Rezension: Memoria Myrana

Vorbemerkung: Ich bilde mir ja eigentlich etwas darauf ein, halbwegs zügig Neuerscheinungen zu berücksichtigen. Zu meiner Schande muss ich aber gestehen, dass mir das im Falle der Memoria Myrana 60 leider nicht gelungen ist, die sogar noch im letzten Jahr veröffentlicht wurde. Das will ich jetzt nachholen, schließlich halte ich es für sehr wichtig, die aktuell immer noch letzte verbliebene Bastion der außeraventurischen Kontinente im Auge zu behalten, weil dort nach wie vor viel unentgeltliche und enthusiastische Arbeit auf einem beachtlichen Niveau geleistet wird.

Inhalt

Myranor

Hier wird zunächst mit dem Artikel Der Ravesaran-Legitimat von Hermine Goetz eingeleitet. Es gibt erst einen kurzen Ingame-Text, dem sich eine Erläuterung anschließt, wie diese zweigeschlechtlichen Wesen häufig in den Optimatenhäusern eingesetzt werden, darauf schließen sich die entsprechenden Werteangaben an.

Weiterhin versteht sich die Memoria auch als Anschluss an die vielen offiziellen Publikationen der (DSA4) Vergangenheit. Dementsprechend werden auch immer wieder Errata veröffentlicht, diesmal wird dabei Myranische Magie um eine ganze Reihe von Korrekturen ergänzt.

Ailish-Aralluh – Im Bann des Schattenlotus von René Littek ist eine Spielhilfe, die den gleichnamigen Staatstaat präsentiert, der vor allem für den berauschenden Schattenlotus bekannt ist. Dessen Konsum führt nämlich dazu, dass man die Stadt völlig anders wahrnimmt und diese eine ganz andere Dynamik erhält. Wie gewohnt wird dann auf einige besondere Orte in der Stadt eingegangen, zudem auf den Glauben, der von der Verehrung zweier sich ergänzender Götter geprägt ist. Ebenso werden die dort lebenden Merkhabiter und die Lilim, eine Gruppe von Nachtalben, und die Eber-Sulax (quasi Zentauren mit dem Oberkörper eines Ebers) vorgestellt. Einige Mysteria und Arkana sorgen zuletzt für Abenteueranregungen. Direkt daran knüpft Macaras – Die Stadt der Eisernen (ebenfalls von René Littek) an, indem hier auf zwei Seiten kurz ein antagonistischer Stadtstaat beschrieben wird, der sich sehr imposant an einen Bergriesen angelehnt hat und sich dementsprechend hoch an das Massiv anfügt.

Neue Quellen der Natur erschließen Daniel Bluhm, Tilman Klauke und Sean David Schöppler, indem hier zwei Quellen vorgestellt werden, aus denen myranische MagierInnen ihre Kraft schöpfen können bzw. die von ihnen genutzt werden können. Zum einen handelt es sich um Schwarmwesen, wobei es vor allem um solche Zauber geht, die das Gemeinwesen oder kollektives Handeln im Fokus haben. Zum anderen steht die Quelle Winterruhe im Mittelpunkt, bei der unter anderem viele Regenerationsmöglichkeiten thematisiert werden oder auch solche Umstände, die mit dem kalten Element in Verbindung stehen.

Mit Kirkegård Øy – Die Gefängnisdomäne des Hauses Onachos von Roland Hofmeister liegt eine Spielhilfe vor, die eine Insel behandelt, auf der in der Villa Ahnenehr Gefangene ihren Dienst in einer Forschungsdomäne leisten müssen, u.a. in einer Bibliothek. Natürlich wird neben einigen Gebäudebeschreibungen auch auf die Möglichkeit einer Flucht eingegangen. Daneben wird der Ort auch in Form von einigen Ingame-Texten narrativ erschlossen.

Ras Tabor

Hier wird mit den Opangatus von Daniel Bluhm, Jochen Willmann von eine Art Affenvolk eingeführt. Zunächst werden äußerliche Merkmale benannt, dann werden die Geschichte und die Verbreitung thematisiert, woraufhin sich sämtliche Kulturaspekte anfügen (u.a. Religion, Gebräuche, Lebensweise, Sprache).

Vesayama

Zunächst führt Daniel Bluhm mit Heimweh X seine lange Erzählreihe über die Vesayama-Expedition fort. Diesmal geht es mit der Ankunft in einem kleinen Fischerdorf etwas beschaulicher zu, trotzdem geraten die HeldInnen auch hier in einige Verwicklungen.

Konkretes Spielmaterial stellt Jan Stawarz mit seiner Spielhilfe zu den sogenannten Venomanten vor. Dabei handelt es sich um MagierInnen, deren besondere Fähigkeiten sich aus dem Konsum eines Giftes ergeben. Zunächst wird auf die Geschichte dieses Phänomens eingegangen, wobei sich verschiedene Traditionen, wie z.B. die Skorpion-Venomanten entwickelt haben. Regeltechnisch gibt es ein Professionspaket und Sonderfertigkeiten. Abschließend werden einige besondere Venomanten skizziert, die klangvolle Namen wie Die scharlachrote Witwe oder Der Kobrakönig tragen.

