Rezension: Blaues Licht

Vorbemerkung: Bei den Crowdfundings neueren Datums hat es sich ja eingebürgert, dass nicht nur ältere Abenteuer neu veröffentlicht werden, sondern auch bereits vergriffene Romane eine Wiederauflage verfahren. Passend zur Winterwacht fiel die Wahl diesmal die auf Blaues Licht von Daniela Knor, worin die Geschichte des Firun-Heiligen Mikail von Bjaldorn erzählt wird. Auch wenn der Titel förmlich zum einen oder anderen Rambo-Witz einlädt, werde ich mir diese verkneifen. Stattdessen bin ich in diesem Fall sehr auf den Inhalt gespannt, da es sich um einen der Bände handelt, die ich bisher noch nicht gekannt habe.

In Zahlen:

– 476 Seiten

– Preis: 19,95 Euro

– erschienen am 2.12. 2023 (im Original 2003)

Inhalt

Auffällig ist, dass der Roman über zwei verschiedene Erzählperspektiven verfügt, indem oft auktorial erzählt wird und damit die Innenperspektive von unterschiedlichen Figuren eingebracht werden kann, während zwischendurch immer wieder auf Mikhail als Ich-Erzähler zurückgegriffen wird.

Inhaltlich spielt der Roman nicht in der aventurischen Gegenwart, sondern zur Zeit der sogenannten Priesterkaiser, die gerade nach der Unterwerfung des Theaterordens im Bornland eine recht strenge Herrschaft durchsetzen. Dies gilt insbesondere für Bjaldorn, wo der bisherige Baron Trautmann im Kampf gegen die Priesterkaiser gefallen ist und nun der Praiosgeweihte Illumian als Regent für den noch minderjährigen Bjala eingesetzt wurde.

Allerdings sind es zunächst nicht interne Machtstreitkämpfe, die die Handlung bestimmen, sondern einige andere Ereignisse, die Bjaldorn bedrohen. Zum einen herrscht ein besonders harter Winter, der auch noch durch eine rätselhafte Fäule verstärkt wird, die die Ernte befallen hat. Das schürt die Unzufriedenheit der Bewohner des Ortes, zumal Illumian für die Schaffung eines neuen Praiosschreins die Abgaben erhöht hat. Zudem will er diesen Schrein ausgerechnet im berühmten Firuntempel von Bjaldorn aufstellen, was nicht nur den Weißen Mann (das Oberhaupt der Firun-Kirche), sondern auch die anderen Bjaldorner (inklusive Bjala) verärgert. Zum anderen aber erschüttert plötzlich eine Bluttat den Ort, denn ausgerechnet Ekholt, der aktuelle Weiße Mann, wird tot und grausam verstümmelt aufgefunden. Der erste Verdacht fällt auf die Bärenbande, eine Gruppe von Gesetzlosen, die sich seit vielen Jahren in der Gegend herumtreibt. Rasend vor Zorn begibt sich Mikail auf deren Spur. Doch selbst nach erfolgreicher Jagd mehren sich schnell die Zweifel, ob wirklich ein paar Räuber für die Untat verantwortlich gewesen sind.

Somit muss sich Mikail eine ungewöhnliche Verbündete für weitere Ermittlungen suchen, Ekholts Tochter Marissja, die kurz nach dessen Tod nach jahrelanger Abwesenheit nach Bjaldorn zurückkehrt und zu der Mikail eine ausgesprochen angespannte Beziehung hat. Während er zu Illumian und insbesondere zu Bjala ein positives Verhältnis hat, sucht insbesondere Illumians Novizin Vanjescha vermehrt die Konfrontation mit dem Firungeweihten, da ihr die Wesensveränderungen, die Mikail nach der Rückkehr von der Jagd auf die Bärenbande zeigt, merkwürdig vorkommen. Weitere Ereignisse deuten dann darauf hin, dass wahrhaft finstere Mächte hinter den Schrecknissen stehen, die sich vor allem gegen die Diener der Zwölfe richten.

Teile des Romans spielen aber auch außerhalb von Bjaldorn, da die Auswirkungen des Hungers die kleineren Ortschaften der Umgebung noch viel härter treffen als das weit größere Bjaldorn. So ist speziell das kleine Dorf Norntal existentiell bedroht und wendet sich hilfesuchend an Illumian und Bjala, die Makail entsenden, um den Menschen dort mit seinen Fähigkeiten als Jäger zu helfen. Allerdings ist die Jagd nicht ohne Risiko, da in der Wildnis Goblins und wilde Tiere ihr Unwesen treiben.

II. Figuren

Auch wenn der Roman lokal auf Bjaldorn und Norntal sowie die umgebende Wildnis beschränkt ist, ist doch eine relativ breite Personenriege vorhanden. Als Hauptfigur fungiert natürlich Mikail, allerdings handelt es sich bei ihm um einen Charakter mit einer sehr verzweigten Hintergrundgeschichte. Vor allem ab dem Zeitpunkt, an dem er als Ich-Erzähler verwendet wird, wird aus dem wortkargen Geweihten ein weitaus weltoffener Mann. Das beeinflusst auch seine Beziehung zu Marissja, die ihren ehemaligen Feind verändert wahrnimmt. Ungeachtet dessen verehrt ihn der junge Bjala als Vorbild, der von Bjaldornern als Hoffnung auf die Zukunft angesehen wird, während sie mit dem eher rationalen Illumian und erst recht mit dessen fanatischer Novizin nicht warm werden.

Daneben spielen noch viele weitere Bewohner von Bjaldorn und Norntal temporär eine wichtige Rolle, sei es, dass sie mit dem Schicksal hadern und den Adeligen und Geweihten misstrauen oder dass sie sich als verlässliche Stützen entpuppen.

III. Kritik

Ich muss zugeben, dass ich an den Roman eher geringe Erwartungen hatte, da ich bisher weder mit Mikail besonders viel verbunden hatte, noch ein ausgesprochener Freund der kleinformatigen, lokalen Geschichten bin, da sie oft in die vielerwähnte aventurische Hotzenplotzigkeit ausarten. Allerdings ist das alles aus meiner Sicht überhaupt nicht der Fall, vielmehr nehme ich Blaues Licht als ausgesprochen positive Überraschung wahr.

Das liegt vor allem an dem geschickten Spiel mit den Charakteren, das die Autorin betreibt, indem sich gleich mehrere der Charaktere völlig anders entwickeln, als man anfänglich annimmt. Und zuvorderst ist dabei natürlich Mikail zu nennen. Dieser ist eine völlig andere Person als das, was man in den Geschichtstexten von Spielhilfen liest, in denen solche Heilige mythisch überhöht werden. Der Mikail des Romans ist eben keine überlebensgroße Figur und entspricht überhaupt nicht dem, was man sich unter der Ikone der Firunkirche vorstellt. Stattdessen verfügt er über eine illustre und im Prinzip aus Sicht der Obrigkeit anrüchige Vergangenheit, die ihn dazu zwingt, Geheimnisse vor seiner Umgebung zu haben. Zudem ist er keineswegs ernst und distanziert, sondern vielmehr lebensfroh und gesellig, was ihn schnell zu einer beliebten Führungsfigur werden lässt, sobald er sich gezwungenermaßen aus dem Schatten seines Mentors Ekholt begeben muss. Ähnliches gilt für Illumian, der gemäß der Hintergrundgeschichte eigentlich ein fanatischer Antagonist sein könnte, stattdessen aber abseits der Zwänge seiner strengen Glaubensgemeinschaft oft sehr rational agiert und teilweise seine schützende Hand über Mikail hält. Daneben sind es viele kleine Geschichten, die mit den Figuren verbunden werden und die viele von ihnen sehr sympathisch erscheinen lassen, z.B. den Gardisten Dunjew, der plötzlich die Ernsthaftigkeit seiner Aufgabe für sich entdeckt oder der Außenseiter Baerow, der als unehelicher Sohn eines Räubers von den anderen Norntalern gemieden wird, obwohl er sich in den Dienst der Gemeinschaft stellt.

Der Handlungsverlauf ist durchaus spannend, vor allem wird sehr eng mit der Atmosphäre des winterlichen Bornlands gearbeitet, das sich gerade in der Spielzeit des Romans von seiner besonders lebensfeindlichen Seite zeigt und dafür sorgt, dass die Bewohner Bjaldorns und Norntals große Not leiden. Gleiches gilt für die Herrschaftsverhältnisse zur Zeit der Priesterkaiser, da man ständig verspürt, dass die bierernsten Sitten der Praiospriester von den einfachen Bornländern sehr distanziert betrachtet werden, was sich mitunter auch in offenem Unmut äußert.

Etwas ungünstig empfinde ich die Schwerpunktsetzungen, indem gerade die Episode in Norntal den größten Teil der zweiten Romanhälfte einnimmt, während die Morde an den Geweihten in den Hintergrund rücken und die erwartete (bzw. von mir zu Beginn vermutete) Kriminalhandlung völlig ausblenden. Zumal sich dort Motive wiederholen, wenn Mikail gleich dreimal hintereinander beschließt, dass er sich auf immer gefährlichere Jagdpartien begibt, diesen Part hätte man sicher noch etwas einkürzen können. Dafür werden im Kontext der Bjaldorn-Handlung einige Aspekte im Dunkeln gelassen (vor allem die frappierende Frage, wieso Mikail einen Doppelgänger hat, die nicht so richtig geklärt wird). Trotzdem gibt es gerade auf der Charakterebene immer wieder Fortschritte, die auch ein spannendes Finale ermöglichen. Das alles bleibt zudem nicht ohne Humor und hat auch viel Warmherzigkeit, was die Identifikation mit den Charakteren und ihrer Situation erhöht.

IV. Fazit         

Blaues Licht ist ein guter und gelungener Roman, der die frostige Atmosphäre der abgelegenen Gebiete des Bornlands geschickt einsetzt. Die große Stärke liegt in der breiten und sympathischen Figurenriege, in der sich auch einige Wendungen ergeben, vor allem was die Hauptfigur Mikail betrifft. Einige Schwerpunktsetzungen der Handlung in der zweiten Romanhälfte empfinde ich dafür als etwas ungünstig, so dass der Fokus auf die zentralen Ereignisse etwas verloren geht.        

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