Rezension: Aus fernen Ländern

Vorbemerkung: Direkt nach dem ersten Pfotenwerk erscheint bereits die zweite Ausgabe für das neue DSK-Kurzformat. Allerdings ist zumindest für regionale Abwechslung direkt gesorgt, indem Aus fernen Ländern von Philipp Baas nach Havena führt, während zuvor ja mit Fasar der andere große Schauplatz bedient wurde. Erneut handelt es sich um eine sogenanntes Abenteuer-Szenario, also eine Hintergrundbeschreibung mit abenteuerlichen Handlungselementen, ohne jedoch eine stringente Geschichte mit klarer Abfolge.

In Zahlen:

– Pfotenwerk Nr. 2

– 20 Seiten

– Preis: 1,99 Euro

– erschienen am 30.3. 2023

I. Aufbau und Inhalt

Die Handlung ist zwar in Havena angelegt, allerdings ist der Hauptschauplatz eigentlich in das Abenteuer-Szenario selbst integriert. Denn im Mittelpunkt steht ein Wanderzirkus, der von Ort zu Ort zieht und nun eben in Havena einen Halt einlegt. Dessen Besitzer Mangorius ist zwar ein Mensch, der Fokus liegt aber auf den 6 Erwachten, die mit dem Zirkus reisen. Diese sind für Havena insofern exotisch, als dass dort ja bisher nur die Katzen erwacht sind, während die Erwachten des Zirkus aus unterschiedlichen Spezies bestehen.

An konkreter Handlung ist vor allem ein Einstieg vorgesehen. In einer Taverne können die Spielercharaktere zwei Mitgliedern des Wanderzirkus begegnen, die als Ortsfremde sofort Aufmerksamkeit erregen, zumal sich unter ihnen eine Fennek befindet, die den Katzen Havenas völlig unbekannt ist. Eine Besonderheit der Zirkustruppe ist zudem, dass sie ihren Lebensunterhalt mit kleinen Diebestouren bestreiten, wobei ihre Opfer allerdings die Menschen sind, denen teilweise gar nicht auffällt, dass sie bestohlen werden, da Erwachte ja andere Prioritäten in der Frage setzen, was man als wertvoll einstufen kann und was nicht. An dieser Stelle werden auch zwei Varianten für die weitere Entwicklung gegeben: Entweder entscheiden sich die Held*innen aus eigenem Antrieb für einen Zirkusbesuch oder aber sie werden dazu vom Unterweltboss Don Gato beauftragt, der die Neuankömmlinge als potentielle Konkurrenz für seine eigenen Geschäfte betrachtet und mehr über sie erfahren will.

Das Kernstück bildet folgend die Beschreibung des Wanderzirkus. Dazu wird zunächst dessen Umgebung geschildert, u.a. mit möglichen Begegnungen mit Menschen oder Wachhunden. Weiterhin wird auf alle Einzelelemente des Zirkus eingegangen, also das große Zelt für die Vorführungen, die Käfig- und Personenwagen bzw. Kutschen (mit den jeweiligen kurzen Beschreibungen des Wageninneren, schließlich leben die Zirkusmitglieder ja dort).

Daran schließen sich die Personenbeschreibungen an, wobei für alle 6 Erwachten (1 Moosäffchen, eine Fennek, drei Katzen/Kater und ein Wachhund) Kurzbiografien und Wertekäste vorhanden sind. Gleichermaßen werden auch einige ausgewählte menschliche Gaukler berücksichtigt, also der Zirkusdirektor Mangorius und dessen wichtigste Mitarbeiter*innen.

II. Figuren

Diese Figurenbeschreibungen nehmen innerhalb des Szenarios einen vergleichsweise großen Raum ein, da immerhin 6 Erwachte und 4 Menschen als Personenriege zur Verfügung stehen. Die Menschen nehmen dabei potentiell die Rolle von Antagonisten ein, vor allem da sie überwiegend kein gutes Verhältnis zu Tieren haben und Erwachte als Attraktionen nützen würden, wenn sie sie als solche erkennen würden. Dies gilt vor allem für den Direktor Mangorius und den Dompteur Trello, die beide eher profitorientiert sind und Tiere ohnehin für ihre Zwecke ausbeuten. Bei den Erwachten ist für havenische Verhältnisse vor allem die exotische Zusammensetzung der Gruppe reizvoll. Gerade der Moosaffe Spektakulus als kleinkriminelles Mastermind und die charismatische Fennek Almina ragen dabei heraus.

III. Kritik

Gerade aus dieser Figurenkonstellation lässt sich einiges machen. Spektaculus und seine Gruppe bilden fast schon eine konkurrierende Heldengruppe, da sie aus sehr unterschiedlichen, sich ergänzenden Charakteren bestehen und die über einiges an Erfahrung und (für erwachte Verhältnisse) Weltgewandtheit verfügen. Dabei sind sie keineswegs als klare Antagonisten konzipiert, u.a. weil ihre Diebestouren sich ja nicht gegen andere Erwachte, sondern vornehmlich gegen Menschen richten. Konkurrenz zu Don Gato muss zudem ebenfalls nichts sein, was jetzt grundsätzlich gegen sie spricht. Eine Besonderheit ist zudem, dass sich bewusst nicht alle Mitglieder der Gruppe auf Anhieb als Erwachte zu erkennen geben, was für den einen oder anderen plötzlichen Aha-Effekt sorgen kann.

Erstmals in einem DSK-Szenario sind auch die Menschen als individuelle Charaktere angelegt, was insofern passt, als dass diese teilweise als klare Gefahrenquellen (Mangorius, Trello) agieren können, aber auch zwei potentiell wohlmeinende NSC vorhanden sind. Zudem gibt es weitere Tiere, die allerdings nicht erwacht sind, trotzdem aber eine Rolle spielen können. Somit ist in erster Linie viel Interaktionsraum gegeben, den man zur freien Ausgestaltung nutzen kann.

Tatsächlich liegt die Stärke des Szenarios vor allem darin, diesen freien Handlungsraum zu gewähren. In dieser Hinsicht wirkt es wie eine beschreibende Erweiterung des Hauptbandes. Was es aus meiner Sicht hingegen kaum beinhaltet, ist der in der Genre-Betitelung eigentliche vorhandene Abenteueranteil. Im Prinzip gibt es eine Einführung durch die Tavernenszene und die beiden Einstiegsoptionen (also z.B. den potentiellen Auftrag von Don Gato), danach schließen sich nur noch die Hintergrund- und Figurenbeschreibungen an. Das finde ich grundsätzlich auch nicht problematisch, es muss ja nicht immer eine klare Handlung vorgegeben sein. Was mir an der Stelle allerdings fehlt, sind ein paar mehr Anregungen. Konflikte sind zwar grundsätzlich vorhanden, allerdings primär auf der Figurenebene. Mir fehlen noch ein paar weitere Verbindungsstücke, z.B. die Option auf einen großen Coup, der die Zirkusgruppe wirklich in Konflikt zu Don Gato führen könnte, oder der dafür sorgen könnte, dass der Zirkus auch in der Menschenwelt genau die Art von Aufmerksamkeit erhält, die nicht wünschenswert ist, wenn der Verdacht auf die Menschen fällt. Einige solcher Abenteueraufhänger würden definitiv nicht schaden, vor allem, wenn die Bezeichnung Abenteuer-Szenario gewählt wird.

Umgekehrt ist auch hier der Vorteil vorhanden, dass man den Havena-Band sehr gut mit dem Szenario verbinden kann und er somit wieder einen Mehrwert erhält.  Der Zirkus bietet zudem einen guten Kontrast, durch die weitgereisten Erwachten existiert, wie im vorherigen Szenario, wieder ein Bindeglied zwischen den beiden DSK-Settings Havena und Fasar. Rein hypothetisch könnte man hier sogar ein DSA/DSK-Crossover entstehen lassen, da ja nicht nur die Erwachten beschrieben sind, sondern auch einige der Menschen, die mit dem Zirkus durch die Gegend ziehen.     

IV. Fazit

Aus fernen Ländern bietet viel spannendes Hintergrundmaterial zur Erweiterung des Havena-Bandes und kann vor allem mit einer gelungen Figurenriege aus Erwachten und Menschen überzeugen. Als Abenteuer fehlen mir allerdings noch mehr Aufhänger, inwieweit man die Einstiegsgeschichte weiterführen kann.

Bewertung: 4 von 6 Punkten  

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