Ein Interview mit Aram Ziai

Vor einiger Zeit habe ich den neuen DSA-Roman Expurgico rezensiert und der Band um den kauzigen Magier Karjunon Silberbraue hat mir insgesamt wirklich gut gefallen. Aus einem kurzen Mailkontakt mit Aram Ziai, dem Autor des Romans, hat sich nun die Gelegenheit zu einem Interview ergeben. Wie immer interessiert mich dabei vor allem, wie es zur Entstehung einer Idee kommt und wie zentrale Detailentscheidungen entstanden sind. Aus meiner Sicht sind dabei einige spannende Antworten herausgekommen.   

Lieber Aram, kannst du dich für die Leser*innen einmal kurz vorstellen, vor allem natürlich auch verbunden mit der Frage, wie du zu DSA gefunden hast?

Mein Name ist Aram Ziai und ich bin deutsch-iranischer Soziologe und Politikwissenschaftler. DSA spiele ich mit kurzen Unterbrechungen seit Mitte der 80er, nachdem ein Mitschüler mich angefixt hatte. Allerdings verloren von der ersten Runde bald die meisten das Interesse und ich blieb alleine übrig und spielte Solos wie Nedime oder Der Quell des Todes. Glücklicherweise fand ich nach einer Durststrecke gleich drei neue Runden, so dass meine Nachmittage und Wochenenden immer gut gefüllt waren.

Ich habe gesehen, dass dein Name auch in einigen teils schon sehr alten Publikationen zu finden ist. (u.a. Das Herzogtum Weiden). Seit wann arbeitest du an DSA mit?

Ich bin ganz schlecht in Jahreszahlen aber würde so schätzen seit Anfang der 1990er. Allerdings habe ich wirklich nur ganz am Rande mitgearbeitet, primär vermittelt über Stefan Küppers, der in der Redaktion war und mit dem ich jede Woche zusammen gespielt habe. Zum Herzogtum Weiden bin ich über das Briefspiel gekommen, nachdem ein Charakter von mir bei der Lehnsvergabe zum Baron der Hollerheide geworden war. In der Baronie lag zufällig Burg Rhodenstein mit dem Orden zur Wahrung, und der neue Abt Dragosch Corrhenstein (gespielt von Niels Gaul) erwies sich als übler Schurke, noch bevor er Schwert der Schwerter wurde.

Weiterhin habe ich an den ersten Magierakademien mitgeschrieben und hier und da Kleinigkeiten beigesteuert, wie z.B. die Beschreibung von Torxes von Freigeist für die Borbarad-Box (mein Abenteuer dafür wurde leider nicht genommen) oder Granus von Honingen und Karjunon Silberbraue für die Gezeichneten-Kampagne. Und dann habe ich wegen Kindern und Beruf auch wieder damit aufgehört. Ich habe zwischendurch sogar ganz mit Rollenspielen aufgehört, weil mir (außerparlamentarische) Politik wichtiger war und ich dachte ich verschwende in Aventurien Zeit, die ich besser nutzen sollte.

Expurgico ist dein erster Roman. Wie ist es zu der Idee gekommen?

Naja, Karjunon war mein zweiter DSA-Charakter und ich hatte in seiner Hintergrundbeschreibung neben biographischen Ideen auch einige „Primärquellen“ – was sich Leute auf dem Konvent über ihn erzählen, oder was in seiner KGIA-Akte steht. Zur Romanidee wurde das Ganze erst, als mit der Regionalbeschreibung Meridianas bei der Mirhamer Akademie stand, dass er auf dem Sterbebett liegt und es Streit um die Lizenzgebühren für seine Familie gab. Das war nicht mit mir abgesprochen (wahrscheinlich wussten sie gar nicht, dass Karjunon ein SC war) und ich hatte das Gefühl, ich musste mir eine Geschichte ausdenken, um diese offizielle Version mit meinem misanthropischen Charakter mit widerwärtigem Aussehen (der ganz bestimmt keine Kinder hatte) unter einen Hut zu bringen. Dass das jetzt ein richtiger DSA-Roman ist, ist schon so ein bisschen ein Traum, der wahr geworden ist.

Wie lange hat es gedauert von dieser ersten Idee bis zum fertigen Roman?

Uff, viele Jahre. Reine Schreibzeit wahrscheinlich so drei bis vier, aber ich muss dazu sagen, dass ich da schon die Professur und somit wenig Urlaub und selten freie Wochenenden hatte. Diese habe ich dann nach Möglichkeit zum Schreiben genutzt. Ulisses – ich hatte sie angefragt, aber nichts gehört und irgendwann kamen sie wegen Lizenzfragen auf mich zu und ich erzählte von meiner Idee – fand den Plot gut, aber den Roman letztlich mehr als 100.000 Zeichen zu kurz, so dass ich noch viel Fluff und zusätzliche Szenen einbauen konnte. Das hat dem Roman sehr gut getan, glaube ich. Ich neige sonst sehr zum Fokussieren auf das unbedingt Notwendige.

