Rezension: Gehörnte Gefahren

Vorbemerkung: Schon vor geraumer Zeit hat Ulisses mit Götzenkult und Sphärenbeben bereits einen Sammelband herausgegeben, der aus Abenteuern besteht, die eigentlich als Heldenwerke eingereicht wurden. Um den mittlerweile vorhandenen „Überschuss“ veröffentlichen zu können, werden diese nun offenbar nach und nach als Anthologien publiziert. Um einen solchen Band handelt es sich auch bei Gehörnte Gefahren. Auch hier wurden die Abenteuer unter einem Obertitel zusammengefügt, der einen gemeinsamen Nenner für die Inhalte darstellen soll. Darin besteht natürlich auch eine gewisse Gefahr, eine ziemlich willkürliche Mischung entstehen zu lassen. Grundsätzlich aber bin ich natürlich immer froh, wenn mehr Abenteuermaterial zur Verfügung steht, anstatt dass es irgendwo ungenutzt auf den Redaktionsrechnern von Ulisses schlummert.

In Zahlen:

– 64 Seiten

– 3 Abenteuer

– Preis: 19,95 Euro

– Erschienen am 27.7. 2023

I. Aufbau und Inhalt

Wiederum hat man sich für eine Anthologie entschieden, bestehend aus den Einzelabenteuern Die Halle des Widders, Von Garen vergessen und Feenkrieg. Als gemeinsamer Aspekt haben in allen drei Abenteuern wichtige NSC das Merkmal, dass sie gehörnte Wesen sind. Zwischen den einzelnen Abenteuern besteht allerdings kein Bindeglied durch Schauplätze, Figuren oder Handlungsinhalte.

Die Halle des Widders

Das Abenteuer von Max Wetterauer spielt in der unwirtlichen Region des Windhag und hat einen alten Konflikt als Hintergrund, der sich allerdings erst im späteren Verlauf erkennen lässt. Eigentlich beginnt es mit einem gemütlichen Abend im Gasthaus Am Stein im Dorf Widdernhall, der allerdings jäh unterbrochen wird, als ein Ork dem Legendensänger Larric sein Liederbuch entwendet. Der Übeltäter kann aber schnell gefasst werden, womit das eigentliche Abenteuer seinen Anfang nimmt: Der Schamane Marduk erhofft sich aus dem Buch Erkenntnisse über ein altes Orkheiligtum. Dorthin muss er, weil er einem gefährlichen Untier begegnet ist, das er nur mit Hilfe diese Ortes bezwingen kann. Dies ist aber nicht ausschließlich sein persönliches Problem, da seine Sippe unter den Einfluss des Wesens gefallen ist und deshalb eine Bedrohung für den gesamten Ort besteht.

Sollte die Heldengruppe sich entscheiden, ihm zu helfen, werden folgend unterschiedliche Möglichkeiten beschrieben, Informationen über den Standort des Heiligtums zu ermitteln bzw. Konflikte zu bewältigen. Dazu werden einige Anlaufstationen und Personen beschrieben, u.a. der schon erwähnte Larric, aber auch die Burg Widdernhall oder die Kräuterfrau Elida. Zwischendurch kann es auch zu Kämpfen mit den Orks kommen. Das Finale dürfte sich dann sich dann wahrscheinlich am gefundenen Heiligtum abspielen, wo die Rolle der Heldengruppe nicht klar festgelegt ist, von vorherigen Handlungen hängt z.B. ab, ob man Angreifer oder Verteidiger ist.

Von Garen vergessen

An einen weit lieblicheren Ort führt das Abenteuer von Thomas Jaud, indem es die Spielercharaktere in die Stadt Garen auf der Zyklopeninsel Hylailos versetzt. Dort sucht eine Einheimische namens Myrtale ihren jungen Neffen Areos, der seit einem Monat verschwunden ist. Über die Umstände und Hintergründe ist dabei zunächst nichts bekannt, einziger Anhaltpunkt ist, dass Areos Mitglied einer lokalen Bande von jugendlichen Taschendieben ist, der sogenannten Zyklopenbande. Dabei ergibt sich eine Kette von Informationen, denen man folgen kann, um Areos Schicksal in Erfahrung zu bringen. Offenkundig hat es damit zu tun, dass der Junge sich auf die Suche nach einem Heilmittel für seine schwer erkrankte Mutter begeben und dazu Kontakt zu verschiedenen Personen aufgenommen hat. Folgend hat Areos sich aufgrund seiner Erkenntnisse auf eine Queste begeben, die seine Fähigkeiten deutlich überstiegen haben, womit es an der Heldengruppe ist, ihn zu retten. Allerdings erfolgt die Hilfe der NSC nicht immer ohne Gegenleistung, u.a. gilt es, sich in sportlichen Wettkämpfen zu beweisen und bald gerät man auch in Kontakt zu übersinnlichen Wesen wie Dryaden oder Feen. Der Ablauf der Handlung ist an einigen Stellen nicht festgelegt, sondern kann einen unterschiedlichen Verlauf nehmen, je nachdem, wie die Spielercharaktere sich verhalten.

Feenkrieg

In den kleinen Ort Ortis in Albernia, nahe des Farindelwalds führt das Abenteuer von Pascal M. Poolke. Hier offenbart sich recht schnell, dass es um Feenwesen geht, ist der Ort doch in einem gewissen Aufruhr, da sich anscheinend Übergriffe von Feenwesen gegen Menschen häufen. Das führt umgekehrt auch zu Gegenreaktionen, treffen die Spielercharaktere doch zum Einstieg auf eine schwer verletzte Diestelritterin, die von einigen Menschen angegriffen wurden. Im nahen Ortis kann die Verletzte versorgt werden und hier kann man sich auch an die Spur der Angreifer heften. Dazu sind einige Anlaufpunkte beschreiben, an denen man Informationen erhalten kann (wozu auch eine Karte von Ortis enthalten ist). U.a. erfährt man hier, dass es in der jüngeren Vergangenheit bereits Konflikte gegeben hat, die dazu führten, dass eine Gruppe von Holzfällern den Ort verlassen musste. Während des Aufenthalts der Heldengruppe eskaliert die Situation, indem die Feenwesen der Umgebung ein Ultimatum stellen, da sie sich umgekehrt angegriffen fühlen. Somit ist nunmehr große Eile geboten, aufzuklären, von wem die Aggressionen ausgehen. Dies mündet in ein durchaus kampflastiges Finale. Als Ergänzung existiert noch ein kleines Zusatzszenario, zudem sind ein paar Regeln zu Feenpakten beinhaltet.

II. Kritik

In vielerlei Hinsicht merkt man den drei Abenteuern durchaus ihre Herkunft als ursprüngliche Heldenwerke an, indem sie alle eher grob ausgeführt sind und stellenweise Handlungselemente eher skizziert sind, z.B. auch die Figuren. Der Platz wird zumeist auch dadurch etwas reduziert, dass alle Abenteuer eine komplexere Vorgeschichte haben, die weiter in der Vergangenheit liegt und mit älteren Konflikten verbunden ist.

Die Schauplätze sind zwar geografisch unterschiedlich gelegen, indem man Albernia, die Zyklopeninseln und den Windhag aufsucht, allerdings handelt es sich jeweils um Gegenden, in denen viele archaische Vorstellungen herrschen und die lokalen Mythen großen Einfluss auf das aktuelle Leben haben und nicht nur diffuse Geschichten aus alten Zeiten sind. Auch wenn die gehörnten Wesen jeweils sehr unterschiedlicher Natur sind (dämonischen, feeischen und natürlichen Ursprung haben), sind sie tatsächlich ein passendes thematisches Bindeglied. Zudem werden ähnlich breit gefächerte Fähigkeiten verlangt, indem man sich immer in den jeweiligen Ortschaften um eine Recherche zu den Hintergründen der alten Geheimnisse bemühen kann, sich ebenso in der umgebenden Wildnis beweisen muss und jeweils auch kämpferische Tugenden verlangt werden (gegen teils sehr starke Gegner).

Den rauesten Ton schlägt dabei eindeutig Die Halle des Widders an, indem man sich mit Orks und Dämonen auseinandersetzen muss. Hier sind die NSC sehr ambivalent, da Verbündete und Feinde zumindest teilweise nicht klar festgelegt sind. Damit sind auch einige Handlungselemente variabel angelegt und an mehreren Stellen können sich andere Konstellationen ergeben, was sich bis in das Finale zieht, für das es mehrere Varianten gibt. Der Finalort wird sehr atmosphärisch geschildert und hat zur taktischen Ausgestaltung eine kleine Karte erhalten.

Von Garen vergessen hat eine deutlich sanftere Tonart. Beispielsweise steht an Anfang zur Abwechslung mal keine todernste Auseinandersetzung, sondern man schlägt sich mit einer Bande halbstarker Diebe herum, die als Informanten etwas widersprüchlich agieren. Die Zyklopeninseln und ihre mystischen Aspekte werden gut einbezogen, indem auch hier Wesen wie Dryaden und deren Magie eine Rolle spielen. Auch hier liegt der Reiz darin, durchaus komplexere Zusammenhänge zu verstehen und die wahren Motive der NSC zu entschlüsseln. Etwas erzwungen wirkt ein Wettstreit im Mittelteil und hier fehlt eine Karte für den Finalort.

Feenkrieg schließt zuletzt gut an die Metaplot-Elemente aus Die Siebenwindküste an, indem die kriegerischen Auseinandersetzungen der Feenwesen fortgeführt werden. Hier gefällt mir, dass an begonnene Handlungselemente angeknüpft wird. Das ist ja durch die große Auslastung der Autor*innen mit immer wieder neuen Schauplätzen und neuen RSH begründet, dass solche Plots aufgeworfen werden, dann aber lange Pausen vorherrschen, bis diese wieder aufgenommen werden. Und tatsächlich gibt das der zu Beginn eher kleinformatigen Handlung um ein paar zerstrittene Dörfler eine durchaus epische Wende, wenn plötzlich da Schicksal des ganzen Orts auf dem Spiel steht und man am Ende in eine Schlacht verwickelt wird, die allerdings mit anderen Mitteln geführt wird, als man es konventionell erwartet. Das Abenteuer verfügt über eine gute, in der Ansicht ungewöhnliche Karte von Ortis, die finale Globule wird ebenfalls mit dergleichen bedacht. Unterm Strich stellt es für mich das stärkste der drei Abenteuer dar.

Gut gefällt mir, dass alle Handlungen eine gehörigen Fantasy-Einschlag haben und man nicht immer nur unter Menschen agiert. Dazu passend werden auch nicht einfach nur Stereotype bedient, indem Orks nicht immer als erbarmungslose Feinde dargestellt werden und auch Feen oder Biestinger nicht unbedingt freundlich gesinnt sein müssen. Ebenso wird der Faktor Magie durch entsprechende Wesen und Artefakte angemessen eingebunden. 

Fazit

Gehörnte Gefahren beinhaltet drei spannende und abwechslungsreiche Abenteuer, die allesamt auf passenden mystischen Vorgeschichten basieren. Gemäß des Formats sind die jeweiligen Rechercheteile eher grob ausgeführt, dafür kann man oft mit ambivalenten Figuren interagieren, die in ihrer Funktion und Wirkung nicht immer klar festgelegt sind. Ein klarer Mangel, v.a. in der Ausgestaltung der kampflastigen Finalsituationen, ist das teilweise fehlende Kartenmaterial.      

Bewertung: 4 von 6 Punkten             

10 Kommentare

  1. Danke für deine Rezension! Ich kann zu Feenkrieg hier korrigieren: „die finale Globule hingegen wird mit dergleichen leider nicht bedacht. “
    Doch, doch! Da gibt es eine Karte, S. 56, „Altes Holzfällerlager“. Da findet die Endschlacht statt, nicht in einer Globule (es gehen nur im späteren Kampf Globulentore auf, aber da kommen nur Kämpfer raus).

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  2. Von Garen vergessen:
    Danke für deine Rezension. Der Wettstreit gehörte ursprünglich zum Zusatzmaterial des Heldenwerks 😀

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    1. Danke für die Antwort. Das merkt man dieser und der vorherigen Anthologie tatsächlich stellenweise an, dass das Zusatzmaterial eingearbeitet wurde, das eigentlich für das Archiv angedacht war. Ist ja auch grundsätzlich völlig in Ordnung, mehr Material ist immer besser. Ich glaube nur, dass es tatsächlich besser am Ende eingefügt werden sollte, um den optionalen Charakter zu unterstreichen.
      Ganz generell ist es aber eine gute Leistung von euch drei Neuautoren, sich in dem Kurzformat zu beweisen halte ich nach wie vor für anspruchsvoll.

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      1. Ich hab leider keine Karte, war alles im Kopf. Alle Bergszenen sind im Grunde räumlich von Zyklopenfluff getrennt, die Entfernungen können beliebig gewählt werden. