Epische DSA-Fehlschläge

Das Rollenspiel hat in der Regel zum Ziel, eine problematische Situation zu einem positiven Ende umzugestalten, natürlich im Rahmen einer spannenden Handlung, die den Spielern viel Raum gewährt, ihre Figuren einzubringen. Allerdings gibt es auch Momente, in denen dem ungetrübten Spielvergnügen diverse Hindernisse im Weg stehen. Genau mit diesem Thema setzt sich der Karneval der Rollenspielblogs im September unter der Überschrift „Epic Fails und Darwin Awards“ auseinander.

Als DSA-Fan bringe ich mein Leib- und Magen-Rollenspiel natürlich primär nicht unbedingt mit dem Begriff Fehlschlag in Verbindung. Nichtsdestotrotz hat es in der nunmehr über 30jährigen Historie auch davon einige gegeben, so dass ich die Gelegenheit nutzen möchte, hier einen kleinen Rückblick zu wagen, sei es auf fehlerhafte Designentscheidungen, sei es aber auch auf produktionstechnische Probleme. Die folgende Liste ist dabei nicht hierarchisch geordnet, sondern folgt rein der persönlichen Erinnerung.

Das Volldebakel

Es sind mittlerweile über 200 Kaufabenteuer erschienen, keines habe ich aber in derart negativer Erinnerung wie „Tal der Finsternis“. Die Grundhandlung klang vor dem Erscheinen sehr spannend, wenn von der Entführung der kaiserlichen Zwillinge die Rede war, was sicherlich eine spannende Rettungsaktion zur Folge haben könnte. Ralf Hlawatsch war zudem damals ein Autor, der zwar über einen etwas speziellen Humor verfügte, den ich aber eigentlich sehr zu schätzen wusste. Aber leider weit gefehlt, der Band stellte sich vom Anfang bis zum Ende als Totalkatastrophe heraus. Die Zwillinge waren als nervende Gören gekennzeichnet (was mir beide Figuren bis zu „Die reisende Kaiserin“ abspenstig gemacht hat), der Humor kam unfassbar platt daher (als Stichwort soll nur das Konzert der verballhornten irdischen Kelly-Family dienen) und die Handlung ist ein Musterbeispiel für Heldengängelung (so wird es relativ schnell so gedreht, dass die Helden die Hauptverantwortung für die Entführung tragen, vollkommen unabhängig, was sie unternehmen), auch der weitere Plot verläuft schienenmäßig ärgerlich (wenn die Helden auch noch Gestaltwandler beim Geiseltausch übergeben bekommen, die ein Attentat auf Emer verüben sollen, wobei auch hier ein vorzeitiges Eingreifen nicht gewährt wird). Kurz und gut, das alles ist so schlecht, dass ich mir kaum vorstellen kann, dass irgendein Abenteuer diese Messlatte in Zukunft noch unterbieten können wird.

Kartensalat

Die bunten Karteneinbände in einigen Bänden neueren Datums sind an und für sich eine schöne Idee und werten die Abenteuer in der Regel eigentlich deutlich auf. Problematisch wird es allerdings, wenn es zu einem fehlerhaften Abdruck kommt, wie im Falle von „Friedlos“ geschehen. Hier erfolgt für die Stadt Prem eine Veränderung der Stadtlandschaft. Genau dies sollte durch eine Vorher-/Nachher-Version der Karte dargestellt werden. Leider kam es jedoch bei Teilen der Ausgabe durch die Druckerei zu einer Verwechslung, so dass in manchen Bänden dieselbe Karte zweimal abgedruckt wurde. Das entwertet ein solch tolles Abenteuer nicht grundsätzlich, ärgerlich ist es aber schon.

Ich will mein Finale zurück

DSA definiert sich selbst recht häufig als Heldenrollenspiel, demzufolge sollten es die Helden sein, die den Unterschied ausmachen, ihre Handlungen sollten letztlich entscheidend für den Ausgang einer Geschichte sein. Zu den fundamentalen Aspekten gehört dabei ein entsprechendes Finale, in dem die Spielercharaktere sich mit dem Schurken auseinandersetzen. Dies sollte natürlich ein besonderer Moment sein, in dem sich der Kontrahent als würdig erweist und den Helden alles abverlangt.

Ein wahrer Schlag ins Gesicht ist in dieser Hinsicht das Finale von „Erben des Schwarzen Eises“ im dritten Band „Tauwetter“. Just in dem Moment, in dem die Helden zur Antagonistin vordringen könnten, wird diese von einer bis dato vollkommen unauffälligen Nebenfigur getötet. Am Ende einer dreibändigen Kampagne mit längerer Spielzeit fühlt sich dies für den Spieler wie ein Betrug an, wenn man um seine hart erarbeitete Genugtuung gebracht wird. Abenteuerdesign ist sicherlich eine Sache, über die man im Spannungsfeld zwischen starkem Railroading bis zur vollkommen offenen Sandbox trefflich streiten kann, im Fall von „Tauwetter“ zeigt sich aber für mich das extreme Negativbeispiel.

Tragische Pleite

Pen- and Paper-Rollenspiele sind – da sollte man sich nichts vormachen – im 21. Jahrhundert eher ein Nischenprodukt. Auch wenn DSA als deutscher Branchenführer dem Vernehmen nach vergleichsweise respektable Veröffentlichungszahlen haben soll, was die Stückzahl bei den Produkten angeht. Umso besser, wenn andere Bereiche erschlossen werden können, die den Massenmarkt erreichen. Im Falle von DSA ist dies in den vergangenen Jahren immer wieder über den Computerspielsektor gelungen, wo eine ganze Reihe von guten Spielen erschienen sind. Herausragend waren dabei für mich die beiden Teile der Drakensang-Reihe, eben weil sie für mich den Geist von DSA verkörpern, etwas bodenständiger daherkommen, trotzdem eine spannende Handlung in einer glaubwürdigen Fantasie-Umgebung beinhalten, zudem in zeitgemäßer und schöner Grafik präsentiert. Genau dies ist auch den Kritikern nicht entgangen, auch in der entsprechenden Fachpresse wurden beide Teile sehr gut bewertet.

Und trotzdem haben auch diese positiven Bewertungen nicht verhindern können, dass das Entwicklerstudio Radon Labs pleite gegangen ist, womit es leider zu keiner Fortsetzung der Reihe gekommen ist, auch das noch folgende gleichnamige Online-Spiel hat keinen DSA-Bezug mehr. Schade auch deswegen, weil es eine enge Verknüpfung mit Printbereich gab, mit immerhin drei leichtgängigen Einsteiger-Abenteuern und der wunderschönen Spielhilfe „Vater der Fluten“. Auch wenn ich mich mit den Daedalic-Abenteuern sehr anfreunden kann, würden ich mir wieder ein solches sehr freies Spiel mit einer größeren Weltanlage wünschen.

Auf in die Steinzeit

Für zwei tolle Fehlleistungen der DSA-Klassik ist mein Lieblingszeichner, der leider vor kurzem verstorbene Ugurcan Yüce, zuständig, hat er doch in offenkundiger Unkenntnis der Hintergrundwelt zwei Cover produziert, die nicht im Ansatz zum Inhalt des Abenteuers passen. „Mehr als 1000 Oger“ zeichnet inhaltlich den Ogerzug dar, auf dem Cover sind aber einfach nur zu groß geratene Menschen zu sehen. Was hier „nur“ für Unstimmigkeit sorgt, hat in einem anderen Fall dann sogar zu einer inhaltlichen Änderung geführt. In „Elfenblut“ sollte eigentlich eine Gruppe Orks einigen nichtsahnenden Elfen auflauern. Yüce zeichnete aber etwas behaarte Menschen, so dass flugs der Neandertaler seinen Einzug nach Aventurien feiern durfte. Auch wenn die Macher das damals mit Sicherheit als sehr ärgerlich empfunden haben dürften, ist das heute eine eher witzige Anekdote. Allerdings war dies auch im Zeitalter vor der Erschließung des Internets, nicht auszudenken wie das Echo heutzutage ausfallen dürfte, wenn einem Zeichner ein ähnlicher Fauxpas unterlaufen würde.

Und sonst?

Dies ist in Anbetracht der wechselhaften und ereignisreichen DSA-Geschichte nur eine kleine, subjektive Auswahl von mehr oder weniger folgenreichen Fehlschlägen, im Großen und Kleinen lassen sich da bestimmt noch andere Ereignisse und Publikationen hinzufügen. Man denke z.B. an die Neuauflage der Historia Aventurica aufgrund des extrem negativen Feedbacks oder die z.T. öffentlichen Verwerfungen zwischen vielen Machern vor einigen Jahren, die dazu führten, dass viele langjährige Schreiber DSA den Rücken kehrten. Genauso könnte man die Einstellung eines hochambitionierten Settings wie Tharun nach nur zwei kleinen Boxen nennen, aber diese Scharte wird ja zum Glück mittlerweile ausgewetzt. Manches wäre dann auch eine Geschmacksfrage, so sind z.B. für mich die gesamten Soloabenteuer von Karl-Heintz Witzko eher verstörend denn unterhaltsam (was ja von vielen genau gegenteilig wahrgenommen wird) und somit fast unspielbar. Sollte hier jemand noch etwas der Liste hinzufügen mögen, so möchte ich liebend gerne auf die Kommentarfunktion verweisen, hier würden mich andere Wahrnehmungen oder weitere Nennungen sehr interessieren.

Zum Abschluss möchte ich allerdings darauf hinweisen, dass dies hier nicht der ultimative DSA- Verriss sein soll und kann, dazu mag ich das Spiel und die dazu gehörigen Settings viel zu sehr. Würde ich hier eine entsprechende Highlight-Liste hineinsetzen, wäre diese ungleich länger. Trotzdem gehören solche Fehlschläge fast zwangsläufig zu einer so langen Produktionsgeschichte und sind somit auch Teil der Geschichte eines Rollenspiels.

5 Kommentare

  1. Fehlschläge gab es in nun schon über 30 Jahren DSA-Geschichte wirklich mehr als genug. Ich würde sagen: Auf jeweils zwei echte Highlights kommt ein Totalausfall. Manche davon sind inzwischen sogar Teil der DSA-Folklore und so schlecht, dass man sie schon fast wieder lieb haben muss. Hier meine persönliche tagesaktuelle Liste:

    In Sachen Spielhilfen ragt Handelsherr und Kiepenkerl in fast allen Hinsichten als Negativbeispiel heraus, wobei auch die alte Myranor-Box sich ihren schlechten Ruf mehr als verdient hat und beinahe im Alleingang das neue Setting gekillt hätte. Die ansonsten sehr schöne Spielhilfe Unter dem Westwind wird bei mir wegen der lieblosen und unnötigen Vernichtung des alten Nostrias noch lange in schlechter Erinnerung bleiben. Der Aventurische Atlas geht als Kartensammlung zwar so gerade noch durch, angesichts dessen, was man aus dem Format hätte herausholen können, ist es aber schwer, nicht total frustriert zu sein.

    Bei den Abenteuern ist Tal der Finsternis nur schwer vom Thron zu stürzen, auch wenn selbst dieses Abenteuer einige nette Szenen hat. Von allen Abenteuern, die ich jemals gespielt habe, ist mir Ingerimms Schlund in besonders schlechter Erinnerung geblieben. Das ist bis heute das einzige Abenteuer, das ich beim Spielen abgebrochen habe. Bastrabuns Bann hat damals aber immerhin dazu geführt, dass wir die G7-Kampagne nach Pforte des Grauens nicht weiter gespielt haben, und Aus der Asche würde mich heute noch davon abhalten, das Jahr des Feuers in seiner vorgesehenen Form zu spielen.

    Bei den Romanen gibt es zwar auch immer wieder lesenswerte Highlights (so etwa die ganze Witzko-Reihe), aber hier kehrt das sich das 2:1 Verhältnis m.E. um, und auf einen lesbaren Roman kommen zwei Totalausfälle. Stellvertretend für das gesammelte Grauen nenne ich hier Das Dämonenschiff.

    Was Witzkos Solo-Abenteuer angeht, so stimme ich Dir natürlich zu, dass die einen sehr eigenwilligen Stil haben und nicht jedermanns Sache sind – aber hast Du Dir mal Am Rande der Nacht und Die Ungeschlagenen genauer angesehen bzw. gespielt? Die sind sicher am zugänglichsten und gehören für mich mit zu dem besten, was in der Kategorie jemals erschienen ist.

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  2. Zu den Drakensangsangspielen mag es wegen der Insolvenz von Radon Labs zwar keine offiziellen Fortsetzungen geben, aber dafür mit der Mod „Kaltensteins Schatten“ für AFdZ eine Mod, die die Ereigisse des Spiels aufgreift und weitererzählt.

    Für Drakensang ist vor kurzem die Mod „Das Auge der Götttin“ erschienen. Hierbei handelt es sich um eine umfangreiche Questmod mit ca. 20-30 Stunden Spielzeit und Vollvertonung der Dialoge. Es ist also noch nicht vorbei mit Drakensang.

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