Rezension: Aventurische Bibliothek

Vorbemerkung: Die DSA-Publikationsgeschichte ist reich an ungewöhnlichen Bänden. Es hat schon Bücher über Namen gegeben, Ingame-Ratgeber für Geweihte (inzwischen sogar sehr beliebt), Lexika und Atlanten. Neu ist nun der Gedanke, ein Buch über Bücher zu schreiben. Dies wurde nun umgesetzt in Form der Aventurischen Bibliothek. Schwerpunktmäßig werden hier alle Arten Bücher vorgestellt, die es in Aventurien gibt, einer Welt, in der längst nicht jeder lesen und schreiben kann und in der ein Buch quasi ein Luxusgut darstellt. Für jemanden, der sich hier im Blog ständig mit dem geschriebenen Wort beschäftigt, klingt das natürlich hochinteressant, allerdings stellt sich mir auch die Frage, ob das Thema so aufgearbeitet worden ist, dass es auch einen konkreten Spielzweck beinhaltet.

In Zahlen:

– 160 Seiten

– 196 aventurische Buchvorstellungen

– Preis: 34,95 Euro

– erschienen am 27.7. 2021

I. Aufbau und Inhalt

Tatsächlich nimmt die Vorstellung von Einzelbüchern einen Löwenanteil des Bandes ein, nach einigen kurzen Einführungsbemerkungen (nebst einem Glossar mit Begriffen zur Buchherstellung) umfasst das Kernkapitel Aventurische Bücher knapp 120 Seiten.

Jedes Buch hat dabei zunächst einen Infokasten erhalten, in dem stichwortartig die wichtigsten Fakten vermittelt werden: Genreeinordnung, Format und Seitenzahl, Erscheinungsdatum und Aufbewahrung von Original und Abschriften, die Sprache, in der es verfasst wurde, Preise für Original und Kopien und einige Angaben zu Besonderheiten. Zusätzlich ist hier auch festgehalten, ob das Buch legal oder illegal erhältlich ist und wie hoch oder niedrig die Verfügbarkeit ist. Wenn Bücher konkrete Unterweisungen für Fertigkeiten oder Zauberei aufweisen, sind auch regeltechnische Anmerkungen vorhanden, also mit Angaben, welche Boni (oder ggf. auch Mali) man durch eine vertiefte Lektüre erhalten kann. Dem schließt sich ein Ingame-Zitat aus dem Buch an sowie eine kurze Beschreibung von Inhalt und Hintergrundgeschichte des jeweiligen Werkes. Oft gibt es auch eine Illustration, die meist den Einband oder eine Beispielseite abbildet. Die Bandbreite an Büchern ist dabei höchst unterschiedlich: Es gibt Unterhaltungs- und Trivialliteratur, Sachbücher z.B. zur Aventurischen Flora und Fauna, Magiebücher und Bücher über die Götter und ihr Wirken, wobei sich auch einige verbotene Bücher darunter befinden. Mit dem Rahjasutra und Mondsilberne Nächte existieren in der Auflistung sogar auch Bücher, die tatsächlich irdisch publiziert wurden.

Folgend schließen sich weitere Hintergrundinformation mit dem Schwerpunkt der Buchherstellung an, indem z.B. auf verschiedene Drucktechniken eingegangen wird sowie auf die Frage, wie man Bücher erwerben kann und wie man sie aufbewahren kann. Dazu werden Aventurische Druckereien (gegliedert nach Städten) vorgestellt, später folgen noch einige Bibliotheken. Ein weiteres Thema in diesem Zusammenhang sind Zeitungen und Periodika, die beispielhaft aufgeführt werden, zudem wird auf weitere wichtige Druckerzeugnisse Bezug genommen, z.B. die ebenfalls mittlerweile publizierten Vademeci. Zuletzt wird auf die AutorInnen eingegangen, wozu kurze Porträts berühmter SchreiberInnen vorhanden sind, z.B. der schon oft erwähnte Kara ben Yngerymm, Lessandero Phelean Calanyeda, der Autor der Rapiro Floretti-Romane und Lutisana Horasia da Mazarin, die Autorin von Mondsilberne Nächte.

Den Abschluss des Bandes bilden regeltechnische Anmerkungen, z.B. welche Qualität ein Buch hat, aber auch allgemeine Sonderfertigkeiten für bücheraffine Personen, z.B. die Sonderfertigkeiten Archivar oder Buchdrucker. Dazu sind Würfeltabellen vorhanden z.B. zu Besonderheiten von Büchern, außerdem ein Büchergenerator, mit dem man schnell Titel entwerfen kann.        

II. Kritik

Als ich die Ankündigung des Bandes gelesen hatte, habe ich das eher zwiespältig aufgenommen. Einerseits bin ich ein absoluter Büchernarr, der gerne viel liest und der Bücher seit der Kindheit liebt und der den Anblick eines gut gefüllten Regals zu schätzen weiß. Andererseits habe ich mir die Frage gestellt, inwieweit das Thema denn wirklich auch gewinnbringend in ein Rollenspiel eingebaut werden soll, ohne langweilig zu werden.

Und irgendwo ist das auch der Eindruck, der zumindest teilweise bei mir hängenbleibt. Ich kann nicht sagen, dass mich der Band nicht gut unterhalten hat. Es macht Spaß, sich mit den aventurischen Büchern zu beschäftigen. Diese sind mit viel Detailliebe beschrieben und stellen eine große Bandbreite an unterschiedlichen Titeln, Genres und Nutzungszwecken dar. Natürlich haben dabei viele irdische Vorbilder Pate gestanden und somit findet man eine aventurische Agatha Christie genauso wie Romane mit klangvollen Titeln wie Per Anhalter durch den Limbus, was mal sehr unterhaltsam, hin und wieder aber auch etwas platt im Humor geraten ist. Nichtsdestotrotz gefällt mir gerade das Augenzwinkernde gut, das der Band ausstrahlt.

Damit ergibt sich in diesem Bereich natürlich auch ein großer Spielnutzen. SpielleiterInnen haben jetzt eine enorme Palette an Buchbeschreibungen zur Hand (fast 200 Titel), die man in Abenteuer einbauen kann, sei es als reine Beute im Regal des zur Strecke gebrachten Schurken-Magus oder auch als Aufhänger für eine Geschichte, in der man eines der seltenen Bücher auf legale oder illegale Weise beschaffen soll. Statt irgendwelche generischen Titel zu erfinden oder selbst Inhalte entwickeln zu müssen, kann man den SpielerInnen nun konkrete Bücher präsentieren, was natürlich einen großen Mehrwert hat.

Und umgekehrt ist hier wieder diese überbordende Detailversessenheit in Reinkultur vorhanden, die für meinen Geschmack oft viel zu viel Raum einnimmt. Fast 120 Seiten, die Buch an Buch reihen, sind mir an dieser Stelle viel zu viel. Was mir wieder einmal fehlt sind Anregungen, wie man das in das konkrete Spiel einbeziehen kann. Natürlich haben die Bücher für sich ihren Beschreibungswert, sind wahlweise gut zur Hintergrundgestaltung verwendbar oder haben als Lernbücher zur Werteverbesserung einen klaren Zweck. Das könnte nach meinem Dafürhalten aber viel expliziter geschehen und vor allem viel variantenreicher ausgearbeitet werden. So hätte man den Raum beispielsweise dafür nutzen können, um konkrete Beispielbibliotheken vorzustellen (z.B. auch mit Karten und Abenteueraufhängern verbunden, z.B. ein Einbruch, um ein wertvolles Buch zu stehlen oder um Geistererscheinungen in einer Bibliothek auszutreiben). Dazu sind auch gute Ideen durchaus vorhanden, z.B. wenn die berühmten AutorInnen vorgestellt werden, aber auch da fehlen mir Ideen, wie diese ins Zentrum einer Handlung gestellt werden können (z.B. wie sie als AuftraggeberInnen in Erscheinung treten können, wenn eine Heldengruppe etwas für ihren nächsten Roman recherchieren soll oder Szenarien, in denen sie von einer Art verrücktem Fan bedroht werden). Gleiches gilt für Themen wie den Buchdruck. Die Hintergründe hier sind ganz offensichtlich mit einem hohen Maß an Sachkenntnis geschrieben und ich persönlich finde das auch durchaus interessant. Aber eben eher in irdischen Kontexten, hier fehlt mir eben wie gesagt das Abenteuerliche, etwas, was man daraus machen könnte neben purer Wissensvermittlung. Ich würde mir eben mehr fantastische Ansätze zum Thema Bücher wünschen, die es ja auch in literarischen Vorbildern gibt mit hervorragenden Geschichten wie Die unendliche Geschichte oder Der Club Dumas, in denen Varianten aufgezeigt werden, wie man Bücher in eine solche Handlung einbauen kann. Zudem haben Bände wie das Aventurische Transmutarium oder die beiden Aventurischen Herbarien durchaus auch gezeigt, wie man ein Hauptthema um mehr Facetten als bloße Exemplarvorstellungen erweitert und spannende Unterthemen aufgegriffen werden.

Ein Ärgernis hat sich offenbar noch im Endkorrektorat ergeben. Im Band zeigen sich sehr viele Fehler einer merkwürdigen Sorte, indem die Buchstabenkombination „intere“ plötzlich aus den Variationen des Wortes „Interesse“ und ein paar Mal auch aus „hintereinander“ herausgenommen wurde, womit die Wörter zu „sse“ und „hinander“ zusammengestaucht wurden. Im Vorab-PDF des Collector`s Club war dies noch nicht der Fall, erst im Print-Endprodukt. Mit der Suchfunktion im PDF und dem folgenden Abgleich haben sich hier meiner Recherche zufolge gleich 28 zusätzliche Fehler ergeben (wobei „interessant“ an anderen Stellen komischerweise vielfach auch korrekt ausgeschrieben wird), die im Lesefluss schon störend sind. Das führt bei mir zwar zu keiner Abwertung des Bandes, trotzdem empfinde ich so etwas als sehr ärgerlich und das darf bei einem Band für 35 Euro schlicht nicht passieren, vor allem wo doch die Zwischenphase des Collector’s Club ja eigentlich noch der Fehlerminimierung dienen soll. In dem Kontext ist es dann unglücklich, wenn das Endprodukt mehr Fehler aufweist als die Vorabversion.     

III. Fazit

Die Aventurische Bibliothek ist inhaltlich unterhaltsam geschrieben und gefällt Menschen, die Bücher mögen, mit Sicherheit. Die vielen vorgestellten aventurischen Bücher weisen eine sehr große Bandbreite an Inhalten und Verwendungszwecken auf. Insgesamt fehlen mir aber wieder einmal die konkreten Abenteueraufhänger, der Band ist mir viel zu statisch und wenig variantenreich aufgebaut, manchmal sind mir die Themen auch eher irdisch orientiert.

Bewertung: 4 von 6 Punkten           

8 Kommentare

  1. Wieder eine tolle Rezension! Vielen Dank dafür Engor. Nur leider: das nächste „sinnfreie“ Buch. Und, wie Du geschrieben hast, ohne wenigstens Abenteueraufhänger mit dabei zu haben.

    Nachvollziehbar ist das Ganze wirklich nicht mehr: Vor 6 Jahren kam die 5. Edition mit dem Grundregelwerk heraus. Seitdem wurden lediglich 8 Regionalbände (inkl. Sonnenküste) veröffentlicht; davon 3 als Crowdfunding(?)
    Dafür haben wir so spannende Bücher wie Aventurische Namen, Aventurische Tiergefährten und Wege der Vereinigung. Und jetzt halt ein Buch über Bücher…..

