Rezension: Das Eynmaleyns der Kräuterkunde

Vorbemerkung: Zu den positiven Überraschungen der vergangenen Jahre gehörten die beiden Aventurischen Herbarien. Das Thema Pflanzen war nicht unbedingt etwas, was bei mir allzu hohe Erwartungen ausgelöst hat, eigentlich habe ich es sogar eher für potentiell langweilig gehalten. Stattdessen ist es den Autor*innen aber gelungen, sehr viel daraus zu machen, gerade auch was den direkten Einsatz im Spiel angeht und darin enthaltene Abenteueraufhänger. Das Eynmaleyns der Kräuterkunde von Christian Nehling schließt nun daran an – und wieder auch nicht. Denn auch hier wird zwar die aventurische Flora in den Mittelpunkt gestellt, aber eben aus einer Ingame-Perspektive.

In Zahlen:

– 160 Seiten

– 104 Pflanzenbeschreibungen

– Preis: 29,95 Euro

– Erschienen am 28.9. 2022   

I. Aufbau und Inhalt

In der Erzählsituation ähnelt der Band der Konstruktion der Vademecum-Reihe. Dabei gibt es einen Aventurier als Erzähler, in diesem Fall Travin Kirschhausen, ein Mitglied des Bund des Roten Salamanders, der sein Wissen über Pflanzen und Kräuter mittels eines kommentierten Herbariums an Interessierte weitergeben möchte.  An den Anfang stellt er dementsprechend ein paar Vorbemerkungen zur Kräutersuche, z.B. zu den notwendigen Hilfsmitteln, Angaben wann man bestimmte Pflanzen ernten kann und wie man seine Ergebnisse festhält.

Den Löwenanteil machen dann aber die einzelnen Pflanzenbeschreibungen aus, die immer dem gleichen Schema folgen: Zunächst wird der Name der Pflanze genannt, dem schließen sich dann erst stichwortartige Aspekte an (Nennung von Synonymen, teils von Travin selbst erdacht, Beschreibung des Habitus, der Herkunft und Blütezeit und der Erntezeit). Ebenso wird die Wirkung benannt, die durchaus unterschiedlich sein kann für verschiedene Teile der Pflanze, die Anwendung in der Volksmedizin, die Zubereitung, Geruch und Geschmack und die Aufbewahrung. Textlich den meisten Anteil nehmen aber die sogenannten Reisenotizen ein. In diesen schildert Travin, wie er mit der jeweiligen Pflanze in Kontakt geraten ist und welche Besonderheiten sich dabei ergeben haben. Dabei geht er oft auch auf konkrete Aspekte zu der betreffenden Pflanze ein. Immer wieder greift er dabei auch auf Legenden zurück, die man sich im Volksmund zu dem Gewächs erzählt. Zu jeder Pflanze gibt es dann auch farbige Skizzen, die zum einen die Pflanze in ihrem gängigen Aussehen zeigen, aber auch Besonderheiten aufnehmen, also z.B. die Kapseln, Blätter oder die abgefüllte Trank-Variante zeigen, wenn dies relevant erscheint. Bei einer Schlingpflanze wie der Boronsschlinge werden dementsprechend die Schlingen besonders prominent in Szene gesetzt. Bei der Dornrose, die jeden Monat ein anderes Aussehen hat, werden folglich die Varianten von Praios bis Rahja gezeigt.

Am Bandende werden noch einige Besonderheiten berücksichtigt. So setzt sich das Kapitel Von Königen und Königinnen mit der möglichen Existenz von Pflanzenherrschern auseinander, wobei es sich analog zu den bekannteren Vertretern aus der aventurischen Tierwelt um die ersten Vertreter ihrer Art handelt, die über besondere Kräfte verfügen. Entsprechend seiner Profession gibt Travin zudem Tipps, wie man Pflanzen optimal zur Heilung einsetzt. Zuletzt hat er Tabellen erstellt, denen man die optimalen Erntezeiten für Sammler*innen entnehmen kann. Am Ende findet sich außerdem ein Glossar mit den wichtigsten fachsprachlichen Begriffen der Pflanzenkunde.    

