Rezension: Heldenschwur

Vorbemerkung: Manche der älteren DSA-Sachen finden ihren Weg auf unerwarteten Pfaden zu mir. Dies gilt unter anderem für den Roman Heldenschwur von Johan Kerk, der bereits 1998 erschienen ist. In meinen Besitz geraten ist er durch eine Zusendung von Kai Frerich, als Preis für meine Teilnahme an seinem Abenteuerwettbewerb. Und wenn so ein altes Schätzchen schon in meine Rezensionsgriffel gerät, dann ist es natürlich Ehrensache, nach der Lektüre auch eine Besprechung vorzunehmen.

In Zahlen:

– 302 Seiten

– Preis: 12,95 DM(!)

– Erschienen 1998

I. Inhalt

Der Roman beginnt mit der Ankunft eines Beilunker Reiters auf der Burg des Barons Baldur von Vahrenfels. Nach dem tragischen Tod von Frau und Kind führt dieser seit vielen Jahren ein sehr zurückgezogenes Leben, vor allem in alte Folianten in seiner Bibliothek versunken. Dies ändert sich allerdings, als der Bote ihm einen Brief des Königs von Andergast bringt, verbunden mit dem Losungswort Kaiserstein. Tatsächlich reißt dies Baldur sofort aus seiner Lethargie und bringt ihn dazu, noch am selben Tag die Burg zu verlassen.

Das Motiv für diesen überhasteten Aufbruch bleibt für die Lerser*innen lange sehr vage, man erfährt zunächst lediglich, dass der Baron eine bewegte Vergangenheit als Abenteurer hatte und zusammen mit seinen Gefährten als Die heroischen Vier bekannt war. Und genau diese Vergangenheit holt ihn und seine Freunde jetzt ein, in Form einer letzten Queste, um ein ungelöstes Problem zu Ende zu bringen, das verbunden ist mit dem titelgebenden Heldenschwur.

Somit nimmt die erste Hälfte des Romans die Zusammenführung der alten Heldengruppe ein, die sich seit 15 Jahren nicht mehr gesehen haben und somit steht Baldur u.a. vor der Herausforderung, die anderen zu finden. Dabei handelt es sich um das aufschneiderische Schlitzohr Boromir, den hünenhaften Kämpfer Orgon und den besonnenen Thorben. Letzterer hat als einziger einen bekannten Aufenthaltsort, da er sich als erster aus dem Abenteurerleben zurückgezogen und eine Familie gegründet hat. Baldurs Reise weist dementsprechend einige Überraschungen auf, denn alle haben sich in den Jahren der Trennung merklich verändert und die Zeit hat es teilweise nicht gut mit ihnen gemeint. Das stellt natürlich auch in Frage, ob sie noch in Lage sind, sich einer großen Gefahr zu stellen. Ein Antrieb ist die Existenz von 4 merkwürdigen Ringen, die alle vier tragen und die sich nicht abnehmen lassen, zumindest nicht, bis sie die unvollendete Mission aus der Vergangenheit bewältigt haben. Dazu gilt es allerdings, sich noch einmal nach Andergast zu wagen, wo man spürt, wie sich das Land auf unnatürliche Weise verändert. Allerdings sind sich Baldur und seine Freunde sicher, dass sie genau wissen, was sie dagegen unternehmen können.

II. Figuren

Im Fokus stehen Die heroischen Vier, bei denen eben die Besonderheit ist, dass es sich um eine in die Jahre gekommene Heldengruppe handelt, deren beste Zeiten eigentlich schon lange vorbei zu sein scheint. Baldur als der ehemalige Anführer ist durch die Schicksalsschläge der Vergangenheit verbittert und verschlossen geworden. Boromir hingegen schlägt sich immer noch mit kleinen Betrügereien durch, die auf ihren aufgebauschten Heldengeschichten basieren. Orgon hingegen hat nie im normalen Leben Fuß gefasst und mit dem Alkohol als persönlichem Dämon zu kämpfen. Einzig Thorben scheint sein Glück gefunden zu haben mit seiner Frau Leira und seiner quirligen Tochter Fianna, die unbedingt auch ein Leben als Abenteuerin führen will. Gemein ist allen die gemeinsame Bindung an ihren alten Schwur, an den sie durch die Ringe, die sich nicht von ihren Fingern entfernen lassen, erinnert werden.

