Rezension: Der Abgesang Ometheons

Vorbemerkung: Die Sternenträger-Kampagne hat sich zuletzt leider auf eine andere Art zu einem Mysterium entwickelt, als es ursprünglich geplant war: Nach zwei ersten Bänden wurde im vergangenen Jahr die Publikationsfolge jäh gestoppt, wobei als Grund letztlich rechtliche Schwierigkeiten genannt wurden. Offenbar mussten Ansprüche geklärt werden, bevor die Reihe fortgesetzt werden kann. Nach langem Warten, mit viel Ungeduld und Fragen, hat sich dies nun aber offenbar endlich geklärt und Der Abgesang Ometheons ist erschienen. Tatsächlich ist die Erwartungshaltung (sicher nicht nur bei mir) an diesen Band von Dominic Hladek, Rafael Knop und Nikolai Hoch nicht eben gering, steht doch immerhin ein erneuter Besuch des Himmelsturms an. Eben jenes Bauwerk, dessen erstes Auftauchen einen Höhepunkt der Phileasson-Saga darstellt. Daneben war meine bisherige Kritik an der Kampagne ja vor allem, dass zwar ein reizvoller und epischer Hintergrund genutzt wird, allerdings die Möglichkeiten der Einflussnahme durch die SpielerInnen aus meiner Sicht zu stark limitiert waren und zu viel auf reine Schauwerte gesetzt wird. Hier habe ich tatsächlich die Hoffnung, dass die lange Pause möglicherweise auch dazu genutzt werden konnte, auf diesen Aspekt verstärktes Augenmerk zu legen.

In Zahlen:

– 64 Seiten

– 3. Band der Sternenträger-Kampagne

– Preis: 14,95 Euro

– Erschienen am 28.7. 2021

I. Aufbau und Inhalt

Der Band knüpft direkt an die Ereignisse aus Der Klang des Feyraasal an, womit die Bahalyr direkt zu Beginn den Himmelsturm erreicht. Nach wie vor sind allerdings verschiedene Zeitebenen relevant, womit sie im Rahmen der Traumreise eben nicht im gegenwärtigen Himmelsturm andocken, sondern in Form von Manifestationen aus der Zeit, in der die Hochelfenkultur unter dem Erbauer des Himmelsturms Ometheon scheinbar in ihrer Blüte stand. Wie bisher auch folgt man den Spuren von Amalaia Windbändigerin und wird Zeuge von unterschiedlichen Passagen ihrer Zeit im Himmelsturm. Somit ist das Abenteuer vielfach sehr szenisch angelegt. Dabei werden die einzelnen Episoden in ihrem Ablauf in der Vergangenheit geschildert, eben mit dem Novum, dass die Heldengruppe jetzt ebenfalls anwesend ist. Einerseits werden die beteiligten Personen erwähnt und bestimmte Aspekte der jeweiligen Szene, genauso wird darauf Bezug genommen, wie auf die HeldInnen reagiert wird. Zudem können diese Einfluss auf den Ablauf nehmen, so dass meist auch erwähnt wird, welche Veränderungen sie herbeiführen können bzw. welche Resultate sich für sie ergeben können. Damit können verschiedene Aspekte in Erfahrung gebracht werden: Wichtig ist dabei natürlich Ometheon selbst, dessen zunehmende Hybris deutlich wird. Genauso geht es aber auch um das Beziehungsgeflecht zu anderen Figuren, z.B. seinem Bruder Emetiel und natürlich Pardona. Ebenso spielt die persönliche Ebene von Amalaia eine große Rolle, die auch verschiedene Elfen kennenlernt und einen Partner findet. All dies bringt Erkenntnisse, die für den Fortgang der Reise wichtig sind.

Um als Spielleitung dabei etwas freier handeln zu können, wird das Innere des Himmelsturms (ergänzt durch eine Karte) beschrieben. Der Fokus liegt auf den einzelnen Clanspalästen, wobei die meisten ob der Größe des Himmelsturms eher in Form eines groben Überblicks aufgeführt werden, während der sogenannte Palast der Instrumentenbauer als zentraler Handlungsort mit viel mehr Detailschärfe bedacht wird. Ebenso findet sich ein Kapitel mit Vorstellungen der wichtigsten Persönlichkeiten und deren Agenda und Loyalitäten im sich anbahnenden Konflikt.     

Das letzte Drittel des Bandes wird allerdings von einem anderen, weit düsteren Schauplatz eingenommen. Auch für diesen werden die Hintergrundbedingungen und die zentralen NSC aufgeführt. Hier ist der Band weniger szenisch angelegt, sondern es wird auf ein konkretes Ziel hingearbeitet. Dort findet dann auch das Finale statt, in dem es gelingen sollte, die Reise fortzusetzen, um einige wichtige Informationen reicher. In Anhang finden sich zuletzt noch einige Regelzusätze und Gegnerwerte.

II. Figuren

Weiterhin ist Amalaia die Fixfigur für die Heldengruppe, indem sie weiter ihren Spuren folgen und in den einzelnen Sequenzen mehr über ihr Leben und die prägenden Erlebnisse im Himmelsturm erfahren. Der illustre Schauplatz bringt zudem Begegnungen mit der Elite der Hochelfen um Ometheon und Emetiel mit sich, womit auch die tragische Geschichte des Untergangs der Hochelfenkultur quasi hautnah verfolgt werden kann, was es selbstredend auch mitbringt, dass man mit Pardona persönlich zusammentrifft. Generell sind das aber nur einige von vielen NSC, das Abenteuer wartet mit einer sehr breiten Figurenriege auf, wobei nicht alle Zusammenkünfte positiv ausfallen. Beide Handlungsorte weisen zudem eine andere Figurengruppe auf, so dass man im letzten Kapitel nicht mehr auf die vorherigen Erfahrungen zurückgreifen kann.

III. Kritik

Ich kann mir ehrlich gesagt kaum einen Abenteuerschauplatz vorstellen, dem ich mit einer größeren Erwartungshaltung begegne als den Himmelsturm, der sich mir als nachhaltig eindruckvollster Handlungsort der Phileasson-Saga ins Gedächtnis eingebrannt hat. Selbstredend ist es nicht leicht, diesen (sicherlich auch nostalgisch geprägten) Erinnerungen gerecht zu werden.

Was generell gut gelingt ist die Ausarbeitung des Schauplatzes: Der Himmelsturm ist auch in seiner bewohnten Variante ein spannender Komplex, den zu erforschen viele Stunden Spielzeit ausfüllen kann, in denen man immer wieder auf neue Wunderwerke der elfischen Kultur stoßen kann. Ortsbeschreibungen, Karten und Figurencharakterisierungen sind als Hilfestellungen vorhanden und erleichtern der Spielleitung diese sicherlich trotzdem sehr anspruchsvolle Aufgabe.

Leider taucht dabei an allen Ecken und Enden auch die große Schwäche des Bandes auf: Interaktivität ist zwar durchaus gegeben, allerdings ist sie nach wie vor an das Erleben Amalaias gebunden. Es gibt zwar immer auch Anregungen, wie die HeldInnen in die Geschehnisse eingreifen können. Trotzdem ist ein klarer Ablauf vorgegeben und letztlich geht es vor allem darum, eine fremde Lebensgeschichte und eben auch das Großereignis des Falls der Hochelfenkultur quasi in erster Reihe miterleben zu können. Sprich: Es handelt sich aus meiner Sicht immer noch viel zu sehr um eine Art von interaktiver Sightseeing-Tour, in der zwar eine großartige Kulisse vorhanden ist, der Einfluss, den die SpielerInnen nehmen können, ist aber nach wie vor zu gering. Und dies ist meiner Auffassung nach ja ein Kritikpunkt, den ich auch schon den beiden Vorgängerbänden zugesprochen habe.

Mir ist ausgesprochen unverständlich, warum man im Prinzip auf der Traumebene bleibt. In diesem Rahmen ist eben die Eigenleistung sehr gering, da es sich ja um bereits vorgegebene Erlebnisse handelt. Warum man hier keine Verknüpfung zur Realität vornimmt, ist mir schleierhaft. So erfährt man ja sogar tatsächlich, wo sich ein wichtiger Gegenstand befindet (eben durch die Recherche in der Vergangenheit), das Auffinden in der Gegenwart wird aber den NSC überlassen. Gerade hier hätte doch die Chance einer zweiten Handlungsebene mit ungewissem Ausgang gelegen, indem man als Resultat der eigenen Erkenntnisse dann im gegenwärtigen Himmelsturm selber tätig wird, um dort mit einer gänzlich neuen Ausgangsituation konfrontiert zu werden. So bleibt der Eindruck, dass der Himmelsturm rein als historische Kulisse verwendet wird, die spannende Frage, wie es dort aktuell aussieht (die sicherlich viele SpielerInnen antreibt), wird folglich fast völlig ausgeklammert, was für mich eine herbe Enttäuschung darstellt.

Stattdessen wechselt man in eine neue Ebene, die eher einem Alptraum ähnelt. Einschränkend zu meiner vorherigen Kritik muss ich sagen, dass diese Passage in der Stadt Ryl´Arc den deutlich stärksten Teil des Bandes darstellt. Immerhin folgt man hier nicht dem vorgegeben Weg Amalaias, sondern bewegt sich in einer weniger szenisch festgelegten Kulisse und man muss letztlich nur ein einziges, größeres Ziel erreichen. Hier ergeben sich viele Varianten, die auch sehr reizvolle Lösungsmöglichkeiten bieten, z.B. wenn man das Intrigenspiel der führenden Shakagra aufschlüsseln kann, um dies für seine eigenen Zwecke zu verwenden. Somit ist das letzte Drittel besonders lohnenswert, auch weil man hier relativ frei von den Zwängen historischer Vorgaben agieren kann, die in den Passagen im Himmelsturm im Gegenteil allgegenwärtig sind

Lobend muss man im Gesamtkontext zudem die exzellenten Karten des Himmelsturms und vor allem von Ryl´Arc erwähnen, hier hat das Artwork wirklich gute Arbeit abgeliefert und gleichermaßen anschauliche wie auch stilistisch gelungene Pläne erstellt.  

IV. Fazit

Der Abgesang Ometheons bietet eine gute Ausarbeitung des Himmelsturms und seiner Bewohner im Vorfeld seines Untergangs und gewährt einige interessante Einblicke in den selbstverschuldeten Sturz Ometheons. Leider jedoch bleibt der Heldengruppe erneut viel zu wenig Einfluss auf die Ereignisse, geht es doch vornehmlich um das Nacherleben bereits vorgegebener Geschehnisse, die zwar im Ablauf etwas variiert werden können, nicht jedoch in den Resultaten. Eine sinnvolle Verknüpfung mit der gegenwärtigen Realität bleibt jedoch aus, womit im Resultat viel zu sehr auf bloße Schauwerte gesetzt wird. Anders ist dies glücklicherweise im letzten Banddrittel gestaltet, in dem man nach einem Schauplatzwechsel sehr viel freier agieren kann.

Bewertung: 4 von 6 Punkten                    

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