Rezension: Schreckgestalt und Spukgemäuer

Vorbemerkung: Anthologien haben bei DSA eine lange Tradition. Tatsächlich gilt dies auch für das Thema Horror und Grusel, erschien hier doch bereits zu DSA4-Zeiten 2012 die hochgelobte Anthologie Dämmerstunden. Ebenfalls an diesem Bereich versucht sich nun Schreckgestalt und Spukgemäuer mit insgesamt drei Abenteuern, die sich der unheimlichen Seite Aventuriens widmen. Horror ist natürlich ein klassisches Thema, das gut zu Abenteuerhandlungen passt, aber es ist sicher nicht immer ganz einfach umzusetzen und kann schnell mehr gewollt als gekonnt wirken. Deshalb ist für mich auch vor allem interessant, ob hier wirklich eine entsprechende Atmosphäre am Spieltisch aufkommen kann.

I. Aufbau und Inhalt

Wie angesprochen ist der Band in drei Abenteuer aufgeteilt, die an unterschiedlichen Schauplätzen spielen, allerdings primär in die südliche Hälfte Aventuriens führen, genauer gesagt ins Horasreich, nach Meridiana und nach Thalusien. 

In der Kälte der Nacht

Wolf-Ulrich Schnurr versetzt die Spieler*innen mit seinem Abenteuerbeitrag in ein ausgesprochen klassisches Szenario. Nahe bei der Stadt Contris im Lieblichen Feld steht die sogenannte Villa Badun. Das alte Herrenhaus steht leer, nachdem der Besitzer Rondraberto Badun (der Herausgeber des Kusliker Kuriers) in den Wirren des Thronfolgekrieges hingerichtet wurde und auch seine Frau Yuliara sich aus Gram das Leben nahm. Seitdem geschehen unheimliche Dinge und niemand will mehr dort wohnen. Allerdings hat nun der Händler Leonato Pechstein Interesse am Erwerb des Hauses und hat seinen Sekretär Argoles dorthin entsandt, um das Gebäude zu begutachten. Wenig später erhält Leonato die Nachricht, dass Argoles bei einem Unfall ums Leben gekommen sei. Um die genauen Todesumstände in Erfahrung zu bringen, beauftragt der Kaufmann die Heldengruppe, sich ebenfalls nach Contris zu begeben.

Seinen Auftakt nimmt das Abenteuer in Kuslik, wo Leonato als Auftraggeber in Erscheinung tritt. Die Anreise wird nur kurz geschildert, so dass die Beschreibung der Villa Bardun und der dortigen Begebenheiten den Löwenanteil des Platzes einnimmt. Für das gesamte Anwesen existiert ein Gebäudeplan, dazu gibt es eine Vorstellung der einzelnen Räume. Neben den üblichen Angaben wird hier zwischen einem Betreten bei Tag und bei Nacht unterschieden. Allerdings steht zu vermuten, dass die Spieler*innen auch in Contris Nachforschungen anstellen, wozu eine kurze Ortbeschreibung vorhanden ist, vor allem aber die Personen präsentiert werden, die relevante Auskünfte geben können.

Das Ende des Abenteuers ist offen gehalten, da mehrere Lösungswege denkbar sind. Diese werden antizipiert und die jeweiligen Bedingungen ausgeführt. Die Bandbreite reicht dafür von einer recht radikalen Vorgehensweise bis hin zu einer Lösung, die alle Beteiligten zufriedenstellen könnte.         

Die Rache der Besiegten

David Schmidt knüpft in seinem Horrorabenteuer an die von ihm mitgeschriebene Rabenkrieg-Kampagne an, indem er sich der Zeit nach dem Feldzug widmet und dazu mit Mehat einen Schauplatz erneut in den Mittelpunkt stellt, wo im Rahmen der Schlacht von Mehat das vorentscheidende Gefecht stattfand. Folgend wurden für die vielen Gefallenen auf beiden Seiten ein Gräberfeld und eine Boronkapelle errichtet.

Dort hat es in jüngster Zeit Fälle von Leichenraub und einige verschwundene Personen gegeben. Just als die Heldengruppe in dem kleinen Ort angekommen ist (wofür es unterschiedliche Vorschläge gibt, was die Gruppe in die Gegend verschlagen haben könnte), eskaliert die Situation und große Gefahr droht den Spielercharakteren und allen Einwohnern von Mehat. Von der Tonart entwickelt sich in der Folge auch kein sanfter Grusel sondern eher knallharter Splatter-Horror.

Um dies auszugestalten, ist eine Beschreibung des Ortes und seiner Einwohner vorhanden (mitsamt einer Karte). Dazu werden zunächst einige Ereignisse geschildert, die vor allem dazu dienen, die NSC näher kennenzulernen. Sobald die Bedrohung aufzieht, gibt es eine Skizzierung der Geschehnisse, wie sie stattfinden würden, ohne dass die Heldengruppe eingreift. Ebenso wird antizipiert, wie die Maßnahmen der Spielercharaktere aussehen könnten. Das alles mündet zuletzt in ein großes Finale. Im Anhang finden sich noch die Werte der der gängigsten Gegnertypen.     

Vier Jahreszeiten  

Eher mysteriös angelegt ist das letzte Abenteuer der Anthologie von Felix Pietsch und Isabell Andersen. Hier ist es vor allem der Faktor Zeit, der eine besondere Rolle spielt. Dabei geraten die Held*innen in eine Zeitschleife, bei der sie einerseits ergründen müssen, warum sie zwischen mehreren Zeitabschnitten chronologisch hin- und herspringen und was genau diese Ereignisse miteinander verbindet. Somit ist das Abenteuer auch so angelegt, dass man jeden Zeitabschnitt mehrfach erlebt und jedes Mal mehr Erkenntnisse gewinnt. Zudem kann man feststellen, dass die Handlungen der Spielercharaktere in einem Zeitabschnitt Auswirkungen auf die folgenden Etappen haben.

Zunächst wird die komplexe Figurenkonstellation erläutert, die Anlass und Hintergrund des Abenteuers bildet. Schauplatz ist dabei ein kleines Dorf in Thalusien. Am Anfang steht eine Beschreibung des Ortes in der Gegenwart, was quasi den Ausgangspunkt der Geschehnisse bietet. Dazu gehört auch eine breite Figurenriege. Folgend wird genauer auf die Zeitschleife eingegangen, auch auf die regeltechnischen Aspekte. Dem schließt sich eine Einteilung in die vier Jahreszeiten ein, in denen die Zeitabschnitte stattfinden. Dabei werden die Ereignisse zunächst beschrieben, wie sie eigentlich stattgefunden haben. Folgend werden die Gegebenheiten dann etwas genauer aufgeschlüsselt und Eingriffsmöglichkeiten der Heldengruppe geschildert. Diese sind zum Teil variabel gehalten, da sie u.a. auch davon abhängen, was die Spielercharaktere zuvor unternommen haben. Am Ende stehen somit auch unterschiedliche Möglichkeiten der finalen Auflösung.

Der Anhang der Anthologie enthält zuletzt unterschiedliche Regelaspekte, die für die Abenteuer in Gesamtheit relevant sind, z.B. zu Zaubern, Flüchen und Untoten, aber auch Sonderregeln sind enthalten wie z.B. Panikregeln.

II. Kritik

Zunächst einmal muss lobend angeführt werden, dass man auf eine Ausgewogenheit geachtet hat, indem die Abenteuer das übergreifende Thema aus sehr unterschiedlichen Richtungen angehen. In der Kälte der Nacht ist ein sehr klassisches Gruselabenteuer, das das Gruselhaus-Thema aufgreift und somit sehr auf die Atmosphäre des Schauplatzes setzt, womit natürlich das Spiel mit dem Unerwarteten im Vordergrund steht. Die Rache der Besiegten hingegen hält sich mit Formen des subtilen Schauderns nicht großartig auf, sondern ist ein reines Splatter-Abenteuer, das auf sehr sichtbare Formen der Bedrohung zurückgreift und die Heldengruppe mit Horden von Untoten konfrontiert, die ganz Mehat auszulöschen drohen. Vier Jahreszeiten hält die Horrorthematik mehr im Hintergrund, hier wird das Unbehagen eher durch die Situation des Ausgeliefert-Seins dargestellt, indem man immer wieder in die gleiche Situation hineingeworfen wird und einen Ausweg finden muss. Weitere Horrorelemente (z.B. in Form eines dämonischen Ursprungs) offenbaren sich erst im weiteren Verlauf.

Somit unterschieden sich die Abenteuer auch sehr in der Machart. In der Kälte der Nacht lebt vor allem von dem atmosphärischen Schauplatz. Kern des Abenteuers ist die differenzierte und detailreiche Beschreibung der Villa Bardun. Damit wird an gängige Muster, z.B. aus Horrorfilmen angeknüpft und der sprichwörtliche wohlige Schauer erzeugt. Die Stärke des Abenteuers liegt demzufolge auch in dem Spiel in den einzelnen Räumen, gepaart mit einer tragischen Hintergrundgeschichte. Dazu kann am Ende ein reizvolles Dilemma entstehen, auf welche Weise man den Spuk beenden will. Allerdings wirkt die Art der Bedrohung für mich oft zu schwach, Poltergeisteffekte etc. sind nicht unbedingt das, was eine Heldengruppe in Angst und Schrecken versetzt. Stellenweise hätte ich mir für die Antagonistin noch mehr Mittel gewünscht.

Bei Die Rache der Besiegten gefällt mir schon auf den ersten Blick der Ansatz, direkt an die Rabenkrieg-Kampagne anzuknüpfen. Das ist für mich auch spürbarer Metaplot, wenn die Resultate von Ereignissen in der Folge in weiteren Abenteuern aufgegriffen und fortgeführt werden. Die Schlacht von Mehat ist spielbar im 4. Band der Kampagne, Die Krallen der Löwin. Mit den Folgen dieses entscheidenden Gefechts wird man nun konfrontiert, u.a. auch mit dem interessanten Umstand, dass Kemi und Al´Anfaner sich gleichermaßen um das Gräberfeld kümmern.

Die eigentliche Handlung ist im Prinzip sehr konventionell angelegt, indem ein Dorf mit einer Art Zombie-Armee konfrontiert wird und es nun gilt, sich entsprechend zu verschanzen bzw. die Menschen im Ort zu retten. Das ist allerdings gut umgesetzt, v.a. weil entsprechend vorgearbeitet wird und zunächst Szenen geschaffen werden, in denen man eine Beziehungsebene zu den Dorfbewohnern entwickeln kann. Dann folgt der effektreiche Angriff, der passend beschrieben ist und viele Möglichkeiten offenlässt, wo und in welcher Form sich eine tatkräftige Heldengruppe einbringen kann. Insgesamt stellt es somit für mich auch das stärkste Abenteuer der Anthologie dar. Die offenen Anlage bringt allerdings auch viel Arbeit für die Spielleitung mit.

Im Storybereich das anspruchsvollste Abenteuer ist aber sicherlich Vier Jahreszeiten. Im Prinzip handelt es sich um eine aventurische Version von Und täglich grüßt das Murmeltier, indem man dazu verdammt ist, dieselbe Situation immer wieder zu durchleben. Die Etappen sind dazu grundsätzlich gut beschrieben, was die Tagesverläufe und auch den eigentlichen Abenteuerhintergrund betrifft.

Für meinen Geschmack ist das Abenteuer aber für ein Anthologieabenteuer überkomplex, auf die Spielleitung wartet hier enorm viel Arbeit. Immerhin gilt es, nicht nur eine sich wiederholende Szene darzustellen, sondern gleich vier, die sich auch noch gegenseitig bedingen. Was die Spielercharaktere in einer Jahreszeit unternehmen, kann deutliche Auswirkungen auf die Folgeszenen haben, was bei einer sehr breiten Figurenriege ein recht komplexes Mikromanagement werden kann. Hier wären Hilfestellungen, z.B. in Form einer Übersichtgrafik hilfreich gewesen. Schon beim reinen Durchlesen ist die Personenkonstellation nicht einfach zu verstehen, im Spiel stellt sich dies wahrscheinlich noch schwerer dar. Dazu kommt ja auch noch die Erschwernis, dass man zunächst überhaupt einmal in Erfahrung bringen muss, was die Zeitschleife verursacht und worum überhaupt geht. Mitunter könnte das mehrere Durchgänge dauern, was möglicherweise irgendwann auch ermüdend wird, je nachdem, wie man sich auf die Grundsituation einlassen will.

III. Fazit

Schreckgestalt und Spukgemäuer ist grundsätzlich eine gute Anthologie, die sich auf eine sehr abwechslungsreiche Art und Wiese mit dem Thema Horror beschäftigt und in den einzelnen Abenteuern eine unterschiedliche Tonalität verwendet. Alle Abenteuer haben ihre klaren Stärken, die unter anderem im Bereich der gut erzählten Geschichten liegen. Allerdings sind auch Schwächen erkennbar, v.a. ist die Bedrohung nicht immer überzeugend, das letzte Abenteuer bräuchte meiner Meinung nach zudem einige Seiten mehr und verlangt von der Spielleitung viel Zusatzarbeit.

Bewertung: 4 von 6 Punkten                     

3 Kommentare

  1. Hui, du warst aber schnell mit einer Rezension. 🙂
    Als Grusel-Fan war ich sehr neugierig auf diesen Band und freue mich daher über deinen Einblick. So richtig gruselig scheint es ja nicht zu werden, wenn ich dich richtig gelesen habe.
    Eine Sache wundert mich sogar richtig: Das überkomplexe „Und täglich grüßt das Murmeltier“-Abenteuer. So eines gab es schonmal in der Anthologie Sphärenkräfte. Das hatte dasselbe Problem: Nette Idee, aber viel zu komplex, und im Rahmen der Anthologie viel zu wenig ausgearbeitet, sodass die ganze Fleißarbeit bei der Spielleitung hängen bleibt. Schade, dass daraus anscheinend nichts gelernt wurde.

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  2. Geht nicht bereits Die letzte Bastion in die gleiche Richtung?
    Leider klingt für mich bei den Abenteuern so’n Alles schon mal dagewesen“ heraus (ob nun in Aventurien oder Myranor).

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    1. Würde mich selbst ja ehrlich gesagt gar nicht stören. Abenteuer müssen nicht immer das Rad neu erfinden, damit ich mit ihnen Spaß habe. Auf altbewährte Konzepte zu setzen, erspart ja auch Zeit und Mühe. Die Zeit kann man dann darin investieren, das Konzept zu perfektionieren. Ich persönlich hab lieber ein perfektes Spukhaus-Abenteuer als ein halbfertiges Kunstwerk, das die Rollenspielwelt revolutionieren will. Aber wenn dieser Schritt ausbleibt, wenn man keinen Lerneffekt sieht, dann finde ich das auch ermüdend.
      Aus Neugier: Wie war das denn in „die letzte Bastion“? War der Murmeltier-Anteil da auch schon überkomplex und bedurfte massig Eigenarbeit der Spielleitung?

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