III. Kritik

Im Prinzip trifft die Grundgeschichte von Heldenschwur bei mir einen narrativen Nerv. Ich mag solche Geschichten, in denen alte Freunde sich für ein letztes Abenteuer wieder zusammenschließen oder solche Rekrutierungsgeschichten, in denen eine Gruppe sich langsam zusammenfindet. In dieser Hinsicht finden sich bekannte Grundmuster wieder, wie sie z.B. schon in der klassischen Abenteuerliteratur oder in Filmen verwendet werden, z.B. in Alexandre Dumas 20 Jahre danach oder im Western-Klassiker Die glorreichen Sieben (tatsächlich sind das auch mehr als offenkundige Vorlagen für diesen Roman).

Somit ist das, was ich durchaus überzeugend finde, vor allem die Figurenebene. Die eigentlich gebrochenen Helden sind durchweg sympathisch: Das gilt für den besonnenen, aber melancholischen Baldur, der als Anführer die moralische Seite verkörpert, da er als einziger nicht an der alten Verpflichtung zweifelt. Ähnliches erkennt man beim Muskelpaket Orgon, der den Typus verkörpert, der zwar im Heldenleben zu außerwohnlichen Taten fähig ist, aber am Aufbau einer bürgerlichen Existenz gescheitert ist und in die Alkoholsucht abgedriftet ist. Meine persönliche Lieblingsfigur ist aber das Schlitzohr Boromir, der mit seinen Betrügereien seinen Lebensunterhalt bestreitet und dabei als begnadeter Aufschneider agiert. Seine Einführungsszene, als er sich in einem Vinsalter Nobelrestaurant mit einem körperlich stark überlegenen Thorwaler anlegt, ist aus meiner Sicht ein Höhepunkt des Romans.  Gänzlich unterschiedlich davon ist die junge Fianna konstruiert, die als junges Mädchen die Gruppe der alten Recken aufbricht und um Anerkennung kämpft.

Mit dem gelungenen Charakterensemble leider überhaupt nicht mithalten kann die Dramaturgie des Romans. Das liegt unter anderem an dem sehr vage und grob beschriebenen eigentlichen Auslöser der Krise. Was dort genau in Andergast (bereits zum zweiten Mal aus Sicht der Gruppe) geschieht, ist recht diffus. Welcher Dämon genau die dortigen Unwetter auslöst und woher dieser seine Macht bezieht, ist kaum nachvollziehbar, desgleichen, warum dies mit einer längst untergegangen Stadt verbunden ist. Hier hätte man im reichhaltigen DSA-Hintergrund – auch damals schon vorhanden, 1998 war DSA immerhin bereits 15 Jahre alt – besser herleiten können. So wirkt hier dann doch einiges eher wie in einer generischen Fantasy-Story.

Zudem sind auch Logiklücken vorhanden, z.B. wird gesagt, dass die Helden nach dem Verlassen von Andergast an einem Findling, dem sogenannten Kaiserstein, den gemeinsamen Schwur ausgesprochen haben, sich dereinst wieder zu treffen, wenn das Böse zurückkehrt. Somit ergibt die Parole untereinander vielleicht einen Sinn, es bleibt aber völlig unklar, wieso der König von Andergast davon weiß und seine Nachricht damit unterlegt. Ganz generell ist der abschließende Part in Andergast eher grob ausgestaltet, die Suche Baldurs nach seinen alten Gefährten wird deutlich gründlicher geschildert. Das Finale ist dann zwar durchaus effektreich und hat auch eine gewisse Tragik/Dramatik, hier fehlen aber aus meiner Sicht noch einige Seiten, um die Geschichte sauber auszuerzählen.

IV. Fazit

Heldenschwur verfügt vor allem über eine sympathische Gruppe von Hauptfiguren, die ihre besten Jahre eigentlich hinter sich hat. Das Zusammenfinden der alten Recken ist durchaus unterhaltsam, die Dramaturgie der eigentlichen Geschichte um eine alte Bedrohung hingegen kann nicht überzeugen und ist sehr grob und generisch erzählt.                             

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