Rezension: König der Meere

 

Vorbemerkung: Das Folgende ist eine Rezension, auf die ich mich seit geraumer Zeit sehr freue, die mich aber gleichermaßen auch mit ein wenig Wehmut erfüllt. Denn König der Meere ist als Abschlussband der Phileasson-Saga auch ein Abschied. Der 12. Teil des Wettstreits beendet die extrem seitenstarke Romanserie von Bernhard Hennen und Robert Corvus. Somit gilt es, sich ein letztes Mal mit Beorn und Phileasson und ihren beiden Ottajaskos in ein Abenteuer zu stürzen. Die Reihe beinhaltet einen großen Hauptplot, der von den Zwölfen selbst gesteuert wird, daneben existieren aber noch viele Subplots, bedingt durch die große und mit der Zeit stark angewachsene Figurenriege. Das stellt diesen letzten Band auch vor die nicht geringe Aufgabe, all das, was sich zuvor als Geschichten angesammelt hat, zu einem befriedigenden Abschluss zu bringen. 

In Zahlen: 

– 12. und letzter Roman der Reihe 

– 784 Seiten 

– Preis: 17,00 Euro 

– Erschienen am 13.9. 2023 

I. Inhalt 

Auch der letzte Band beginnt mit einem längeren, gut 150 Seiten starken Prolog. Fast schon erwartungsgemäß widmet er sich einem Thema, das in den vergangenen 11 Romanen immer wieder aufgegriffen wurde und das auf der Beziehungsebene maßgeblich ist: der Ursache für den Konflikt zwischen Beorn und Phileasson, die ja von Beginn an als Feinde und nicht nur als einfache, sportliche Rivalen gezeichnet sind. Der Prolog versetzt beide dementsprechend wieder in ihre Jugend, konkret zum Zeitpunkt ihrer ersten Kaperfahrt. Diese steht von Anfang an unter keinem glücklichen Stern, verläuft die Fahrt unter dem Kommando der Hetfrau Bera Frenasdottir doch alles andere als positiv, als Bera bei einem Überfall auf die brabakische Niederlassung Porto Peleiston schwer verletzt wird und folgend ihre Beine nicht mehr benutzen kann. Zudem erweist sich die wichtigste Beute, eine große schwarze Perle, anscheinend als fluchbeladen, so dass man sich auf ständiger Flucht vor Feinden und dem Wetter befindet. Weitgehend unbeeindruckt davon bleiben allerdings die drei jüngsten Mitglieder der Schiffsbesatzung, Phileasson, Beorn und dessen Schwester Gilda Asgrimmdottir. Ihnen ist es sogar zu verdanken, dass es letztlich gelingt, einen scheinbar sicheren Zufluchtsort für die notwendig gewordene Überwinterung im Süden zu finden. Außerdem entwickelt sich zwischen Phileasson und Gilda eine Beziehung, teilen sie doch eine ausgeprägte Abenteuerlust, die sie von Beorn und seinem eher hierarchischen Ehrgeiz abgrenzt. Eine der Entdeckertouren von Phileasson und Gilda hat jedoch fatale Konsequenzen. 

Der Hauptteil setzt am Ende von Elfenkönig an: Fenvarien konnte endlich aus seiner Jahrtausende andauernden Gefangenschaft befreit werden. Doch diese lange Zeitspanne ist nicht ohne Folgen geblieben, der elfische Hochkönig hat seinen Verstand verloren. Die letzte Prophezeiung ist für beide Mannschaften dementsprechend einfach zu verstehen: Es gilt Fenvarien zu Niamh Goldhaar zu bringen, in der Hoffnung, dass die Lichtelfe ihn von seinen seelischen Qualen heilen kann. Dazu muss man den weiten Weg von Riva zum Silvanden Fae´den Karen auf sich nehmen, jenem mystischen Wald, in dem Niamh lebt. Wiederum sind die Ausgangsituationen unterschiedlich: Beorn scheint im Vorteil, denn er hat Fenvarien bei sich, zudem ist er bei strenger Auslegung der Bedingungen der Wettfahrt schon der Sieger, da er eine Aufgabe mehr gelöst hat und bei einem Unentschieden derjenige gewinnt, der zuerst wieder in Thorwal ankommt. Somit könnte er sich einfach gen Heimat wenden und Fenvarien und die finale Aufgabe Phileasson überlassen. Phileasson hingegen hat den leichten Vorteil, Niamh bereits kennengelernt zu haben und dort als Freund wahrgenommen zu werden, ist aber darauf angewiesen, dass Beorn auf sein Ehrgefühl hört und nicht den leichten Weg des Sieges wählt. 

