im Netz von profunderen Menschen vorgenommen werden.

I. Inhalt

Insgesamt enthält die CD 11 Tracks, von denen 6 von Saltatio Mortis allein sind und bei weiteren 5 andere Künstler mit der Band kooperiert haben. 9 davon sind in Deutsch gehalten, 2 in Englisch. Der CD liegt ein Booklet bei, das alle Texte in schriftlicher Form zur Verfügung stellt.

Der mit Abstand längste und auch titelgebende Song ist Finsterwacht. Hier gibt es eingangs eine eingelesene Passage, in der die Wächter der Finsterwacht vorgestellt werden, die das Land gegen die Orks verteidigen. Entsprechend der martialischen Kampfthematik ist das Lied in vielen Passagen sehr dynamisch und im Klang sehr episch. Im Text geht es um Opferbereitschaft und Heldenmut. Begleitend dazu wurde ein extrem aufwändiges und optisch sehr professionelles Video erstellt, in dem die Band als Wächter der Finsterwacht agiert. Einige Passagen des Videos unterstützen die Wirkung der Songs noch, z.B. wenn ein gemeinsamer Durchhalteschwur von den letzten Überlebenden  gesungen wird.

Schwarzer Strand thematisiert vor allem den Umgang mit dem Tod bzw. den entsprechenden Übergang. Unterstützt durch die Band Faun finden sich hier auch weibliche Stimmen. Die Klänge sind hier deutlich ruhiger, wenn auch dynamischere Stellen vorhanden sind, vor allem, wenn die Frage gestellt wird, wie es ist fortzugehen. Im Ganzen ist es sicherlich der nachdenklichste Song der CD.

Vogelfrei hat dem Titel gemäß eine sehr anarchische Thematik, indem die Perspektive einer Räuberbande eingenommen wird, die ihre Verachtung der Obrigkeit kundtut und ihr Leben frei von Zwangen anpreist. Die Strophen sind oft von einer Art Wechselgesang geprägt, indem der Vorsänger einige Zeilen voranstellt und er dann mehrstimmig ergänzt wird.         

Grimmwulf ist ein rein instrumentales Stuck, das sehr ruhig angelegt ist und mit eher tragenden, orchestralen Klängen arbeitet.

Der Himmel muss warten schließt thematisch an Vogelfrei an und thematisiert vor allem Verlust und Unterdrückung, allerdings wird dem jeweils mit der Entschlossenheit begegnet, sich davon nicht unterwerfen zu lassen bzw. das Positive darin zu sehen, z.B. dass die Konsequenz des Verlust des Augenlichts ist, dass man nie wieder weinen muss oder man ohne Hände nicht mehr schuften muss. 

Aurielia stellt eine konkrete Person in den Vordergrund: Dabei wird die Hexe Aurelia besungen, an die das lyrische Ich sein Herz verloren hat. Stilistisch ist das Gedicht sehr viel leichtgängiger als die anderen Lieder des Albums, mit einem ausgesprochen fröhlichen Ton und einigen Zweideutigkeiten.

We might be giants ist einer von zwei englischsprachigen Songs. Genau wie Finsterwacht ist der Soundteppich sehr schnell und episch angelegt und mit mehr Metal-Anteilen versehen. Hier wird das Potential von Menschen betont, indem ständig auf „might“ als Möglichkeitsform verwiesen wird und eine Bandbreite von Schicksalsoptionen aufgeworfen werden (ein Dasein als Hero, Fool, Giant oder King).

Feuer und Erz besingt das Dasein der Zwerge, wie diese tief unter den Bergen leben. Tonal wechselt das Lied zwischen melancholischen, ruhigeren Phasen und umgekehrt einem Refrain, der sehr wuchtig im Gesang und der musikalischen Untermalung gehalten ist.       

Genug getrunken ist ein Trinklied, das im Gegensatz zu dem, was der Titel vermuten lässt, ein ziemlich exzessives Besäufnis beschreibt, indem Trinken als Vorstufe zu Saufen verwendet wird. Dies wird in Teil sehr originellen Metaphern geschildet, z.B. „Heute werden wir die Helme blau lackieren, einen in die Rüstung bürsten“. Auch hier dominiert in der musikalischen Untermalung ein schneller Sound, während der Gesang ruhiger gehalten ist.

Carry me, das zweite englische Lied, beschreibt in doppelter Hinsicht einen Abschied, zunächst den von der Heimat aus der Sicht des Kriegers, später den vom Leben, wenn diese Unternehmung offenbar scheitert. Das Lied hat vor allem düstere und mystische Begleitung erhalten, wird im Refrain schneller, während die Strophen ruhiger gehalten sind.    