II. Kritik

Ein erstes Lob muss zunächst an die optische Machart des Bandes erteilt werden: Das Eynmaleyns der Kräuterkunde mit seinem grünen Einband und den farbigen Pflanzenskizzen sieht wirklich hervorragend aus und hat etwas sehr Authentisches, so stellt man sich tatsächlich die Aufzeichnungen eines Kräuterkundigen einer Fantasy-Welt vor. Als Ingame-Quelle ist der Band aus meiner Sicht extrem gut einsatzbar, das ist etwas, was ein aventurischer Charakter in seinem Besitz haben könnte und als Grundlage für sein eigenes Pflanzenwissen nutzen kann. Das ist auch insofern stimmig, als dass Travins Aufzeichnungen ja immer eine gewisse Unschärfe enthalten, teilweise stellt er Vermutungen an und oft äußert er sich eher oberflächlich, so dass die Informationen nie allumfassend wie in einer Hintergrund-Spielhilfe sind.   

Die Texte zu den Pflanzen sind aus meiner Sicht gelungen: Nach wie vor handelt es sich nicht um ein Thema, das ich per se interessant finde, aber es gelingt hier durch die Reisenotizen, das an sich eher trockene Thema unterhaltsam zu gestalten, indem Travins Anekdoten spannende Elemente oder kuriose Momente enthalten. Tatsächlich hätte ich mir an dieser Stelle durchaus sogar längere Einzeltexte gewünscht, wofür ich umgekehrt auch die eine oder andere Pflanze weniger in Kauf genommen hätte.

Hier offenbart sich nämlich aus meiner Sicht die einzige Schwäche des Bandes. Bis auf einige wenige Pflanzen ergibt sich dasselbe Problem wie bei den Herbarien: Abgesehen von einigen Ausnahmen, die besondere Eigenschaften haben, stechen nur wenige Gewächse hervor, die überwiegende Mehrheit sind entweder Gift- oder Heilpflanzen. Daraus resultiert an dieser Stelle wenig Abwechslung, in den Effekten gleichen sich viele Pflanzen und unterscheiden sich nur in Einzeldetails, das können auch gut formulierte Texte nicht kaschieren. In dieser Hinsicht wären demzufolge weniger Einzelbeschreibungen möglicherweise eine Option gewesen, in denen Travin dann mehr Raum für seine Erzählungen gehabt hätte.

Allerdings halte ich trotz dieser Ähnlichkeiten den Band keineswegs für überflüssig. Ganz im Gegenteil stellt Das Eynmaleyns der Kräuterkunde eine gelungene Ergänzung zu den beiden Herbarien dar, indem das individuelle Erzählen hier den dort naturgemäß nüchtern gehaltenen Texten neue Facetten hinzufügt, die subjektiv gefärbt sind. Eine grundsätzlich schöne Ergänzung ist an dieser Stelle auch das Sonderkapitel zu den Pflanzenkönigen und -königinnen. Diese erscheinen sehr reizvolle Wesen zu sein, die vor allem den Pflanzen noch eine Besonderheit verleihen, die sie teilweise zu lebenden Figuren werden lassen. Allerdings ist dieses Kapitel merkwürdiger Weise etwas anders gehalten als der Rest des Textes und äußert sich ausgesprochen vage und verlässt in der Regel den Pfad von Travins persönlichen Erlebnissen. Zumindest eine Schilderung einer erlebten Begegnung hätte ich als Bereicherung empfunden.

III. Fazit

Das Eynmaleyns der Kräuterkunde ist ein gelungener Ingame-Band, der die beiden Herbarien in ihrer Eigenschaft als Spielhilfen um eine interessante individuelle Perspektive ergänzt. Die Pflanzenbeschreibungen sind gut und unterhaltsam geschrieben und geben dem Band eine hervorragende Eignung als Quellenband für Spielercharaktere.

Bewertung: 5 von 6 Punkten     

3 Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar