Qualitätsmanagement bei Ulisses

Vorbemerkung: Die DSA-Community mag in den letzten Jahrzehnten zusammengeschmolzen sein, im Nischenbereich Rollenspiel ist sie aber immer noch sehr groß und auch durchaus aktiv. Das schlägt sich unter anderem in dem Umstand nieder, dass es immer wieder rege Diskussionen um Publikationen, den Metaplot, Verlagsstrategien oder Einzelthemen wie die Beliebtheit bestimmter NSC gibt. Vor allem ist sie aber auch eine Art atmosphärischer Sensor, zeigt also an, wie die Stimmungslage insgesamt ist. Kritik muss man dabei sicherlich auch immer einordnen können, ob man sie generalisieren kann, oder ob sie – gerade in den von mir „heißgeliebten“ Detaildiskussionen über einzelne Regelaspekte – nicht (zu) sehr von persönlichen Präferenzen gesteuert ist. In den letzten Monaten, vor allem seit Jahresbeginn, ist aber auffällig, dass sich besonders viele Diskussionen im Bereich der Produktqualität abspielen, wobei es weniger um inhaltliche Fragen geht, sondern eher um das Qualitätsmanagement in den Herstellungsprozessen.

Auslöser

Intensiviert hat sich das vor allem an zwei Großbaustellen: Die neuen Kodex-Bände, in denen ja vor allem Regelinhalte aus mehreren Einzelbänden gebündelt werden sollen und die Vorab-PDF aus dem Crowdfunding Die Gunst der Göttin.

Die Kodex-Bände sollen ja in Zukunft die Referenzbände für den Regelbereich darstellen. Umso wichtiger erscheint es hier, dass sie gründlich erstellt werden und dass die Gelegenheit genutzt wird, die gesamten bereits publizierten Regeln noch einmal auf den Prüfstand zu stellen, um etwaige Schwächen zu beheben. Das ist sicherlich kein einfacher Prozess, vor allem auch, da sich an kaum einen anderen Rollenspielaspekt so viele Kontroversen bilden, die dann im Regelfall auch in Detaildiskussionen abdriften, in denen es mitunter um Zahlenfragen, Realismusfaktoren etc. geht, die nicht immer alle in dieser Intensität nachvollziehen können (ich beispielsweise überhaupt nicht). Das ist durchaus nachvollziehbar, im kommenden Kodex des Schwertes waren aber bestimmte Änderungen von der Redaktion angekündigt worden, die im finalen PDF, das an die Vorbesteller im Collector`s Club ging, nicht beinhaltet waren.

Bei Die Gunst der Göttin wurden an die Unterstützer*innen des Crowdfundings zuletzt ebenfalls sehr viele Vorab-PDF verschickt. Hier stechen besonders zwei Bände ins Auge. Der NSC-Band Rahjas Diener und die Hauptspielhilfe Rahjas Gunst. Beide Bände sind gespickt mit Rechtschreibfehlern, Buchstabendrehern etc. und hier war mein Ersteindruck, dass es sich fast noch um eine Rohfassung handelt, die unmittelbar vorher noch von den Autor*innen getippt wurde, ein erkennbares Korrektorat ist für mich nicht vorhanden gewesen. Dazu kamen Merkwürdigkeiten im Layout, z.B. wenn in Rahjas Gunst im selben Band einige Texte gleich zweimal abgedruckt sind oder in beiden Bänden sehr viel ungenutzter Platz vorhanden ist, der einige Seiten recht leer aussehen lässt. Zudem waren im Crowdfunding über Bonusziele Zusatzinhalte versprochen wurden, die sich teilweise nicht oder maximal ansatzhaft in den Bänden finden lassen. Ich bin wirklich niemand, der im Thema Rollenspiel Dinge unnötig dramatisieren möchte, aber hier halte ich es doch für notwendig zu betonen, dass zahlende Kund*innen einen gewissen Qualitätsanspruch haben, der hier deutlich unterschritten wurde.

Die Vorab-PDF im Collector`s Club und bei den Crowdfundings haben zwar durchaus ihren klar formulierten Status innerhalb des Qualitätsmanagements, allerdings kann das nicht so weit gehen, dass dort fast schon das gesamte Korrektorat geleistet werden soll. Vielmehr darf dort ja nur noch eine letzte Feedback-Phase stattfinden, in der die Fehler ausgebügelt werden, die bisher übersehen wurden. Bände in einem offensichtlich unfertigen Status herauszugeben, ist dann aus meiner Sicht auch insofern schlecht, als dass das ja wieder Diskussionen auslöst, die ein Verlag für seine Außendarstellung nicht haben möchte.