Zunächst sind beide darauf erpicht, möglichst schnell voranzukommen, was wiederum zu sehr unterschiedlichen Lösungsansätzen führt, wobei sich immer wieder erweist, dass im dünner besiedelten Norden Aventuriens Fortbewegungsmittel, vor allem Pferde, schwer zu organisieren sind. Beorn kann dabei auf seinen immensen Reichtum setzen, während Phileasson auf viele alte Freunde trifft, die ihn unterstützen können, u.a. die alten Weggefährten Crottet, Sven Gabelbart und Nirka. Doch gleichermaßen wartet nun, nachdem die Ottajaskos sich wieder in Aventurien befinden, eine alte Gegnerin auf sie, die ihren Plan wieder aufnehmen will. 

Als Schicksalsort für die Fahrt erweist sich letztlich das eigentlich eher unscheinbare Norburg. Ab hier kommt es zu einer finalen Konfrontation, was sowohl für die Wettreisenden untereinander gilt, als auch für ihre Feinde, die den Abschluss der göttergewollten Queste mit allen Mitteln verhindern wollen. Diese letzte Auseinandersetzung stellt somit auch die ultimative Herausforderung dar, in der ein etwaiger Erfolg nur mit einem hohen Blutzoll errungen werden kann, bei dem weit mehr als nur der Wettstreit auf dem Spiel steht, sondern das Schicksal des gesamten Elfenvolks Aventuriens. 

II. Figuren 

Ein klarer Fokus liegt auf der Beziehung zwischen Beorn und Phileasson, die diesmal in einer sehr wechselhaften Perspektive gezeigt wird, indem zunächst ihre Jugendfreundschaft vorangestellt wird, die dann auch ihre jetzige Feindschaft motiviert. Beide werden als Ausnahmekönner gezeichnet, die aber in ihrer Herangehensweise völlig unterschiedlich sind, was aber in den seltenen Momenten der Kooperation eine große Stärke darstellt. 

Eine Schlüsselfigur des Abschlussromans ist zudem Fenvarien, der zunächst weiterhin völlig neben sich steht. Im weiteren Verlauf werden aber viele Stationen seiner Vergangenheit aufgesucht, die ihn in seinen verschiedenen Facetten zeigen und die ihm den Aufstieg zum Hochkönig erst ermöglicht haben. Ebenso relevant für das Ausgehen der Geschichte sind Niamh und Pardona, die auf ihre Weise entgegengesetzte Mächte darstellen, die Fenvarien auf ihre Seite ziehen wollen. 

Weiterhin werden haben auf den über 700 Seiten fast alle relevanten Gefährten ihre letzten Auftritte, in denen sie ihre persönlichen Handlungsbögen abschließen müssen. Dies endet in einigen Fällen sehr erfreulich, stellenweise aber auch sehr tragisch, indem im Dienste der höheren Sache nicht wenige ihr Leben lassen müssen. 

III. Kritik 

Gerade Letzteres ist es auch, was für mich die große Stärke von König der Meere darstellt. Nach so vielen Romane ist das keine x-beliebige Figurenriege mehr, sondern eine große Gruppe von individuellen Einzelcharakteren, die man auf einer langen Reise begleitet hat und deren Schicksal bedeutsam geworden ist. Beorn und Phileasson mögen die herausragenden Anführer sein, aber beide sind ebenso auf ihre Mannschaften angewiesen, in denen sich viele alte und neue Freunde befinden. So gibt es beispielsweise sehr starke Szenen, in denen sich die beiden zusammen mit ihren jeweils engsten Vertrauten einer schier ausweglosen Konfrontation stellen müssen (Phileasson und Ohm bzw. Beorn und Olav), wobei die altvertraute Interaktion etwas von alternden Westernhelden hat, die zu ihrem letzten Showdown gegen eine Übermacht antreten müssen. Ebenso wird das enge Verhältnis zwischen Vascal und Leomara thematisiert, indem Leomara mehr wie eine Gleichberechtigte behandelt werden will, da sie mehr erlebt hat als jede andere Elfjährige. Tylstir, Dolorita und Shaya hingegen hängen immer noch den Verlusten nach, die sie im Laufe der Reise erleiden müssten und die sie verändert haben. Diese Liste an unterschiedlichen Facetten ließe sich noch gefühlt ewig weiterführen. Seine größte Ausprägung erfährt dies im letzten Drittel des Romans, in dem alle ein finales, sehr individuelles Opfer erbringen müssen, was auf den jeweiligen Charakter und dessen Erfahrungen zugeschnitten ist.      

Bis zuletzt ein bestimmendes Thema ist aber die fundamental andere Herangehensweise beider Ottajaskos an Probleme. Besonders deutlich wird die ein weiteres Mal im Moment der finalen Konfrontation. Das letzte Gefecht von Beorn findet unter militärischen Gesichtspunkten statt, indem der gewiefte Stratege Beorn das Terrain genau analysiert und seine Leute gemäß deren Stärken aufstellt. Was sich daraus ergibt, ist eine veritable Schlachtplatte, die in der Imagination an einen harten Kriegsfilm erinnert und in der der gemeinsame, aufeinander abgestimmte Kampf existentiell ist, in einem Schema von Aktion und Reaktion auf das gegnerische Handeln.  

Phileassons Mannschaft hingegen setzt auf die Stärke der Gemeinschaft, in der wenig Raum für eine ausgeklügelte Taktik ist, sondern die über einen langen Zeitraum erworbene Vertrautheit und das Einstehen für die Freunde über allem steht. Auch wenn hier gleichermaßen ein hartes Kampfgeschehen beschrieben wird, hat das einen eher mystischeren Charakter, indem es mehr um die Werte geht, für die man einsteht. Gleich ist hingegen die Komponente der Opferbereitschaft, an Ende spielt nicht mehr der Wettstreit eine dominante Rolle, sondern ist nur noch schmückendes Beiwerk, in dem sowohl Beorn als auch Phileasson bereit sind, sich und ihre Mannschaft für das höhere Ziel zu opfern und sich dabei auf die absolute Loyalität ihrer Mitstreiter verlassen können.  

Interessant ist, dass dies eine Intensität hat, die nachwirkt, obwohl die Dimensionen eigentlich kleiner wirken als in vorhergehenden Romanen. Das Endgefecht ist kein großes Schlachtgetümmel, wie man sie auf den Nebelinseln mehrfach erlebt hat und man muss sich nicht mit gigantischen Monstern wie den Seeschlangen in Schlangengrab auseinandersetzen (obwohl eine Menge furchterregender Gegner aufgefahren werden). Eher wird auf eine andere Atmosphäre gesetzt, in der deutlich wird, dass es diesmal kein Schlupfloch gibt, durch das man durch den einen oder anderen Zufall noch hindurchschlüpfen kann, sondern dass im Verlauf des Romans immer deutlicher wird, dass es diesmal für alle um Leben oder Tod geht. Dramaturgisch wird dies durch einige Szenen bewirkt, in denen der Ernst der Lage durchaus nicht zimperlich aufgezeigt wird, z.B. durch den Tod einiger Mannschaftsmitglieder und durch teils sehr explizite Schilderungen von Folter und Demütigung. Ausschlaggebender Faktor hierfür ist natürlich auch das Wiederauftauchen von Pardona, die eine andere Gegnerkategorie darstellt, indem sie ja eher eine unbezwingbare Naturgewalt ist, die sich kaum aufhalten lässt bzw. dies nur unter großen Opfern stattfinden kann. 

Um viele Geschichten auserzählen zu können, die zu einem Abschluss gebracht werden sollen, ist die Seitenstärke des Romans sicherlich grundsätzlich angebracht. Trotzdem beinhaltet auch König der Meere einige Längen, die aus meiner Sicht nicht immer notwendig gewesen wären. Beispielsweise wird die dramatische Konfrontation am Ende unterbrochen durch eine längere Visionsreise durch die Vergangenheit Fenvariens. Hier kann ich die Intention zwar verstehen, eine klare Entwicklung aufzuzeigen (zumal der Charakter ja bislang nur wenig thematisiert werden konnte), allerdings zieht sich dies ab einem gewissen Zeitpunkt doch sehr und hätte möglicherweise auch kompakter dargestellt werden können. Umgekehrt sind auch viele Gespräche der einzelnen Figuren untereinander enthalten, die sicherlich nicht zwangsläufig notwendig gewesen wären, die ich aber dennoch für lesenswert halte, einfach weil neben dem Erzählen einer dramatischen und epischen Fantasygeschichte der Fokus immer auch auf einer intensiven Charakterentwicklung gelegen hat. 

Persönlich fühlt es sich ein wenig merkwürdig an, dass dies nach sieben Jahren die letzte Rezension zur Phileasson-Saga sein wird und nun die Vorfreude auf die nächste Fortsetzung fehlen wird. Mit dem Ende bin ich allerdings hochzufrieden, manches hat sich so eingestellt, wie es aus meiner Sicht erwartbar war, anderes hingegen hat bis zuletzt Überraschungen beinhaltet. Um das große Ganze noch einmal in den Fokus zu nehmen, wird in Bälde noch ein letzter Artikel mit einem Gesamtrückblick auf die Romanreihe folgen.   

IV. Fazit 

König der Meere stellt einen guten und würdigen Abschluss der langen Romanreihe dar. Die Atmosphäre des letzten Romans ist von einer zunehmenden Härte bestimmt und bringt auch manchen tragischen Abschied mit sich, was allerdings sehr intensiv erzählt wird und auch der Fülle an sehr individuellen Charakteren gerecht wird, wobei der Fokus naturgemäß diesmal auf den beiden Hauptfiguren Beorn und Phileasson liegt.              

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