Rezension: Schleichender Verfall

Vorbemerkung: Die Schwarze Katze ist mittlerweile ein etabliertes eigenständiges Rollenspiel, auch wenn es natürlich bei weitem nicht den Umfang vom Vorbild DSA hat. Schleichender Verfall stellt nun aber immerhin bereits die dritte Erweiterung des DSK-Universums dar, indem nach Havena und Fasar nun mit Donnerbach und dessen Umgebung ein neues Setting vorgestellt wird. Der Hauptband legt den Fokus auf die Hintergrundbeschreibung, die sich von Havena und Fasar deutlich unterscheiden müsste. Immerhin handelt es sich bei Donnerbach selbst um eine deutlich kleinere Stadt und außerdem soll die umgebende Wildnis ein integraler Settingbestandteil sein (und nicht eine zusätzliche Ergänzung wie bei den beiden anderen DSK-Schauplätzen). Somit erhoffe ich mir auch hier wieder einige neue Impulse und eine klare Eigenständigkeit.

In Zahlen:

– 192 Seiten

– 3. DSK-Settingband

– Preis: 44,95 Euro

– Erschienen am 28.7. 2023

I. Aufbau und Inhalt

Nach einem Vorwort von Redakteur Philipp Baas wird auch für Donnerbach und die Salamandersteine der Moment des Erwachens als eigenständiges Ereignis beschrieben. Die Besonderheit hier ist, dass dem Mond die dominante Rolle zugeschrieben wird, der dort Mathra genannt wird (dementsprechend haben die verehrten Wesen hier auch nicht Bezeichnung Ahnen erhalten, sondern Mondwächter). Ein Kernunterschied ist, dass es einerseits urbane Erwachte gibt, die ihre Identität gegenüber den humanoiden Wesen weiterhin verbergen müssen, während die Erwachten der Salamandersteine ihr Dasein weitgehend ungestört führen können, sieht man von Begegnungen mit den Krächzern (den Elfen, deren Stimmen für die Erwachten extrem unangenehm klingen) und den Suulaks (den Goblins) ab. Zudem wird auf eine bestimmende Komponente eingegangen, indem vor allem in Donnerbach die Erwachten von einem Propheten namens Yoko Felja-Dao beeinflusst sind, der bis zu seinem Verschwinden ein Leben in Harmonie predigte. Somit ist hier – anders als in Fasar und Havena – die Ahnen- bzw. Mondwächter-Verehrung weit weniger ausgeprägt, sondern der Fokus wird vornehmlich auf die Verehrung Mathas gelegt, wodurch sich eine große Gruppe der Erwählten Mathras gebildet hat. Dabei handelt es sich nicht gerade um ein friedliches Miteinander, sondern um eine klare Konkurrenzsituation, womit die Verehrung der Ahnen und Mondwächter quasi eine Untergrundbewegung geworden ist bzw. vornehmlich außerhalb der Stadtmauern in den Salamandersteinen praktiziert wird.

Somit werden die Ahnen kurz vorgestellt und dann um die Mondwächter ergänzt, wobei hier Gris und Gror, Osommo und Sima und Charyto genannt werden sowie die sogenannten Hüter, die ersten Erwachten. Das Böse wird verkörpert durch die Entität Amadena, der die Macht über die Feinde der Erwachten zugesprochen wird, u.a. die Verschlinger (die Neunaugen), die Suulaks, die Schlünde (Orte, die besonders lebensfeindlich sind) und die Wilde Hatz.

Im Bereich des Alltagsleben wird auf die vielen zusätzlichen Spezies eingegangen, die hier ebenfalls erwacht sind, u.a. Füchse, Marder, Gänseluchse und Feenhörnchen. Anders als in Fasar grenzen sich die Erwachten hier aber nicht durch diese Spezieszuhörigkeit voneinander ab, sondern durch die Zugehörigkeit zu den bereits erwähnten Erwählten und den Freien Krallen, die weiterhin unabhängig leben wollen. Dabei wird unter anderem auf Nahrung und Feierlichkeiten eingegangen und auf das Verhältnis zu den Menschen und Elfen.

Wie bei DSK bewährt, erfolgt die Vorstellung der konkreten Örtlichkeiten in Form von Rundgängen, die in einer Ingame-Perspektive geschildert werden. Dabei lösen sich die Begleiter stetig ab und führen durch die einzelnen Stadtteile Donnerbachs bzw. folgend in die Salamandersteine und Orte außerhalb der Stadt. Somit werden Beschreibungen nicht allgemein vorgenommen, sondern schlaglichtartig, indem konkrete Orte und NSC thematisiert werden. Für beide Zentralschauplätze werden zusätzlich herausragende NSC mit Kurzcharakterisierungen versehen.         

Wie bei den vorherigen Erweiterungen wird auch der Regelsektor ausgebaut. Zunächst werden dabei neue Spezies (eingeteilt in neue Hunde- und Katzenrassen, Marder und besondere Spezies der Salamandersteine wie Rotfuchs und Feenhörnchen) mit Modifikatoren aufgeführt, dann Kulturen (u.a. die Erwählten Matras und die Freien Krallen) und Professionen. Letztere erhalten immer eine Seite mit einer Illustration, einer allgemeinen Beschreibung, Regelmodifikationen und einigen Sätzen zur Ausrüstung. Ergänzt wird dies um neue Vor- und Nachteile und Sondereigenschaften. Zusätzlicher Raum wird den Professionen der Geschwister der Mondwächter (Gris und Gror, Osommo und Sima, Charytho und Mamosh) gewährt, wobei deren Aspekte benannt werden und folgend die entsprechenden Gaben aufgeführt werden. Konkretisiert wird dies wieder durch 8 Beispielcharaktere, die jeweils eine Doppelseite erhalten, auf der der Hintergrund skizziert wird und ein Wertekasten enthalten ist.

Der Bereich Neues Heldenwerkzeug legt den Fokus auf zwei besondere Gegenstandskategorien: Die Streichelfakte sind das DSK-Pendant zu magischen Artefakten, die in Donnerbach hergestellt werden. Die Besonderheit ist, dass die Aufladung der Streichelfakte durch die sogenannte Schmissigkeit gewährleistet wird, die nur dadurch erreicht wird, dass der Hersteller von einem Menschen mit magischen Fähigkeiten gestreichelt wird (oder natürlich einem Elfen). Die Akamandra hingegen sind Artefakte, die aus den Überresten von verstorbenen Tieren (oder gar Erwachten) hergestellt werden und von den Schnitzern mit besonderen Eigenschaften ausgestattet werden. Da diesen Gegenständen allerdings noch die Seele des verstorbenen Wesens innewohnt, haben sie auch immer eine widerspenstige Komponente. Daneben werden auch reguläre Ausrüstungsgegenstände thematisiert, wieder in der Rundgangsform, in der die Anbieter ihre Waren feilbieten (ergänzt um Wertetabellen). Zuletzt folgt ein Bestiarium mit den Wesen, mit denen sich die Erwachten in Donnerbach und den Salamandersteinen auseinandersetzen müssen. Dies sind u.a. größere Waldtiere wie Bären oder Wölfe, aber auch Wesen wie die Shinx (ein Kollektivwesen, bestehend aus einem Ameisenstamm) oder die Verschlinger. Am Ende findet sich noch ein Schlagwortindex. Wie immer dient dieser auch als Trenner zu einem Mysterienkapitel. Dort kann die Spielleitung konkretere Hintergründe und Geheimnisse in Erfahrung bringen. Viele von diesen lassen sich den Oberthema Schleichender Verfall zuordnen, was im vorherigen Text eher unterschwellig angedeutet wird.

II. Kritik

Auch bei diesem Band lässt sich aus meiner Sicht direkt wieder feststellen, dass gut mit den Stärken von Die Schwarze Katze gearbeitet wird. Weiterhin wird nicht auf kleinteilige Details gesetzt, sondern die allgemeinen Angaben werden um beispielhafte Schilderungen ergänzt, also sehr konkrete Orte und die NSC, die man dort antreffen kann. Somit lassen sie erneut viele Passagen aus Schleichender Verfall zum direkten Einsatz im Spiel nutzen, wobei die Spielleitung natürlich die Atmosphäre-Schilderungen aus den Rundgängen entsprechend ausbauen müsste.

Gleichzeigt merkt man schnell, in welcher Hinsicht sich der Band von den beiden anderen Hintergrundschauplätzen unterscheidet. Zum einen passt es, dass nach den beiden sehr urbanen Setting nun eine Mischform aus einer kleineren Stadt und der umliegenden Wildnis skizziert wird. Somit entstehen quasi zwei deutlich voneinander abgrenzbare Bereiche. Interessant ist dabei, dass hier zwar – anders als im Fall des Krisenherdes Fasar mit den zutiefst verfeindeten Spezies-Gruppen – vordergründig der Aspekt der Harmonie betont wird, gerade das aber der eigentliche Anlass für tiefe Zerwürfnisse ist. Passend zur Bedeutung des DSA-Donnerbachs ist auch hier ein religiöser Fokus vorliegend. Die Kluft zwischen den Erwählten und den Freien Krallen ist tief und auch hier ist keine eindeutige Zuordnung von Gut und Böse möglich, stattdessen geht es um die Unvereinbarkeit eines stark ausgeprägten Kollektivcharakters im Gegensatz zu dem Wunsch nach individueller Entfaltung. Oberflächlich gesehen liegt die Trennlinie hier zwischen der von den Erwählten kontrollierten Stadt und den Salamandersteinen, wo vornehmlich die Freien Krallen leben. Unterschwellig sind aber an beiden Orten besagte Differenzen erkennbar, die sich zunehmend verhärten. Sehr positiv sind an dieser Stelle aus meiner Sicht auch die Mysterien zu erwähnen, die besagte Konflikte und auch das Titelthema des schleichenden Verfalls um echte Geheimnisse erweitern, die auch spielbar genutzt werden können und eben keine nichtssagenden Allgemeinplätze liefern und sich nicht in Konjunktiven verlieren. Dies ist ja auch insofern wichtig, als dass die Settingbände bei DSK weniger Unterfütterung durch Abenteuer erhalten, sondern mehr für sich selbst stehen, eben auch als Vorlage für eigene Abenteuer. Hier liegen wieder einmal extrem viele Einzelplots in den Beschreibungen, sowohl im kleineren Format als auch mit Bedeutung für das Gesamtsetting.

Ebenso erhält man viele neue spielbare Charaktere, wobei ich hier etwas skeptischer bin, ob zu viele erwachte Spezies nicht auf Sicht für zu viel Beliebigkeit sorgen, auch was die Sinnhaftigkeit von Die Schwarze Katze als Gesamttitel angeht, weil es einfach zunehmend nicht mehr zutreffend ist. Als deutlich spannender im Bereich, der mit Regeln verbunden ist, empfinde ich die Streichelartefakte und die Akamandra. Beide passen sehr gut zu DSK, indem die Streichelfakte in ihrer Wirkung und Herstellung schwer berechenbar sind, was zur leicht chaotischen Natur der Katzen passt. Die   Akamandra haben umgekehrt eine ausgesprochen ambivalente Natur, indem ihre Herkunft klar mit dem Tod verbunden ist, ihr Nutzen aber groß sein kann. Dafür allerdings haben sie einen sehr widerspenstigen Charakter und können sich mitunter auch gegen die Anwender richten.     

Interessant empfinde ich zuletzt den Aspekt, dass hier ein Band vorliegt, in dem Regel- und Hintergrundbeschreibung noch gemeinsam vorgenommen werden. Das wird sich bei DSA ja zukünftig ändern (was ich auch als absolut sinnvoll erachte), hier bin ich gespannt, ob DSK in Zukunft auch dieser Aufteilung folgen wird.

III. Fazit

Schleichender Verfall ist ein gelungener Settingband, der Donnerbach und die Salamandersteine als neues Schwerpunktsetting gut in Szene setzt. Die Stärke des Bandes ist dabei die Einführung eines Wildnishintergrunds, aber auch die Darstellung der Kontraste zwischen der Stadt Donnerbach mit den Erwählten und den nach mehr Individualität strebenden Bewohnern der Salamandersteine.       

Bewertung: 5 von 6 Punkten

5 Kommentare

  1. So wie du es schilderst, scheint „Schleichender Verfall“ weitere spannende Facetten von DSK zu beleuchten, ohne sich zu wiederholen. Gerade der mystische Aspekt klingt für mich interessant und ich freue mich auf deine Besprechung von „Jenseits des Wasserfalls“.
    Meine Befürchtungen decken sich anscheinend mit deinen, dass im Laufe der Jahre zu viele Tierarten als Erwachte in Erscheinung treten, sodass irgendwann ein Überfluss bzw. die von dir angesprochene Beliebigkeit eintritt. Außerdem ist – gerade bei den Wildtieren – mEn die Trennlinie zwischen Biestingern bzw. Feenwesen in Tierfrom nicht mehr gegeben. Aber vielleicht geht der Band ja sogar darauf ein.

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  2. Ich versteh das Argument „da passt der Name DSK ja nicht mehr“ nicht. DSA geht ja schließlich auch nicht andauernd um, na ja, schwarze Augen!

    Ich glaub sie haben auch schon erwähnt, dass sie Havena/Fasar Sachen das Regional-Treatment geben wollen von Lore und Regelbänden, um weniger Bände zu haben. Jedenfalls hab ich das schon aus verschiedenen Mündern gehört.

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    1. Nun, über Das Schwarze Auge als Titel könnte man sicher in der Sinnhaftigkeit auch streiten, mit dem Wissen von heute hätte man den Titel sicher nicht nochmal so gewählt. Aber um es zu präzisieren, dass der Titel „Die Schwarze Katze“ zunehmend nicht mehr das ganze Setting trifft, ist für mich eher ein Randaspekt. Was ich mit „Beliebigkeit“ meine ist eher auch sowas wie die Sorge vor einer immer größer werdenden Komplexität, wenn jetzt immer mehr Spezies rauskommen, denn das ist halt in großen Teilen auch ein Regelaspekt. Und aus meiner Sicht sollte man den eher klein halten, denn dieses Griffige halte ich für einen Riesenvorteil, vor allem wenn ich es mit der Überkomplexität von DSA vergleiche.

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      1. Danke für die Antwort. Das versteh ich schon eher. Aber ich glaube regeltechnisch wird auch kein großer Vergleich, jedenfalls wenn ich auf die schmalen Kasten zu den Spezies guck. Allerdings hab ich es noch nicht gelesen.
        Ich persönlich find es gut, aber wie immer Geschmackssache. Ich finde Optionbreite in DSA ja auch klasse, aber weiß, dass ich da wahrscheinlich die Ausnahme bin, weil es auch erschlagend wirken kann.
        Sie sollten wirklich nochmal über eine reduzierte Variante nachdenken (DSA meine ich)

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