Ein erster Blick in Mythen und Legenden

Vorbemerkung: Aventuria hat sich für mich in den letzten Jahren als eine sehr schöne Alternative zu DSA ergeben, vor allem wenn man eher Brettspiel-affin ist oder schlicht gerade nicht genügend Mitspieler*innen für einen Rollenspielabend hat. Das Spiel ist kurzweilig und die Macher Lukas Zach und Michael Palm sind ausgesprochen kreativ darin, immer wieder neue Impulse ins Spielgeschehen zu bringen. Nachteilig ist allerdings, dass Nachschub nur sehr unregelmäßig erscheint. Umso erfreulicher, dass nun das umfangreiche Crowdfunding Mythen und Legenden endlich versandt werden konnte, nachdem sich einige Verzögerungen ergeben haben, die aus der aktuellen Papierknappheit resultieren. Bevor ich in nächster Zeit die Einzelrezensionen vornehmen werde, möchte ich zunächst einen Überblick über den Paketinhalt geben.

Inhalt

Nach dem Öffnen des großen Versandkartons sind es insgesamt 5 Boxen unterschiedlicher Größe, die man zutage fördern kann. Dabei handelt es sich um die beiden Kernstücke des Crowdfundings, die Boxen Pfad der Legenden und Mythische Geschichten. Außerdem sind die beiden kleinen Heldenboxen Al´Anfanische Borongeweihte und Garether Doppelsöldner enthalten. Zuletzt ist durch die Schwarmfinanzierung noch die Mythen und Legenden Bonusbox entstanden.

Pfad der Legenden

Mit dieser Box soll es ermöglich werden, Aventuria im sogenannten Legendenmodus zu spielen, d.h. man soll die Held*innen deutlich mehr individualisieren können und sie auch Abenteuer für Abenteuer immer mehr verbessern können, als das bisher möglich ist. Zu diesem Zweck gibt es 491 zusätzliche Karten, die man im Legendenmodus nach und nach durch den Einsatz von Abenteuerpunkten erwerben kann, um sein Heldendeck schlagkräftiger zu gestalten. Aufbewahrt werden können diese in kleinen zusammenfaltbaren Kartenboxen, von denen 6 beinhaltet sind. Zusätzlich sind noch einige weitere Karten (Spezialfähigkeiten, Konsequenzkarten, Nachteilskarten, Schwierigkeits- und Herausforderungskarten) vorhanden, mit denen man den Legendenmodus ausgestalten kann. Neu sind auch die 16 Lokalitätsbögen, hierbei handelt es sich um Orte (z.B. einen Göttertempel oder eine Zwergenbinge), die man zwischen zwei Abenteuern aufsuchen kann, um dort ein sogenanntes Zwischenspiel stattfinden zu lassen. Dabei gibt es einen Text wie in einem Abenteuer und auch hier muss man gewisse Herausforderungen bestehen. Die einzelnen Details der Box werden durch ein 10seitiges Regelheft vermittelt.

Mythische Geschichten

Hier steht eine große Aufstockung an Material für den Abenteuermodus im Mittelpunkt. Die Veränderung stellen dabei die neuen Geschichtenregeln dar, die die Abenteuer in deutlich mehr Abschnitte unterteilen und die in einem kurzen Regelteil von 4 Seiten erläutert werden. Konkrete Abenteuer bietet dann der Abenteuerband Mythische Geschichten, der auf 196 Seiten 8 Abenteuer enthält. Dabei handelt es sich um 5 neue Abenteuer (in längerer Form die beiden DSA-Klassiker Unter dem Nordlicht und Der Streuner soll sterben, dazu die drei kürzeren Abenteuer Kampf um Ilsur, Die Schatzsucher und Drachenaugen) und 3 bereits bekannte, die für den Geschichtenmodus erweitert wurden (Das Erbe von Wildenstein, Der Wald ohne Wiederkehr, Das Schiff der verlorenen Seelen). Ergänzt wird dies um 220 Karten, die das Material für die Abenteuer (z.B. die Schergenkarten) hinzufügen. Mit der Soundtrack-CD Mythen und Legenden kann man mit 16 Titeln die Abenteuer auch musikalisch untermalen.

Die Heldendecks

Natürlich gibt es auch auf der Helden*innen-Seite neue Impulse: Beigefügt sind auch zwei kleine Boxen, die mit den Kartendecks für den Garether Doppelsöldner Geron Waisenmacher und die Al´Anfaner Borongeweihte Zefira Golgarez versehen sind. Neben den dazugehörigen Karten sind auch je zwei Heldenmarker (auch für die alternativen Geschlechtervarianten) und die Basis für den Lebenspunkte-Drehmarker enthalten.          

Mythen und Legenden Bonusbox

Die Mythen und Legenden Bonusbox beinhaltet zuletzt all das, was durch die Bonusziele des Crowdfundings entstanden ist. Dazu zählen unter anderem Marker für die 14 alternativen Geschlechterversionen sowie 220 Karten, die z.B. verschiedene Stufen für die Figuren darstellen können, aber auch einige Karten mit Regelerweiterungen, z.B. sogenannte Eigenschaftskarten oder Mauerschergen.  Auch hier gibt es ein kleines Heft mit 8 Seiten Erläuterungen. Für einige wenige Karten sind auch Veränderungen vorgenommen worden, so dass man diese Karten in bestehenden Decks austauschen kann.

