Rezension: Aventurische Würfelspiele

Vorbemerkung: Langsam wird es Zeit, ein paar Produkte anzugehen, die schon seit Längerem in meinem Regal stehen und noch einer Rezension harren. Dazu gehört u.a. das bereits Ende vergangenen Jahres erschienene Aventurische Würfelspiele von Christian Lonsing, Diana Rahfoth und Ariane Willumeit. Ein Spieleabend am Wochenende ergab für mich die Möglichkeit, ein paar der beinhalteten Spiele einmal etwas auszutesten, worauf ich bislang noch gewartet hatte. Wie immer bei Gesellschaftsspielen, die für DSA produziert werden, ist für mich v.a. die Frage relevant, ob man denn wirklich auch aventurisches Flair verspürt oder ob es sich einfach nur um irdische Entlehnungen handelt.

In Zahlen:

– 1 Regelheft (32 Seiten)

– 19 Würfelspiele (teils in mehreren Spielvarianten)

– 20 Würfel

– 84 Münzplättchen

– Preis: 29,95 Euro

– erschienen am 29.12. 2023

I. Inhalt

Die kleine Box besteht aus einem Regelheft, in dem die einzelnen Würfelspiele erläutert werden, sowie 20 Holzwürfeln und einem Tütchen mit Pappmünzen, die Kreuzer, Heller und Co. darstellen sollen, um Einsätze leisten zu können.

Den wesentlichen inhaltlichen Kern bildet natürlich das Regelheft. Dieses stellt die einzelnen Spiele vor, wobei insgesamt 19 Spiele zusammengekommen sind, für die aber teilweise noch zusätzliche Spielvarianten existieren. Dazu wurde eine Unterteilung in Oberkategorien vorgenommen, indem zwischen einfachen Würfelspielen,  Punktsammelspielen, Pyramidenspielen, Geschicklichkeitsspielen, Taktikspielen und Bietspielen unterschieden wird. Oft werden die entsprechenden Absätze mit einem Ingame-Zitat eingeleitet, in denen das Spiel oder die jeweilige Spielweise thematisiert wird. Folgend werden die überwiegend sehr einfachen Regeln erläutert. Bei vielen Spielen werden zudem auch Varianten hinzugefügt, die zumeist etwas mehr Komplexität oder Spieldauer erzeugen sollen. So gilt es beispielsweise bei dem Spiel Die böse Eins zunächst einmal nur, das Würfeln einer Eins zu vermeiden, in der Variante Die magische 343 muss dann aber noch eine bestimmte Zielsumme erreicht werden.

II. Kritik

Wenn man klassisches Rollenspiel betrachtet, so finden sich mit Sicherheit überproportional häufig Situationen, in denen die Heldengruppe beisammensitzt, z.B. in der fast schon legendären Einstiegsszene in der Taverne, die die Anbahnung initiiert, also den Moment, in dem unverhofft ein Auftrag an sie herangetragen wird. Und es gibt nicht wenige Spielgruppen, die gerade dieses Beisammensein auch sehr intensiv ausspielen wollen, auch um ihre Charaktere mit noch mehr Leben und eigenständigen Facetten auszustatten. Aus dieser Warte heraus ist der Gedanke, Mittel zu finden, mit denen man solche Situationen unterstützen/weiter ausgestalten kann, durchaus naheliegend und hier kann eine solche aventurische Spielesammlung ein legitimer Ansatzpunkt sein. Ob man dann individuell dafür ein Bedürfnis hat oder nicht, ist dann eine Frage, die Spieler*innen für ihre Charaktere/Gruppen selbst beantworten müssen.

Deutlich kritischer sehe ich allerdings die Frage, ob man dazu – also zur Materialunterstützung z.B. für einen Tavernenabend – genau diese Sammlung braucht, um mehr Immersion zu erreichen. Und an der Stelle fällt mein Urteil eher negativ aus. Die Ingame-Zitate sind sicherlich eine nette Idee und liefern Anregungen, wie man die Spiele in Aventurien verwenden kann. Wenn man sich dann allerdings die konkreten Einzelspiele anschaut, dann sehe ich ehrlich gesagt relative wenig originelle Ideen oder eine vertiefende Begründung, warum diese Spiele viel besser nach Aventurien passen als jedes beliebige irdische Würfelspiel. Der Komplexitätsgrad ist ja in der Regel so angesetzt, dass es – wie bei den meisten Würfelspielen – um den reinen Spielmechanismus und kompetitive Elemente geht, also darum, eine möglichst spannende Kombination aus Geschick/Taktik und Glück (denn das bringt der Würfel ja immer mit sich) zu erzeugen, es gibt kaum eine Geschichte dahinter. Dadurch, dass Münzen und Würfel generisches Spielmaterial sind, wirken auch die Spiele alle eher beliebig. Das bedeutet nicht, dass sie nicht unterhaltsam sind oder man damit keinen Spaß haben kann. Ich sehe aber schlicht überhaupt keinen Mehrwert, warum man genau diese Spiele benötigt, um damit einen Ingame-Tavernenabend anreichern zu können. Bis auf wenige Bezeichnungen, z.B. indem man im Spiel Heldenreise eine bestimmte Würfelkombination Eishexe Glorana nennt, gibt es nichts, was jetzt irgendwie einen authentischen Hintergrund hinzufügt, die Spiele sind in der Regel Varianten von bekannten Würfelspielen, z.B. gilt es in Die böse Eins einfach nur, das Würfeln einer Eins zu vermeiden und stattdessen hohe Würfe zu sichern, wobei man taktisch entscheiden muss, wann man mit dem Würfeln aufhört und an die Konkurrenten übergibt. Von den Spielhinhalten wirkt es auf mich letztlich nicht anders als die Würfelspielsammlungen, die viele Familien ohnehin im heimischen Regal liegen haben, der einzige Unterschied liegt lediglich in den Ingame-Texten und ein paar Bezeichnungen in den Spielregeln sowie in dem schönen Tokala-Cover der Box.

Dafür würde mir eine normale Würfelsammlung absolut reichen, v.a. kann man eine solche auf für gut ein Drittel des hier aufgerufenen Preises erhalten. Mir ist klar, dass ein Verlag bei Ulisses bei seiner Preisgestaltung auch immer die anderen Stückzahlen berücksichtigen muss im Vergleich zu großen Spielefirmen (zumal Gesellschaftsspiele nicht der originäre Markt von Ulisses sind). Somit hat der Preis von 30 Euro wirtschaftlich aus Firmensicht sicherlich seine kalkulatorische Berechtigung. Aus Kundensicht allerdings sind für mich 30 Euro für ein kleines Anleitungsheft, die Holzwürfel und Pappplättchen viel zu viel, hier sehe ich ganz simpel den Gegenwert nicht. In dem Kontext stört mich auch, dass das Anleitungsheft weder ein Inhaltsverzeichnis noch Seitenzahlen hat, einen solchen Mindeststandard erwarte ich bei einem solchen Preis schon. Die Pappplättchen sind für meinen Geschmack zudem viel zu klein und fummelig, die Holzwürfel haben auch eine sehr einfache Machart, noch nicht einmal eine DSA-Prägung auf der 1 oder 6, wie man es sonst gewohnt ist.  

Das soll umgekehrt keineswegs bedeuten, dass man nicht verspürt, dass hier Arbeit hineingeflossen ist, das Anleitungsheft ist gut geschrieben, die Kategorie-Unterteilung der Spiele ergibt Sinn und mit den einzelnen Spielen kann man sich auch kurzweilig unterhalten. Meine Kritik geht eher in die Richtung, dass es für mich kein sinnvolles Ergänzungsprodukt zum Rollenspiel ist, so wie es aus meiner Sicht eigentlich gedacht sein sollte. Was ich mir an der Stelle gewünscht hätte, wären z.B. andere Mechanismen, z.B. durch andere Würfelsymbole (mit solchen Sets hat Ulisses doch gerade sehr viel Erfahrung) und viel mehr Einbau von aventurischen Begebenheiten in den Regeln und Beschreibungen.     

III. Fazit

Aventurische Würfelspiele ist mir in seinen Inhalten viel zu generisch, die Spiele sind reine Varianten von irdischen Würfelspielen, echtes aventurisches Flair kommt dabei nicht auf. Die Preisgestaltung kann ich zwar aus Sicht einer eher kleineren Firma mit geringen Produktionschargen nachvollziehen, als Kunde hingegen erscheint sie mir absolut nicht angemessen für das, was man im Gegenzug erhält. Davon abgesehen kann man mit den Würfelspielen für sich natürlich durchaus seinen Spaß haben.

Bewertung: 2 von 6 Punkten     

6 Kommentare

    1. Dagegen spricht ja auch nichts, mein Problem ist die Summe der Spiele, die nach meinen Eindrücken letztlich kaum Unterschiede zu herkömmlichen irdischen Würfelspielen aufweisen. An der Stelle hätte ich schlicht mehr erwartet.

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  1. Lieber Engor, danke für diese detaillierte Rezension, die meine Vermutung nun bestätigt hat: ein überteuertes Produkt ohne wirklichen Zusatznutzen am Spieltisch. Was aber auch egal ist, da die Sammler ohnehin alles ungesehen kaufen.

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    1. Eigentlich halte ich mich aus Preisdiskussionen eher raus, bei den Printbänden finde ich das schwierig zu bewerten. Hier bin ich allerdings ganz eindeutig der Meinung, dass der Gegenwert der Boxinhalte nicht dem entspricht, was als Preis dafür aufgerufen wird.

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  2. wollte zwischendurch mal ein Danke für deine Rezis da lassen. Wissend wieviel Energie und Herzblut von Diana in dieses Produkt geflossen ist hatte ich etwas mehr Text und Aventurien-Bezug erwartet – vielleicht brauche ich die Box doch nicht, wenn ich stattdessen auch ein halbes Hardcover kaufen kann.

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