Oh treues Herz thematisiert ebenfalls den Abschied, allerdings hier aus der Perspektive der zurückbleibenden Person, die nicht erwartet, den geliebten Menschen wiederzusehen. Auch hier sind Gesang und Musikuntermalung eher melancholisch gestaltet.

II. Kritik

Ich will es auch hier nochmal eingangs betonen: Musik ist definitiv nicht meine Kernkompetenz, beispielsweise habe ich beim Anhören des Albums immer wieder festgestellt, dass es mir extrem schwer fällt, einzelne Musikinstrumente voneinander zielsicher zu unterschieden. Und im speziellen ist Mittelalter-Rock dann nochmal ein Genre, mit dem ich mich bislang so gut wie gar nicht beschäftigt habe. Also kann ich das beim besten Willen nicht bewerten, sondern muss mich in dieser Hinsicht eher mit meinem bloßen Geschmackseindruck begnügen.

Und hier gefällt mir das Album wirklich gut, auch weil es inhaltlich und tonal sehr unterschiedliche Elemente abwechslungsreich einbringt. Es gibt episch/bombastische  (Finsterwacht/We might be giants), melancholische (Oh treues Herz/Schwarzer Strand) und auch unbeschwert fröhliche Titel (Aurelia/Genug getrunken). Thematisch werden gleichermaßen Krieg, Tod, Feiern, Abschied und Gegensätze von Freiheit und Unfreiheit aufgegriffen, was natürlich gerade auch zu einen Schwerpunkt Fantasy/Mittelalter passt. Was man in vielen Stellen zudem eindeutig verspürt, ist der hohe Produktionsaufwand, das gilt für die begleitenden Videos, aber auch für die musikalische Machart, indem die Lieder zum Teil von einem ganzen Orchester begleitet werden, was für den Gesang eine sehr tragende Wirkung hat.

Naturgemäß gefällt mir nicht jedes Lieb gleich gut, den nachhaltigsten und stärksten Eindruck hinterlässt bei mir eindeutig Finsterwacht mit seinen epischen Klängen, während Feuer und Erz meine Vorstellung von Zwergen und deren Dasein sehr gut einfängt. We might be giants hingegen nimmt mich weniger mit, ist zwar im Klang auch sehr episch, führt bei mir aber zu eher allgemeinen Assoziationen, während Finsterwacht in dieser Hinsicht griffiger und konkreter ist, weil es in eine Geschichte eingewoben ist. Ausgesprochen witzig und gelungen empfinde ich dafür Genug getrunken, gerade auch weil ich den Text für ein reines Trinklied als überraschend originell wahrnehme.

Wenn ich dann den Hut des DSA-Rezensenten aufsetze, muss ich natürlich zunächst einmal feststellen, dass man Aventurien konkret nur eher rudimentär wiederfindet, einige wenige Beispiele dafür wären die Übernahme der Finsterwacht in den Titel, also dass die Wachsituation am Finsterkamm augenommen und thematisch umgesetzt wurde, zudem wird Rondra erwähnt. In Feuer und Erz könnten zwar genauso die Zwerge anderer Fantasywelten besungen werden, allerdings ist im Text die Rede von einem Felsspalter oder dem Bund auf Ewig. Das Intrumentalstück Grimwulf wurde nach dem Räuber und Waldläufer Grimwulf dem Grünen benannt, der nahe der Finsterwacht u.a. als Orkjäger bekannt ist. Aurelia wird außerdem als Rabenhexe beschrieben. Somit sind Referenzen zwar vorhanden, aber eben in überschaubarer Form. Aus meiner Sicht ist das aber als erkennbare Verbindung durchaus ausreichend und generell halte ich es für nachvollziehbar, dies klar zu reduzieren. Immerhin muss man davon ausgehen, dass eine bekannte Band, die deutlich mehr Fanresonanz als DSA hat (allein der Youtube-Kanal hat über 200.000 Follower), nicht davon ausgehen kann (und darf), dass ihre Fans allesamt mit DSA oder Rollenspiel allgemein vertraut sind. Somit verstehe ich, dass man die Songs nicht mit zu vielen Begriffen und Sachverhalten überfrachten will, die Spezialwissen erfordern bzw. Kontextwissen beinhalten. Somit ist das meiste hier eben sehr allgemein gehalten. Trotzdem lässt sich vieles ohne große Widersprüche nach Aventurien transportieren.

Dies findet sich auch in der Verbindung zu den anderen Produkten der Box wieder, wenn Saltatio Mortis dort fiktionalisiert als Spielmannsgruppe Totentanz unterwegs ist und dort auch Bezug auf die Lieder des Albums genommen wird und man wegen obrigkeitskritischer Lieder wie Grimwulf oder Der Himmel muss warten in Schwierigkeiten gerät. Gerade solche Titel kann man sich gut in einem Übertrag nach Aventurien vorstellen, wenn das einfache Volk Vergnügen daran findet, dass die (Un-)Taten der Adeligen angeprangert werden, gleiches gilt für ein Trinklied wie Genug getrunken, das auch gut in einer aventurischen Taverne zur Unterhaltung beitragen könnte. Gleichermaßen untermalen Lieder mit ernsten Schwerpunkten wie Finsterwacht oder Oh treues Herz die düstere Stimmung in den Wachtürmen der Finsterwacht, die von den dortigen Einwohnern teils unter großen Opfern verteidigt werden.

III. Fazit

Finsterwacht hat mich als Album sehr gut unterhalten, überzeugt sowohl durch eine sehr professionelle Machart als auch thematische Vielfalt. DSA und Aventurien findet man im Ganzen eher rudimentär, was ich allerdings für nachvollziehbar halte, wenn man kein reines Spezialpublikum ansprechen will, gerade von den Inhalten her lassen sich viele der Lieder auch ohne exakte Begrifflichkeiten gut nach Aventurien transportieren. Auf eine abschließende Punktewertung verzichte ich allerdings aufgrund mangelndem musikalischen Detailwissen.         

2 Kommentare

  1. Sehr durchwachsenes Album. „Finsterwacht“ ist ein großartiger Epos. Viele andere Songs bewegen sich auf dem Niveau von in 2008 hängengebliebener Pro7-Schlagermusik für alt gewordene Mittelalter-Markt-Besucher á la Santiano. Besonders der „Aurelia“-Track ist leider fast schon peinlich. Dass das Album selbst als „Konzeptalbum“ beworben wird ist glatt gelogen. Keiner der Songs hängt inhaltlich miteinander zusammen und auch musikalisch werden keine Motive wieder aufgegriffen, wie es für die Definition „Konzeptalbum“ nötig wäre. Das „Konzept“ existiert durchaus – Nämlich in Form der Verbindung von Roman, Abenteuer, dem Video und dem Titelgebenden „Finsterwacht“-Song – Der einzige Song, der wirklich zum „Konzept“ passt. Der Rest des Albums ist einfach nur eine Zusammenstellung irgendwelcher Saltatio Mortis-Songs ohne dass es auch nur die Spur eines roten Fadens gäbe.

    Alles in Allem ist das Gesamtprodukt der Finsterwacht-BOX dennoch großartig – Aber vor allem die Inhalte, die auf Seiten der DSA-Redaktion entstanden sind. Rein musikalisch betrachtet wird letztendlich einfach nur deutlich, dass das Ganze hauptsächlich ein gutes Marketing-Produkt ist, bei dem die Chance für ein echtes Konzeptalbum verschenkt worden ist. Im Übrigen wäre es ein Leichtes gewesen, viel mehr DSA-Bezüge einzubringen ohne die Mainstream-tauglichkeit zu verlieren. Es ist aber überdeutlich, dass 10 von 11 Songs bereits konzipiert waren, bevor die Kooperation mit DSA entstand und dann im Nachhinein noch schnell ein paar aventurische Begriff wie „Rabenhexe“ oder „Felsspalter“ in die Texte einzufügen um im Zweifel DSA-Bezüge aufweisen zu können.

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    1. Der letzte Abschnitt ist so ziemlich das Gegenteil von dem, was die an dem Projekt Beteiligten sagen. Und ich glaube denen, dass alles in den 5-6 Monaten aus sich heraus entstanden ist. Es waren ja anfangs sogar nur 3 oder 4 Songs überhaupt angedacht, aber es wurden immer mehr. Ich empfehle, die Track by Tracks-Videos, die Podcasts und Interviews zu sehen und zu hören. Ob jetzt Grundideen für einzelne Songs auch vorher schon bestanden, sei mal dahingestellt. Dazu wurde bisher nie etwas gesagt. Den Wunsch zu diversen Kooperationen mit den Beteiligten Bands bestand schon lange, allerdings hätten sie selber nicht gedacht, dass die alle für das Projekt zusagen.

      Das „Konzept“ ist übrigens die Vertonung der zugrundeliegenden Burgentour, die durch das Projekt auch in Aventurien stattfindet und aus dem alles entstanden ist.

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