Tharun

Spiel der Macht ist ein kurzes Abenteuer von Roland Hofmeister, das auf der Insel Jü spielt. Im Mittelpunkt steht einer der seltenen Runensteine, der in einer Spielhölle als Gewinn eines großen Spiels ausgelobt wird. Hier werden mehrere Möglichkeiten aufgeführt, in wessen Auftrag die HeldInnen agieren könnten. Eine sehr wichtige Rolle spielt dabei der Besitzer der Spielhölle, eine Untergrund-Größe namens Onkel Yü. Ziel ist es, Kugeln zu gewinnen, mit denen man eine Art Spielautomat füttern kann. Dazu findet sich eine Reihe von Konkurrenten, mit denen man sich am Spieltisch auseinandersetzen muss. Das Spiel findet in drei Runden statt, dazu werden noch kleine Glücksspiele erläutert, mit denen man weitere Kugeln gewinnen kann. Im Anhang finden sich Werte für alle wichtigen NSC.     

Rhakszazar     

Die Mammutsteppe ist eine Spielhilfe von Tobias Reimann, in der ein sehr archaisches Gebiet mit Leben erfüllt wird, das vor allem von einer Art Tundra und von Nadelwäldern geprägt ist. Das weitreichende Areal wird zunächst geografisch und klimatisch vorgestellt, dann wird auf die vielen Stämme unterschiedlicher Spezies eingegangen, die dort vor allem nomadisch leben. Eine Besonderheit ist, dass dort Trolle, Riesen und Drachen keineswegs selten sind, sondern dort in viel größerer Verbreitung vorhanden sind, als dies beispielsweise in Aventurien der Fall ist. Genauso wird auf besondere Ort eingegangen (z.B. den Vulkan Astor, der genau im Zentrum der Region liegt) und auf einige NSC, die man dort antreffen kann. Zuletzt hat der Autor auch noch einige Abenteuervorschläge hinzugefügt. Mit knapp 20 Seiten handelt es sich auch um den mit Abstand längsten Artikel dieser Ausgabe.

Kritik

Aus meiner Sicht handelt es sich um eine ausgesprochen starke Ausgabe mit vielen Artikeln, die sehr konkret im Spiel einsetzbar sind. Sicherlich stellt es einen großen Vorteil aller beinhalteten Settings dar, dass hier keine Kontinente vorliegen, die auch nur annähernd über den Detailgrad von Aventurien verfügen. Somit gibt es genügend Raum für kreative Entfaltung, die weißen Flecken sind groß auf den jeweiligen Landkarten. Genau das wird immer wieder gut genutzt.

Wie üblich nimmt Myranor mit gleich 6 Artikeln den Schwerpunkt der Ausgabe ein, daneben wird aber dieses Mal jeder Kontinent mit Material bedacht, was eben erneut für eine große Vielfalt sorgt, weil eben alle Settings auch von einer eigenen Stimmung geprägt sind.

So habe ich diesmal gleich mehrere Highlights, die mich besonders ansprechen.  Kirkegård Øy – Die Gefängnisdomäne des Hauses Onachos als eine Art privilegiertes Gefängnis bietet sicherlich viele reizvolle Einsatzmöglichkeiten, denn auch ohne karge Zellen bleibt es immer noch ein Gefängnis und aus dieser Ausgangssituation ergeben sich viele mögliche Fluchtszenarien oder umgekehrt auch Anlässe, jemanden dort ausfindig zu machen, um die betreffende Person zu befreien. Einen spannenden Hintergrund mit der Spielhölle liefert auch Spiel der Macht, wobei hier allerdings die Spielbedingungen manchmal etwas verwirrend wirken. Dafür ist der Konkurrenzkampf der Spieler sicherlich eine Spielsituation, die Anlass für viele dramatische Wendungen gibt. Bei den beiden Artikeln hätte allerdings noch etwas Korrektur gutgetan, hier sind viele Fehler augenfällig.

Besonders ausdifferenziert ist Die Mammutsteppe, hier merkt man, dass dort besonders viel Arbeit investiert wurde und dass dort ein größerer Rahmen mit vielen Verknüpfungen zu älteren und zukünftigen Artikeln existiert.  Das Setting ist gut beschrieben (wenn auch für meinen Geschmack zwischenzeitlich zu sehr von biologischen Fachausdrücken durchsetzt) und bietet massig Anregungen für eigene Abenteuer.

Auf der Ebene der Figurenhintergründe haben es mir insbesondere die Venomanten angetan, hier finde ich das Konzept einer Magie, die durch den Konsum von Giften verstärkt wird, ausgesprochen originell.

Fazit

Auch in der 60. Ausgabe lohnt sich ein Blick in die Memoria Myrana. Alle außeraventurischen Kontinente werden mit reizvollem Spielmaterial versorgt, was sowohl neue Spezies, Orte, Regelergänzungen oder Abenteuer angeht. Diesmal gefällt mir besonders die Bandbreite der Abenteuerschauplätze, von einer archaischen Tundra mit vielen Volksstämmen über eine Spielhölle bis zu einer Gefängnisinsel.

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