Erster Eindruck

Grundsätzlich wirkt die Masse an neuen Karten erschlagend, immerhin sind addiert über 1000 neue Karten vorhanden und man ahnt auch schon, dass man erstmal einiges an Regelstudium vornehmen muss, immerhin sind nur die beiden Heldendecks so gestaltet, dass man sie ohne zusätzliche Erläuterungen direkt verwenden kann. Umgekehrt sind die Regelhefte allesamt lediglich ein paar Seiten lang, so dass zumindest das Grundverständnis relativ schnell zu erlangen ist. Trotzdem bleibt sich Aventuria damit schon auch irgendwie treu, es ist kein Spiel, in das man direkt reinkommt, es ist immer notwendig, sich neue Inhalte anzueignen. Allerdings hat sich das in der Vergangenheit immer als gut investierte Zeit entpuppt, wenn man das gegen den folgenden Spielspaß abwägt.

Besonders vielversprechend wirkt auf mich vor allem der fast 200 Seiten dicke Abenteuerband, nach wie vor halte ich den Abenteuermodus von Aventuria für dessen größte Stärke. 8 Abenteuer dürften für eine ganze Menge Spielabende Futter bieten. Dabei freue ich mich natürlich insbesondere auf die beiden neuen Klassiker-Umsetzungen Unter dem Nordlicht (im Rollenspiel von den Klassikern einer meiner Favoriten) und Der Streuner soll sterben. Die Konvertierungen der alten Rollenspielabenteuer haben sich für ein kampflastiges Kartenspiel bisher als gute Idee erwiesen, da hier Brüche zum modernen Aventurien wenig ins Gewicht fallen. Gespannt bin ich auf den Geschichtenmodus, der offenbar dafür sorgt, dass die Abenteuer umfangreicher und verzweigter werden. Hier ist sicher die Frage interessant, ob das den Wiederspielwert deutlich erhöht, wenn man im ersten Durchlauf nicht alles erlebt hat.

Bei den beiden neuen Figuren halte ich es vor allem für wichtig, dass sie sich gut in das bestehende Ensemble einfügen bzw. dieses um neue Facetten erweitern. Der Doppelsöldner erscheint in dieser Hinsicht eher konventionell, während Zefira Golgarez die bislang eher spärlich besetzte Riege der geweihten Figuren vergrößert. Etwas schade finde ich allerdings an dieser Stelle, dass sie – anders als die neuen Figuren beim vorherigen Crowdfunding Nedime und Borbarad – diesmal keine dazugehörigen, auf sie und ihre Fähigkeiten angepasste Abenteuer erhalten haben.

Das große Fragezeichen stellt für mich die Pfad der Legenden-Box dar. Hier bin ich noch nicht sicher, ob das Konzept für mich geeignet ist. Bisher habe ich an Aventuria immer zu schätzen gewusst, dass man zwar anfangs ein paar Regeln lernen musste, dann aber schnell losspielen kann und die Mechanismen grundsätzlich einfach sind. Vor allem habe ich mir oft wahllos eine Figur gegriffen und losgelegt. Nun kann man offenbar deutlich mehr Management-Faktoren einfließen lassen und seine Figur weiterentwickeln. Solches Deckbuilding ist für viele Spieler*innen sicher reizvoll, ich persönlich hoffe allerdings, dass es nicht zu viel Komplexität hinzufügt. Umgekehrt sehe ich auch schon beim ersten Blättern einige neue Möglichkeiten, die interessant klingen, z.B. die Lokalitätsbögen, die quasi kleine Abenteuer in sich darstellen.

Etwas kritisch sehe ich genau wie beim vorherigen Crowdfunding die Größe der Boxen. Bei den beiden großen Boxen stehen Inhalt und Boxgröße wieder in keinem guten Verhältnis, da ist sehr viel Luft vorhanden. Es handelt sich natürlich beileibe nicht um Mogelpackungen, wie erwähnt ist da viel Inhalt, aber aus meiner Sicht sollte man gerade in den Zeiten, in denen bewusster mit Ressourcen umgehen müsste, schlicht etwas kleinere Boxen produzieren. Bei den drei kleinen Boxen ist das auch durchaus gelungen, die sind randvoll.

Wie geht es weiter?

Ich hoffe, dass es mir in nächster Zeit gelingen wird, die einzelnen neuen Möglichkeiten auszuprobieren. Vor allem würde ich gerne nach und nach die Abenteuer ausprobieren. Die werde ich aber nicht einzeln besprechen, sondern derzeit plane ich eher, vor allem eine Rezensionsreihe der Schwerpunkte durchzuführen (z.B. unterteilt in eine Besprechung der generellen Funktionsweise von Legendenmodus und Geschichtenmodus, der Abenteuer im Gesamteindruck und der beiden neuen Figuren). Das wird sicherlich eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen, auch weil die Abenteuer länger und komplexer aufgebaut sind.

Falls jemand zusätzlich ein paar visuelle Eindrücke von den Boxen gewinnen und noch ein paar andere Erstmeinungen erhalten möchte, verweise ich außerdem gerne auf den heutigen Abend. Im Fantalk von Hinter dem Auge werde ich mit Gernot und einigen anderen Gästen über unsere frisch erhalten Pakete sprechen.     

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