    All diese genannte Bücher sind ganz bestimmt tolle Produkte. Aber der Nutzen ist zweifelhaft. Wären Regionalbeschreibungen nicht angebrachter? Und vor allem endlich Myranor wieder aufleben zu lassen?

    2017 (vor ca. 4 Jahren!) holte sich der Verlag die Rechte von Myranor zurück um sie an die 5. Edition anzupassen. Und was ist seitdem passiert? Nichts, Nada. Null. Der Uhrwerk-Verlag hatte fantastische Sachen für Myranor herausgebracht. Und nun ist es (mal wieder) in der Versenkung verschwunden. Anstatt ein Myranor Grundregelwerk herauszubringen (wenigstens als Crowdfunding) erhält man oben genannten Unfug.

    Naja, wenigstens ist der Ausstoß an Abenteuern recht gut.

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    1. Ja, gerade den Umstand, dass man von Myranor nichts hört, find ich auch sehr schade, gleiches gilt für die vergleichsweise geringe Anzahl an DSA-Regionalspielhilfen.
      Ich würde das aber von der Kritik an der Aventurischen Bibliothek etwas entkoppeln, dabei geht es ja nur um einen Band. Da sind dann eher große Crowdfundings wie Werkzeuge des Meisters oder der DSA-Mythos problematisch, weil die weit mehr Umfang hatten und mehr Personal gebunden haben. Zumal hier ja offenbar gerade Eevie Demirtel sehr aktiv gewesen zu sein scheint, die ja sonst bei DSA nicht mehr so aktiv ist.
      Der Band an sich hat für mich durchaus seine Daseinsberechtigung, ich hätte mir nur eben gewünscht, dass man einfach mehr Facetten beleuchtet als primär eine riesige Bücherliste zu erstellen.

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  2. Warum gibt es Bücher in DSA? Weil mal gesagt wurde, um Zaubersprüche zu lernen muß ein Magier eine Bibilothek anlegen. Daher bezogen sich die meisten geannen Bücher auf Magie. Das Land des Schwarzen Augen fügte dann weltliche Titel hinzu; es gab auch einen „Titelgenerator“.
    Aber wann brauche ich ein aventurisches Buch – doch nur in einem Abenteuer, entweder als Handlungsgrund oder Nachschlagewerk – wie in vielen Abenteuern (und Romanen) es genutzt wurde. Angeblich (Stand 1990) können nur 10% der Aventurier Lesen und Schreiben … daher, für wen ist diese nandusgefällige Bibliothek aufgestellt worden?
    So etwas war mal -im kleinen- Bestandteil des Welthintergrundes.

    Übrignes, danke für die -übliche- gute Rezi.
    Leider sehe ich auch auch beri diesem Produkt nicht als Käufer … hätte es Abenteueraufhänger gegeben, vielleicht.

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    1. Ja, das finde ich sehr schade. Was aus meiner Sicht den Band stark aufgewertet hätte, wäre eben eine ausführliche Bibliotheksbeschreibung mit NSC, Gebäudeplan, Aufhängern etc. Auch schön gewesen wäre ein Ansatz, wie er im kommenden Aventurischen Animatorium vorhanden ist, da gibt es eine Abenteuerskizze im Band, mit der man einige der Inhalte direkt verwenden kann.

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  3. Eine sehr gute Rezension, die fair die Stärken des Buchs beleuchtet, aber auch Grenzen und vertane Chancen aufzeigt.

    Für Abenteuer hätte man die Bücher ganz gut als Rätselelemente aufbereiten können. Zum Beispiel im Rahmen einer Anthologie mit dem Schwerpunkt auf Verschwörungen (a la Da Vinci Code), alten Geheimnissen und Schatzsuche. Eigentlich typische Abenteuersujets.

    So ist es allem Anschein nach wieder zu einem Kanongrab geworden 😉

    Gefällt 1 Person

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