Das betrifft aber in jüngerer Zeit auch andere Bereiche, z.B. wurden zuletzt auch die Auslieferung der Stoffkarte für das Wüstenreich moniert, die im Format A2 angekündigt wurde und dann aber im Format A3 ausgeliefert wurde. Gleichzeitig haben viele Kunden die anscheinend abnehmende Qualität der Acrylmarker für die sogenannten Blips angemahnt. Ebenso wurde unlängst das Retro-Abenteuer Die Kanäle von Grangor ohne die dazugehörigen Karten ausgeliefert.

Reaktionen

All dies hat offenbar zu vielen Rückmeldungen an den Verlag geführt, was in der Summe wohl so nachhaltig war, dass man dort erkannt hat, dass es sich nicht um Einzelmeinungen handelt, sondern wirklich eine Reaktion notwendig ist. Dabei wurde zum einen auf der Crowdfunding-Seite von Die Gunst der Göttin ein Statement von Alex Spohr veröffentlich, in dem dieser einräumt, dass bei einigen Produkten Defizite vorhanden sind, die behoben werden sollen. Beispielsweise sollen die Personenbeschreibungen in Rahjas Diener um Szenario-Vorschläge ergänzt werden und bei Rahjas Gunst und dem Abenteuer Lotosbluten und Visionen sollen versprochene Inhalte noch hinzugefügt werden.

Am Mittwoch gab es außerdem einen Sonderstream mit Ulisses-Chef Markus Plötz, in dem dieser sich ebenfalls zu dem genannten Feedback geäußert hat. Darin räumt er ein, dass bei den angesprochenen Produkten in der Tat einiges schief gelaufen ist und das nicht den selbst aufstellten Standards entsprechen soll. Die Erklärungen dafür seien vielfach, unter anderem durch eine angespannte Personalsituation verursacht.

Sehr erfreulich war die angekündigte Reaktion, nämlich dass in den kritisierten PDF noch einmal eine ausführliche Sichtung und Überarbeitung stattfinden und das, was angekündigt war, auch eingearbeitet werden soll. Das hat natürlich seinen Preis, indem sich sowohl der Kodex des Schwertes definitiv als auch möglicherweise die Auslieferung von Die Gunst der Göttin verspäten werden. Dies liegt unter anderem darin begründet, dass die Produkte nach ihrer Überarbeitung noch ein zweites Mal als Vorab-PDF an die Unterstützer*innen ausgeliefert werden sollen. Die Stoffkarte des Wüstenreichs wird im korrekten Format neu produziert und an die Käufer*innen verschickt. Ebenso teilt er den Eindruck der abnehmenden Qualität bei den Acrylmarkern, was mit den Produzenten kritisch besprochen werden soll.

Mein Eindruck

Erstmal möchte die ich genannte Reaktion von Ulisses ausdrücklich loben. Das zeitnahe Eingehen auf die Kritik zeugt davon, dass man die Probleme selbst erkannt hat und diese auch nicht einfach als Einzelmeinungen abgetan werden. Die genannten Maßnahmen klingen sinnvoll und würden auch eine umfassende Investition an Mehrarbeit bedeuten, da scheint ja nicht einfach ein minimales Ausbessern geplant zu sein, sondern wirklich nochmal neues Material produziert zu werden, wenn man z.B. bei Rahjas Diener für gut 60 Meisterpersonen mit den Szenariovorschlägen nochmal ordentlich zusätzlichen Text produzieren will. Und die erneute Korrekturschleife durch ein neues Vorab-PDF tut sicher auch weh, weil man dadurch nochmal Arbeitskraft auf etwas aufwenden muss, was eigentlich schon abgeschlossen sein sollte. Das ist aber notwendig und kann auch eine vertrauensbildende Maßnahme darstellen.

Bevor man das aber endgültig beurteilen kann – soweit muss ich das schon einschränken – muss man als Kund*innen erstmal die überarbeiteten Varianten sehen, da erst sie Aufschluss darüber geben, wie ernsthaft die Versprechen des Verlag umgesetzt wurden. Ich bin da definitiv kein misstrauischer Mensch und nehme den Vertretern des Verlags ihr Bedauern auch absolut ab, trotzdem kann man ein finales Urteil erst anhand des Endergebnisses abgeben.

Was mir persönlich allerdings wichtig ist, ist dass man im Sinne einer nachhaltigen Qualitätssicherung die entsprechenden Prozesse wirklich auf den Prüfstand stellt und eine umfassende Fehleranalyse unternimmt. Insbesondere hoffe ich, dass dabei das Zeitmanagement überdacht wird. Z.B. hat man teilweise von außen den Eindruck, dass gesetzte Deadlines manchmal sehr kurzfristig wirken, insbesondere wenn man den großen Output von DSA berücksichtigt, es erscheinen ja jeden Monat neue Bände, Crowdfundings haben dazu ja noch einen Ketchup-Effekt, indem urplötzlich ein großer Ausstoß auf einmal erscheint. Das wird aber dann problematisch, wenn man bedenkt, dass die DSA-Redaktion derzeit nur aus 4 Personen besteht und dann möglicherweise ab und an Nadelöhre auftauchen, wenn auf den Redaktionsschreibtischen eventuell zu viel auf einmal liegt und neben den aktuellen Produkten ja auch schon wieder mittel- und langfristige Planungen gleichzeitig stattfinden sollen. Beispielweise gab es ja im Fall des damaligen Crowdfundings Die Gestade des Gottwals eine massive Verschiebung, bei der anschließend gesagt wurde, dass so etwas in Zukunft vermieden werden soll und ein DSA-Crowdfunding nach Möglichkeit abgeschlossen werden soll (zumindest der Teil, der in den Händen einer Redaktion liegt, nicht unbedingt Druck und Auslieferung), bevor ein neues beginnt. In diesem Zusammenhang hatte man in den letzten Wochen schon sehr den Eindruck, dass Die Gunst der Göttin mit aller Macht schnell abgeschlossen werden soll, bevor das neue Crowdfunding Die Winterwacht in knapp drei Wochen beginnt.

Gleichermaßen stellen die Kodex-Bände ein weiteres, zusätzliches Großprojekt dar, indem ja über Tausend Seiten altes Material nochmal gesichtet und aufbereitet werden sollen. Die bisherigen Eindrücke und das jetzige Unterbrechen des Produktionsprozess legen nahe, dass der Arbeitsaufwand hier etwas unterschätzt wurde und die Community diesen Bänden eine besondere Bedeutung zuweist, da sie ja als Standardnachschlagewerke angesehen werden und sich deshalb potentiell häufig im Gebrauch befinden dürften. An so einer Stelle ist Gründlichkeit besonders intensiv gefragt.

Aus diesem Grund würde ich beispielsweise Zeitplanungen wirklich auf den Prüfstand stellen und ggf. schon in den Ankündigungen mit großzügigeren Zeitfenstern planen. Die aktuellen Reaktionen auf die Ankündigungen von Ulisses zeigen ja auch, dass man deutlich eher dazu bereit ist, den einen oder anderen Monat länger auf einen Band zu warten und dafür ein gutes Endergebnis geliefert zu bekommen. Und es wäre auch niemandem geholfen, wenn jetzt einfach besonders viel Arbeitskraft auf die angekündigten Korrekturen verwendet wird und die entsprechenden Ressourcen dann an anderer Stelle erstmal abgezogen werden und dann in ein paar Monaten dort dieselben Probleme auftauchen. Mit ist klar, dass Ulisses wirtschaftlich ein Interesse hat, einen guten Output an Produkten zu haben, mit denen man den Betrieb finanziert, allerdings halte ich es für nachhaltiger, wenn man mit viel Umsicht dafür sorgt, dass man zufriedene Kund*innen hat, die gerne weiter in DSA und Co. investieren. In dieser Hinsicht drücke ich dem Verlag alle Daumen, dass das aktuelle Feedback dazu genutzt wird, die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen.                            

10 Kommentare

  1. Hallo Engor,
    Ich wollte nur kurz sagen, dass ich mich wiedermal über den Artikel gefreut habe. Ich bin auch eher jemand, der Leuten glaubt, und hofft, dass bald Sachen wieder besser werden. Ich habe viel Freude an meinem DSA und hoffe, dass es noch lange so weiter geht.

    Mach weiter so.

    Gefällt 2 Personen

  2. Allgemein macht es auf mich den Eindruck, dass mit immer weniger Aufwand immer mehr Produkte rausgepresst werden müssen. Wobei hier der Druck je nach Produktart zu variieren scheint. So lässt sich nur vermuten, dass man bei den Kodexbänden nicht die Chance genutzt hat das Regelset ausgiebig zu überarbeiten, weil man den Zeitaufwand und die damit verbundenen Kosten gescheut hat. Und das, obwohl diese Bände für die nächsten Jahre den Regelkern darstellen werden. Stattdessen wurde mit wenig Aufwand altes Material zusammenkopiert. Dafür gibt es im Randbereich wiederum einige Produkte, die noch eine gewisse Liebe zum Detail aufweisen, wie die Sammelbände für Kreaturen oder Pflanzen. Stellt sich die Frage, warum man hier eine gewisse Qualität liefern kann, dies bei wichtigeren Produkten aber völlig schleifen lässt..

    Gefällt 1 Person

    1. Widersprechen würde ich dir einzig bei der Unterteilung zwischen wichtig und unwichtig, das ist wohl eher eine Frage der Perspektive. Ich persönlich halte den gesamten Hintergrund für wichtiger und die Regeln eher für ein notwendiges Übel. Das ist aus meiner Sicht eher subjektiv.
      Bei dem Beispiel der Kodici würde ich tatsächlich vermuten, dass es etwas damit zu tun hat, dass es ja nichts Neues ist, sondern man sich offenbar zu sehr darauf verlassen hat, dass das bisher Vorhandene nicht so intensiv neu betrachtet werden muss.
      Auffällig ist auf jeden Fall, dass die Produktqualität variiert, neben den genannten „Problemfällen“ könnte man auch viele Sachen nennen, die richtig gut sind. Und das halte ich eben auch für ein Problem, wenn im selben Verlag vergleichbare Produkte eine unterschiedliche Qualität aufweisen, z.B. im Korrektorat oder der allgemeinen Gründlichkeit. Der Anspruch sollte es natürlich sein, immer die gleiche, gute Qualität zu erreichen.

      Like

  3. Man muss schon bedenken, dass so ein Verlag seine Mitarbeiter bezahlen muss und dafür regelmäßig Umsatz braucht. Die Fanbase hat die alten Bände schon, also müssen neue her.

    Falls der Verlag knapp bei Kasse ist, ist der Zeitdruck umso höher. Dass in so einer Situation Fehler passieren, liegt auf der Hand. Und wenn die jetzt noch einmal aufwendig nachbessern müssen, bedeutet das höhere Kosten und verzögerter Umsatz.

    Im Endeffekt wird DSA durch diesen Umsatzzwang zur Ware.

    Like

  4. Vielen Dank für den wie gewohnt ausgewogenen Artikel, der die Situation nüchtern aber wie ich finde treffend abbildet.
    Es wäre schön wenn Ulisses auf das Feedback der Community auch über die letzten Schnitzer hinaus hören würde. DSA5 ist mittlerweile ein Monster geworden, dass zu zähmen wohl immer schwieriger wird. Ich würde mit meinen Leuten gerne mal wieder DSA spielen, es winken aber mittlerweile alle ab – zu kompliziert, zu zeitintensiv und Aventurien ist ihnen als Abenteuerort auch nicht mehr unbedingt besonders attraktiv. Es bedarf einfach zu vieler Ressourcen, und das nicht unbedingt was wir an den knappen wertvollen Abenden spielen wollen…
    Ich denke für Ulisses wäre weniger mehr. Und die Brötchen ein bisschen kleiner aber dafür besser backen. Die Community verzeiht vieles, aber sie wird kleiner und auch nicht unbedingt geduldiger.

    Like

    1. Volle Zustimmung! Weniger Produkte bzw. Seiten und dafür mehr Qualität, das wär’s. Ich selbst kaufe kaum mehr was, da waren zu viele Enttäuschungen bei.

      Like

    2. Mich als „Alt“-Rollenspieler seit Anfang der Neunziger interessiert vor allem gedruckter Content, weniger diese ganzen Gymmicks wie Schicksalspunkte, Würfelsets und Acrylmarker. Unter diesem Aspekt finde ich, dass derzeit relativ wenig Output produziert wird. Ich weiß leider nicht, wie lukrativ das ganze Zubehör für den Verlag ist; persönlich würde ich mich eher über mehr Abenteuer und Regionalspielhilfen freuen, gerne auch ohne diese ganzen Produktflöten.

      Like

  5. Danke für diesen Impuls.
    Ich bin ehrlich gesagt etwas ratlos. Da ich immer wieder mehr als 20 Jahre alte DSA Produkte in der Hand habe und auch benutze, hat die Qualitätsdiskussdion für mich immer ein wenig virtuellen Charakter. Die offensichtlich gewaltigen Sprünge in der Qualität (und auch den Ansprüchen) kann ich nicht einfach so mental beiseite schieben. Ob ein überflüssiges Kompendium von Regeln, die ich nicht benutze, fehlerhaft oder wenig innovativ ist, kann ich kaum sonderlich würdigen.
    Für mich ist und bleibt das Schwarze Auge ein Produkt, welches durch seine Geschichten definiert wird. Daher ist mein Fokus auch ein anderer und sehr weit von manchen Produkten mit möglichen Qualitätsschwierigkeiten entfernt.

    Was mich dennoch immer wieder stört ist die Vorstellung ein Verlag müsse wie ein privates Liebhaberprojekt funktionieren. Tatsächlich müssen auch bei Ulisses Gehälter bezahlt werden und mancher Unkenruf, es müsse endlich wieder mehr Qualität her und dafür dürften auch weniger Produkte erscheinen, scheint die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen völlig zu verkennen.

    Ich habe manchmal Zweifel an der Klugheit der wirtschaftlichen Strategie, aber andererseits kenne ich die konkreten Verkaufszahlen und Gewinnmargen nicht. Und vermutlich würde es mich traurig machen, wenn ich sie kennen würde.

    Like

Hinterlasse einen Kommentar