„Expurgico“ ist als Roman in vielen Zeitsprüngen geschrieben. Wie ist es zu dieser Entscheidung gekommen?

Dafür gab es mehrere Gründe: Zum einen ging es darum, die schöngefärbten Memoiren mit der Rückblende in ein anderes, deutlich weniger heroisches Licht zu rücken und von ihm unterschlagene Aspekte miteinzubeziehen: die Angst vor Dämonen als Motivation ihre Beherrschung zu studieren, die Verlorenheit im Dasein als Abenteurer bzw. Lohnmagier, die Geschehnisse im Borbaradianerkloster, usw. Zum anderen sollte natürlich mit dem ersten Prolog und dem Grabstein der Spannungsbogen um seinen Tod erzeugt werden, und zu seiner Aufrechterhaltung war es notwendig, die tatsächlichen Umstände quasi nachträglich zu erzählen. Und der zweite Prolog sollte den Spannungsbogen um das Ableben Hilaruds von Kuslik einführen und so den Perricum-Plotstrang vorbereiten.

Karjunon ist alles andere als ein typischer Romanheld, immerhin ist er kauzig, moralisch ambivalent und oft auch boshaft. Warst du nicht versucht, deinen alten Spielcharakter in seiner Romanversion etwas „glattzubügeln“?

Eigentlich nicht. Für mich werden Charaktere durch die moralischen Ambivalenzen deutlich interessanter. Und gerade weil es ein SC ist, wollte ich ihn auf keinen Fall als Erfolgstypen darstellen, der immer auf der richtigen Seite steht und jede Hürde meistert. Daher finden sich auch einige Szenen, in denen er – aus Angst oder Bequemlichkeit – moralisch versagt (selbst aus einer „chaotisch guten“ Gesinnung gesehen) – oder bestimmte Situationen aus eigener Kraft nicht bewältigen kann.

Einige der Ereignisse im Roman sind direkt an die aventurische Geschichte angelehnt, z.B. nimmt Karjunon am Kampf gegen Borbarad teil und tritt auf dem Allaventurischen Konvent auf, interagiert mit vielen „Großen“ der DSA-Historie. Wieviel Recherche nimmt es in Anspruch, solche Passagen zu schreiben, in denen man sich eng an Vorgaben halten muss?

Ich bin ehrlich gesagt kein akribischer Perfektionist, aber wollte natürlich Widersprüche mit anderen Quellen vermeiden und musste daher tatsächlich eine Reihe von aventurischen Fakten recherchieren. Ich würde sagen, wenn man so lange DSA gespielt hat und viele der Spielhilfen und „historisch relevanten“ Abenteuer im Regal hat, hält sich der Aufwand halbwegs in Grenzen. Die Wiki Aventurica ist auch enorm hilfreich – vielen Dank an Alle, die da mithelfen! Aber es ist natürlich etwas völlig anderes, wenn man frei schreiben kann, ohne nachschlagen zu müssen, wann Carolan Schlangenstab geboren wurde, ob Liscom von Fasar in dem Jahr noch an der Al-Achami gelehrt hat, oder wann Salpikon Savertin Spektabilität geworden ist. Andererseits kann man so auch auf bereits eingeführte schillernde Figuren und stimmungsvolle Zitate und Primärquellen zurückgreifen. Hier habe ich einige Perlen aus früheren DSA-Publikationen geklaut, wie die über Meister Sharwan oder die Hände und Zungen Amazeroths. Den Vortrag zur borbaradianischen Magie vom Puniner Konvent habe ich, wie Dir in Deiner Rezension direkt aufgefallen ist, aus Rohals Versprechen abgeschrieben, für das ich ihn damals verfasst hatte.

Der Roman endet ja ein paar Jahre vor der aventurischen Gegenwart und Karjunons Geschichte scheint noch nicht auserzählt. Hättest du für ihn noch Zukunftspläne?

Ja, schon deswegen, weil ich im Schreiben die (aus meiner Perspektive gesehen) „Hiobsbotschaft“ erhalten hatte, dass Karjunon auf dem Konvent von 1041 zum Erzmagier wurde und das natürlich sehr erklärungsbedürftig ist, nachdem der Roman so endet. Aber auch unabhängig davon gibt es ja einige lose Fäden, die nach einer Fortsetzung rufen – nicht nur im Hinblick auf Karjunon, sondern auch im Hinblick auf Anselmo und das Amulett oder Selara und die Anklage. Wenn der Roman gut ankommt, werde ich Ulisses sehr gerne einen zweiten Teil vorschlagen. Aber der würde sicher noch etwas brauchen, auch wenn die Plotlinien schon geplant sind.

Lieber Aram, ganz herzlichen Dank für das freundliche Gespräch und die vielen Hintergrundinformationen! Und natürlich drücke ich die Daumen, dass der Roman erfolgreich genug ist, um eine Fortsetzung zu rechtfertigen. Wer sich für „Expurgico“ interessiert, findet den Roman u.a. hier.

2 Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar