Das Aus für die Heldenbreviere?

Vorbemerkung: DSA5 hat einige Veränderungen in der Produktionsstrategie mit sich gebracht, unter anderem sind auch einige ganz neue Bandreihen entstanden, z.B. die Rüstkammern als Ergänzungen zu Regionalspielhilfen oder auf der Ebene von Abenteuern die Einstiegshefte mit der Betitelung Auf ins Abenteuer. Auch die rein narrative Seite hat eine eigene Konstante erhalten: Die Heldenbreviere als reine Ingame-Bände, in denen die Regionen Aventuriens aus der Perspektive von typischen Figuren vorgestellt werden. Im Bereich der Kritiken sind diese Bände meist ganz gut weggekommen (gerade auch hier im Dereblick), aus diesem Grund scheint es etwas überraschend, dass die Heldenbreviere offenbar aus dem Produktrepertoire gestrichen werden.

Das sagt Ulisses

Aufhorchen ließ eine Bemerkung von Johannes Kaub in einem Redax-Infostream zum kommenden Bornland-Crowdfunding. Die Frage, ob es ein Heldenbrevier geben würde, negierte er mit dem Verweis, dass sich leider erwiesen habe, dass diese Bände sich nicht allzu gut verkaufen würden und deshalb für diese Regionalspielhilfe kein Heldenbrevier vorgesehen sei. Ein paar Tage später wurde dies von Ulisses-Chef Markus Plötz präzisiert, indem er auf Nachfrage schilderte, dass vor allem die gestiegenen Papierpreise dafür sorgen würden, dass ein solcher Band wie die Heldenbreviere sich wirtschaftlich nicht rentieren würde. Allerdings erfolgte dort noch keine definitive Aussage hinsichtlich einer Einstellung, im Gegenteil wurde dort sogar explizit nach einem Meinungsbild gefragt (was ich im Folgenden gerne liefere).

Ein Blick in die Editionsgeschichte

Um das einordnen zu können, muss man einige Jahre in der irdischen Zeit zurückschauen. Als mit Die Streitenden Königreiche 2015 die erste Regionalspielhilfe für DSA5 erschien, war dies mit einer Änderung der Veröffentlichungsstrategie verbunden. In Zeiten von DSA4 war ja der gängige Weg, dass die Regionalspielhilfe von einer Abenteuer-Anthologie mit verschiedenen regionalen Szenarien begleitet wurde. Nun wurde ein anderer Ansatz gewählt: Die Regionalspielhilfe sollte als Begleiter ein kurzes Einzelabenteuer erhalten, dazu gab es eben noch zwei neue Produkte, neben dem Heldenbrevier die regionale Rüstkammer. Die Funktion letzterer Produkte ist zunächst einmal klar, sie sollen die Spielhilfe zum einen noch detaillierter anreichern (Rüstkammer) und sie sollen das Setting noch anschaulicher ausgestalten (Heldenbrevier). Allerdings wurde direkt dazu gesagt, dass man dies nicht als Standard ansehen sollte, eine solches Konvolut von 4 Bänden für jede Region könne man nicht jedes Mal garantieren, weil es den Entstehungsprozess natürlich erweitert, was ebenso für die redaktionelle Arbeit gilt, da dann ja noch mehr Projekte gleichzeitig koordiniert werden müssen.

In der Folge hat man bei Ulisses diese Einstellung ganz offensichtlich revidiert, diese Bände sind bisher zu jeder Regionalspielhilfe erschienen. Stattdessen hat sich das Portfolio ja sogar noch weiter vergrößert, indem nun auch noch ein Regelergänzungsband (Glaube, Macht und Heldentum), ein Landkartenset, ein Spielkartenset (mit Das Wüstenreich aber eingestellt) und eine Sphärenklänge-CD hinzugefügt wurden.      

Auch die Aufgabe des Heldenbreviers hat sich im Laufe der vergangenen Jahre verändert. War es anfangs noch ein unabhängiger Band, der einfach typisches Regionalflair einfangen sollte, wurde dessen Funktion mit dem Erscheinen von dem Heldenbrevier der dampfenden Dschungel umdefiniert. Seitdem gibt es eine engere Vernetzung mit der Regionalspielhilfe und dem Begleitabenteuer, indem das Heldenbrevier und das Abenteuer Ereignisse schildern, die den gültigen Status quo der Regionalspielhilfe herbeiführen.

Stilistisch geht das Heldenbrevier dabei nach wie vor einen ungewohnten Weg, indem es sich um eine Variante des eigentlich eher altmodischen Briefromans handelt. D.h. die Erzählweise ist etwas ruhiger, Spannung wird eher durch Wendungen erzeugt, weniger durch dramatische Kampfszenen etc. Seit Die Siebenwindküste, der 2. Regionalspielhilfe, liegt die Autorenschaft zudem in festen Händen. Carolina Möbis fungiert seither als Autorin und hat – meiner Meinung nach – einen sehr gelungenen Stil entwickelt und jedes Mal neue, lesenswerte Geschichten entwickelt, was sich hier im Dereblick auch mit durchweg guten Kritiken widerspiegelt.  

Mein Eindruck

Wenn man also nur mich fragen würde, wäre ich demzufolge eindeutig für eine Fortführung des Formats. Aber selbstverständlich ist mir klar, dass es sich dabei um eine rein subjektive Perspektive handelt und man verschiedene Sichtweisen berücksichtigen muss.

Zunächst muss man natürlich sagen, dass wirtschaftliche Aspekte ohne Zweifel die Entscheidungen eines Verlags beeinflussen müssen. Wenn sich etwas schlichtweg nicht rentiert, also sich keine oder nicht genügend Abnehmer finden, dann ist es nicht vernünftig, eine Reihe vorzuführen. Solche Entscheidungen hat es schon in der Vergangenheit gegeben, darunter einige, die auch der Verlag bedauert hat. Ein Beispiel wären hier die aus meiner Sicht extrem gelungenen Aventurischen Jahrbücher, für die sich aber schlicht nicht genügend Käufer*innen gefunden haben.

Zusätzlich muss auch die Effizienz im Auge behalten werden. Es ist ein schlichter Fakt, dass die Planungen von DSA5 im Bereich der Regionalspielhilfen eine kleinteiligere Aufteilung als in der Vorgängeredition vornehmen, beispielsweise wird das Horasreich am Ende zwei Bände erhalten, indem das Kernreich vom „wilden Süden“ und den Zyklopeninseln abgegrenzt wurde, die schon einen eigenen Band erhalten haben, auch das Mittelreich wird viel weiter ausdifferenziert, indem z.B. der Kosch ja bereits mit einer Regionalspielhilfe versehen wurde, was zuvor nie geschehen ist. Und gleichermaßen stellt das offenbar ein Problem in der Frequenz dar, indem das ursprünglich angepeilte Ziel von mindestens 2-3 Regionalspielhilfen pro Jahr bislang nie eingehalten werden konnte, zuletzt gab es sogar eine über einjährige Pause (2022 war ein Jahr ohne Regionalspielhilfe). Es sind schlicht nicht die einzigen DSA-Produkte, daneben gibt es immer noch Regelbände und andere Spielhilfen, Abenteuer und besondere Ideen (z.B. Die Werkzeuge des Meisters oder Wege der Vereinigungen).

Wenn man dann eben noch voraussetzt, dass eine Regionalspielhilfe 7-8 Begleitprodukte hat, dann kommt man schnell zu der Erkenntnis, dass eine Maßnahme zur Frequenzerhöhung eine Reduktion der sogenannten Flöte sein könnte. Im zweiten Schritt müsste man dann notwendige und nicht so notwendige Produkte voneinander trennen. Aus meiner Sicht müsste man dann wohl sagen, dass einzig die Regionalspielhilfe selbst und der begleitende Abenteuerband wirklich ein absolutes Muss sind. Alles andere mag zwar schön sein, ist aber im Endeffekt erstmal schmückendes Beiwerk. Wenn man es also knallhart aus der Sicht betrachtet, kann ich eine Einstellung der weniger rentablen Produkte grundsätzlich verstehen. Natürlich unter Prämisse, dass die dadurch gewonnenen Kapazitäten auch wirklich dazu genutzt werden, die Frequenz von Regionalspielhilfen zu erhöhen.   

Das ist aber natürlich nur eine Seite: Die andere ist aber auch eine Frage der Qualität. Und in dieser Hinsicht halte ich die Heldenbreviere für eine der gelungensten Innovationen der gesamten Edition. Wie schon angesprochen haben die Bände aus meiner Sicht eine beachtliche Qualität, die beispielsweise deutlich weniger Schwankungen unterworfen ist, als ich das z.B. bei Abenteuern beobachte. Das liegt sicher auch an der Autorin, man merkt, dass mit Carolina Möbis jemand tätig ist, die ihr Handwerk versteht und primär eine gute und sehr talentierte Schreiberin ist, die vor allem Figuren in dem Briefstil sehr lebendig werden lässt. Zudem halte ich Konstanz für einen hohen Wert: Bei vielen Produkten bin ich vorher oft im Zweifel, wie gut ein angekündigter Band in der Umsetzung ist. Ausnahmen sind vor allem solche Produkte, bei denen die Schreibenden in ihrem Spezialgebiet viel Routine haben, wozu vor allem die Soloabenteuer von Sebastian Thurau und eben die Heldenbreviere von Carolina Möbis gehören. Aus dieser Warte heraus, wäre es aus meiner Sicht ein Verlust, auf ein bewährtes Pfund wie dieses zu verzichten. Um es klar zu sagen: Die Heldenbreviere stellen für mich oft die kleinen Highlights unter den DSA-Produkten dar, was ich bei der ersten Ankündigung des Formats nicht erwartet hätte.   

Alternative Möglichkeiten

Vielleicht gäbe es ja auch alternative Möglichkeiten für die Zukunft. Wenn denn wirklich Publikationsprozesse verschlankt werden sollen, wäre es ja eine Option, eben nicht für jede Regionalspielhilfe ein Heldenbrevier zu produzieren. Beispielsweise empfinde ich das aktuelle Heldenbrevier des Wüstenreichs als besonders nützlich, weil es den aktuellen Metaplot der Region, das sogenannte Zeitalter des Rache, sehr gut herleitet. Hier ist es also ein gutes Kontextprodukt, was vielleicht nicht für jede Region und jeden neuen Metaplotfaden zwingend notwendig ist.

Wenn es zuletzt wirklich um die Papierpreise geht und der Grund wirklich in der Hardcover-Präsentation liegen sollte, wäre es ja vielleicht auch eine Alternative, dem Band eben nur noch ein Softcover zu verpassen. Das mag zwar für Sammler nicht unbedingt wünschenswert sein, letzten Endes schlägt aber doch der Inhalt immer die Verpackung. Auf die wertige Präsentation würden sicherlich viele verzichten, wenn dafür weiterhin derart gutes Ingame-Material erscheint.   

Da ja von Markus Plötz nach einem Meinungsbild gefragt wurde: Ich persönlich würde mich sehr darüber freuen, wenn eine Idee für eine Zukunft des Formats gefunden würde. Und ich würde mich natürlich ebenso freuen, wenn sich möglichst viele andere Leute dazu äußern würden, um dem Verlag da in der Breite valide Rückmeldungen zu liefern. Beispielsweise gibt es dazu diesen Thread im Orkenspalter-Forum, selbstverständlich lade ich aber auch gerne dazu ein, Kommentare unter diesen Beitrag zu stellen.  

13 Kommentare

  1. Mir waren die Heldenbreviere für eine hübsch aufgemachte Kurzgeschichte schon bisher schlichtweg zu teuer und jetzt hat der Preis ja nochmal kräftig angezogen. Während mir die Götter-Vademecums bei vergleichbarem Umfang und Preis als Nachschlagewerk und Material für den Spieltisch (z.B. um Gebete zu zitieren) ausreichend Nutzen geliefert haben, waren die Heldenbreviere an einem Abend flott durchgelesen und verließen dann für lange Zeit nicht das Regal, dafür gebe ich einfach keinen Betrag aus, für den ich einen Roman mit dem vierfachen Umfang kaufen kann.
    Die einzig sinnvolle Entwicklung wäre für mich die Veröffentlichung als günstiges pdf- (bzw. besser noch epub-)only-Produkt. Aber mit dem Wüstenreich wurde ja selbst der pdf-Preis des Heldenbreviers gegenüber seinen Vorgängern fast verdoppelt.

    Ich bedauere übrigens, dass ich hier lesen muss, dass die Heldenbreviere, die ich bisher immer als Stimmungs-Begleitbücher gesehen habe, inzwischen offenbar als notwendig erachtet werden, um beim Metaplot am Ball zu bleiben. Das fände ich keine gute Entwicklung.

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  2. Nachdem ich aikirs Kommentar gelesen hatte, muste ich selbst einmal auf ulisses-ebooks.de die Preise der Heldenbreviers prüfen – und kräftig schlucken. 7,99 Euro sind meines Erachtens für detuschsprachige eBooks normal. Ich vermute, dies liegt auch an den Regeln zur Buchpreisbindung. Weshalb das neue Brevier zum Wüstenreich allerdings fast doppelt so teuer ist, entzieht sich meinem Verständnis. Eventuell kann jemand aus der Verlagsbranche hier erklären, ob auch dies mit der Buchpreisbindung zu tun hat. Für 160 Seiten im A6-Format bin allerdings auch ich nicht gewillt, derart viel Geld auszugeben.

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  3. Für mich sind die Heldenbreviere ebenfalls eine der besten Ideen von DSA5 und sehr wertvoll um die Region kennenzulernen. Klar ist die eigentliche Regionalspielhilfe dazu gedacht. Dort werden die Informationen allerdings eher sachlich gehalten, während das Brevier hier einen deutlich immersiveren Blick ermöglicht.
    Für mich als jemand, der mit DSA5 eingestiegen ist, ein super wertvolles Produkt! Könnte mir auch vorstellen, dass es auch vielen anderen „Neueinsteigern“ so ergeht. Meine Schmerzgrenze liegt bei 21€ für so en Buch, bis dain aber gerne, solange sie fortgesetzt werden. Da gibt es aus meiner Sicht Proukte, die dann lieber liegen gelassen werden könnten (entweder durch die Redax, oder durch mich um das Geld in die Breviere zu stecken)

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  4. Meine ganz eigennützige Perspektive: Ich bin großer Bornlandfan sowie seit Jahren dort in der Theaterritter-Kampagne unterwegs und hätte da wirklich gerne zum CF bzw. zur RSH das größtmögliche Paket.

    Für die Zukunft würde ich die Heldenbreviere als Teil der Regionalflöten wahrscheinlich mitkaufen, aber auch nicht groß vermissen.

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  5. Für mich sind die Heldenbreviere immer das Stück an einer Regionalbox, dass den Flair einer Region am besten vermittelt.
    Dadurch, dass die Regionalbücher immer in der Seitenzahl fest aufgeteilt sind (mit in meinen Augen viel zu großem Regelteil), kommt da in meinen Augen manches zu kurz.
    Würd ich definitiv vermissen.

    Allerdings muss ich auch sagen, dass die Einzelpreise jenseits von Gut und Böse sind (was wahrscheinlich auch an der Gestaltung der Seiten liegt, die ja nicht nur aus schwarzen Buchstaben auf weißem Grund bestehen)
    Falls der Regelteil in den Regionalbänden jetzt aufgrund der Kodexes zugunsten des Fluffteils zurückgeschraubt werden sollte, könnten sie dadurch ersetzt werden. Keine Ahnung, was da der Plan ist oder sie lieber die Kodexes direkt wieder unvollständig machen.

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  6. Für mich waren die Heldenbreviere – wenn ich ehrlich bin – immer nur Beiwerk, in das ich immer nur kurz reingelesen habe.
    Ich habe immer das Gesamtpaket gekauft und es war okay, dass das Brevier dabei war. Jetzt ist es okay, wenn es nicht mehr dabei ist.
    Als Solo-Produkt hätte ich das Buch jedenfalls nie gekauft.
    Also R.I.P. Heldenbrevier.

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  7. Ich brauche die Heldenbreviere nicht. Und um so schlimmer ist es, dass der Metaplot immer mehr zerstückelt in solche Nebenprodukte verfrachtet wird. Gerne weglassen. Macht lieber normale Romane oder mehr Abenteuer, in denen der Metaplot lebt, die kaufe ich gerne.

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  8. An den Heldenbrevieren gefällt mir, dass sie wirklich ausschließlich Fluff enthalten. Die Art, die Geschichte als Briefroman zu erzählen, sagt mir aber ehr nicht zu.

    Der Grund, dass ich die Heldenbreviere nicht kaufe, ist aber ein anderer: ich finde das Layout sehr leseunfreundlich. Wie gerne würde ich einfach nur schwarzen Text auf weißem Hintergrund lesen. Stattdessen: braune Schrift auf beigem Papier, das auch noch übersät ist mit Pseudo-Flecken. Das mag man stimmungsvoll finden, ich finde es für die Augen einfach nur anstrengend.

    Wenn das Layout normalisiert wird, dann würde ich die Heldenbreviere – zumindest für die Regionen die mich interessieren – kaufen.

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  9. Ich besitze alle Regionalspielhilfen, aber aber in keins der Heldenbreviere reingeschaut, auch wenn ich sie aufgrund des ein oder anderen Crowdfundings besitze. Mir wird nichts fehlen.
    Wie oben schon genannt, wäre ich ebenfalls dafür die Ressourcen lieber in Einzelabenteuer mit Metaplotbezug zu stecken.

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    1. Ich sehe einige Dinge ja auch kritisch, aber in dieser Form kann ich deinen Pessimismus nicht teilen. Zumal ja die geplante Einstellung nichts damit zu tun hat, dass man bei Ulisses die Heldenbreviere nicht will, sondern sie offenbar keine guten Verkaufszahlen haben. Inzwischen hat sich da übrigens erfreulicherweise geändert, mit gewissen Einschränkungen wird die Reihe fortgeführt.

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  10. Das Aus kommt nun also doch noch nicht, weil es offenbar viele Reaktionen gab. Beim CF Winterwacht (Bornland) kommt wieder ein Heldenbrevier, laut Verlagsvideo hat Carolina Möbis schon den Schreibauftrag erhalten.

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