Rezension: Heiße Ware

Vorbemerkung: Orks sind derzeit wieder ein wichtiges Thema bei DSA, was natürlich vor allem an der Ankündigung einer neuen Kampagne liegt. Allerdings sind sämtliche Details dazu bislang noch nicht bekannt, das wird wohl das kommende Jahr nach und nach offenbaren. Bis dahin allerdings geschieht trotzdem einiges, beispielsweise im Svelltland, wo die Orks eine hohe Präsenz haben. Dementsprechend führt das aktuelle Heldenwerk Heiße Ware von Ralf und Steffen Lechner in die Region und thematisiert die Konflikte, die dort zur Zeit herrschen. Inwieweit es sich dabei schon um Kampagnenvorgeplänkel handelt, wird sich natürlich zeigen. Generell bin ich persönlich ein großer Fan der Region mit ihrer Western-artigen Atmosphäre.

In Zahlen:

– Heldenwerk Nr. 44

– 15 Seiten

– erschienen am 26.9.2022 (zusammen mit dem Aventurischen Boten 215)

I. Aufbau und Inhalt

Das Abenteuer steht im Kontext von seit längeren schwelenden Auseinandersetzungen, dementsprechend verfügt die Handlung über eine komplexere Vorgeschichte, die zunächst geschildert wird. Der konkrete Auftakt findet in Lowangen statt, wo die Heldengruppe von Wolfborst von Auen, einem Geweihten des Rhodensteinordens, rekrutiert wird. Dieser sollte zur Verteidigung der Feste Greyfensteyn eine Rotze beschaffen. Allerdings ist der Wagen mit der wertvollen Ladung (in Einzelteile zerlegt und somit nicht direkt als Geschütz erkennbar) offenbar in Yrramis von der dortigen orkischen Besatzung beschlagnahmt worden. Nun steht er unter Zeitdruck und sucht eine Gruppe von Held*innen, die die Waffe dort herausholen, bevor die Orks bemerken, was ihnen da in die Hände gefallen ist.

In Yrramis angekommen schließt sich ein eindeutiger Heist-Part an. Die erste Herausforderung besteht darin, in den Ort zu kommen, ohne dass wesentliche Ausrüstungsgegenstände konfisziert werden. In der Stadt bestehen viele Optionen, u.a. muss man Kontaktpersonen suchen, Informationen sammeln, wo sich die Rotze befindet, wie sie bewacht wird und zuletzt gilt es, den richtigen Moment zur Übernahme zu finden und eine Flucht zu planen. Das alles findet unter den Augen einer kopfstarken orkischen Besatzungstruppe unter dem Statthalter Atrrazan Ogerschelle statt. Um dies am Spieltisch auszugestalten, gibt es als wichtigstes Instrument eine Karte des Ortes sowie einen Plan des konkreten Gebäudes, in dem sich der Wagen mit der Rotze befindet. Dazu sind Beschreibungen wichtiger Örtlichkeiten sowie vieler Bewohner von Yyramis existent. Als Hilfestellung ist ein grober Ablaufplan vorhanden, der um konkrete Szenen, die teils im Hintergrund stattfinden, ergänzt wird.    

So denn der Coup gelingt, schließt das Abenteuer mit der wilden Flucht der Spielercharaktere ab, was in ein actionreiches Finale mündet, denn der Raub wird mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht allzu lange unbemerkt bleiben. Zudem muss die Rotze ja noch beim Auftraggeber in Greyfensteyn abgeliefert werden.

II. Figuren      

Tatschlich verfügt das Abenteuer für ein Heldenwerk über eine recht umfangreiche Personenriege, wobei sich die meisten Begegnungen erst ergeben, wenn die Gruppe in Yrramis angekommen ist. Zuvor ist Wolfborst als Auftraggeber relevant, auch weil er ihnen die ersten Eckdaten ihres Auftrags und Anlaufpunkte geben kann. Vor Ort handelt es sich dann um eine sehr gemischte Riege aus Menschen, Goblins und Orks. Bei Letzteren ergeben sich die Antagonisten diesmal quasi von Amts wegen, gilt es doch, von Atrrazan Ogerschelle bzw. seinem wichtigsten Handlanger Shurrak Brandfell nicht vorzeitig bemerkt zu werden.

III. Kritik

Das Svelltland ist bekanntlich an den Wilden Westen angelehnt und in der Tat hat Heiße Ware etwas von einem Italo-Western: Unter Zeitdruck muss in einer Stadt, die von ziemlich rauen Machthabern kontrolliert wird, etwas entwendet werden. Zwangsläufig ergibt sich daraus aller Voraussicht nach ein fulminanter Showdown, in dem die Chancen gegen eine Übermacht eigentlich eher schlecht stehen. Bei dem Objekt der Begierde handelt es sich thematisch passend zudem mit einer Rotze um das aventurische Äquivalent einer Kanone.    

Der Hintergrund des Abenteuers ist gut ausgestaltet, was vor allem was Yrramis betrifft. Dort hat man im Prinzip alles, was man zur Ausgestaltung benötigt: örtliche und personale Informationen (natürlich vornehmlich in Kurzform, das Heldenwerk bietet ja nur begrenzten Raum), Kartenmaterial, dazu einen allgemeinen Zeitablauf sowie einen für die Orkbesatzer. Ebenso gibt es einige Gerüchte sowie szenische Schilderungen. Natürlich muss eine Spielleitung trotzdem noch einiges an Arbeit investieren, in einem „normalen“ Abenteuerband mit mehr Seiten wäre beispielsweise sicherlich noch aufgeführt worden, welche Information man wo erhält, eine solche Übersicht fehlt hier bzw. muss man dies aus dem Text zusammensuchen oder selbst entwickeln. Eine Stärke liegt sicherlich in den vielen Figuren, mit denen man interagieren kann/muss. Gerade auch deshalb, weil hier durchaus viele ambivalente Charaktere vorhanden sind, wie z.B. der Goblin Smoglin, der helfen kann, Waffen in die Stadt zu schmuggeln, dies allerdings nicht ohne Gegenleistung tun wird.

Es handelt sich allerdings um keine Sandbox, da gewisse Vorgaben trotzdem vorhanden sind. Hier bin ich etwas zwiegespalten, ob ich eine offenere Variante für günstiger befunden hätte. So baut man automatisch eine gewisse Gängelung ein, indem der Moment, in dem man zuschlagen muss, eigentlich klar vorgegeben ist, ganz gleich, wo man sich zu diesem Zeitpunkt in seinen Recherchebemühungen befindet. Umgekehrt konnten die Autoren so einige Wendepunkte einbauen. Immerhin handelt es sich streng genommen auch ein wenig um eine Agentenstory, indem man eine feindliche Basis infiltriert und sich vor Ort mit Kontaktleuten treffen muss. Somit wurden auch Elemente wie Gegenspionage eingebaut, was auch ein paar tragische Elemente mitbringt, wenn man beispielsweise das Schicksal einer bestimmten Person in der Hand hat und es eben nicht nur um einen Gegenstand geht. Vor allem muss man solche Entscheidungen angesichts großer Gefahr treffen und damit höchstwahrscheinlich auch die eigenen Fluchtchancen mindern. Damit wird ein spannender moralischer Aspekt eingebracht. Zusätzlich gibt es für eine Gruppe viel zu tun, was gerade auch Arbeitsteilung bedingen kann, wenn bestimmte Prozesse gleichzeitig ablaufen. Beispielsweise sollte man die eigene Tarnung tunlichst aufrecht erhalten und wirklich eine Scheinrolle als Händler ausfüllen, während im gleichen Moment Recherche und Akquise betrieben werden müssen. Zuletzt ergibt sich außerdem noch eine gewisse Wendung, da man erkennen kann, dass man die Gegenseite auf keinen Fall unterschätzen sollte.

Der Handlungsteil, der dem gegenüber etwas knapper beschrieben ist, ist das Finale. Das empfinde ich insofern etwas schade, weil so das cineastische Potential nicht genutzt wird, das eigentlich vorhanden ist. Immerhin befindet man sich am Ende wahrscheinlich in der Situation, dass man sich einer mobileren Übermacht stellen muss. Dabei besteht der einzige Vorteil, dass man sich einiger effektiver Teile der Beute bedienen kann. Hier sehe ich eine verschenkte Möglichkeit, da ich mich frage, wieso nicht antizipiert wird, dass die Spielercharaktere auch auf die Idee kommen könnten, die Rotze zusammenzubauen, beispielsweise können sie sogar einer zwergischen Expertin für Geschütze begegnen, die man dazu rekrutieren/zwingen könnte. Aus meiner Sicht würde das zum Western-Thema sehr gut passen, wenn man unter Zeitdruck verzweifelt versucht, die Rotze fertigzustellen, während die Feinde immer näher kommen. Zudem würde es eine realistische Möglichkeit bieten, wieso man eine Übermacht trotz schlechter Chancen bezwingen kann. Hier würde ich mir im sich irgendwann anschließenden Bonusmaterial für ein Heldenwerk-Archiv entsprechende Ausgestaltung wünschen.

IV. Fazit

Heiße Ware ist ein sehr spannendes Heldenwerk, das die Western-Thematik des Svelltlands gut aufgreift. Vor allem der Kernteil der Handlung ist gut ausgestaltet, indem man der Spielleitung viel Material an die Hand gibt, um die Planung eines Diebstahls in einer gut bewachten Umgebung durchzuführen. Lediglich das Finale könnte man aus meiner Sicht noch spektakulärer ausarbeiten, indem man die vorhandenen Mittel noch besser nutzt.        

Bewertung: 5 von 6 Punkten

2 Kommentare

  1. Hallo Engor. Danke für die positive Bewertung. Die Idee die Spieler die Rotze zusammenbauen zu lassen war schon sehr verlockend, aber wir haben bewußt darauf verzichtet, weil es eigentlich unlogisch ist. Die Rotze ist dafür viel zu groß und zu schwer. Das würde wohl eine Woche dauern, mit Kenntnis und Werkzeug. Und daher war es uns letztendlich wichtiger realistisch zu bleiben. Wir hoffen, dass trotzdem genug Potenzial für Spannung im Finale steckt. Grüße Ralf und Steffen.

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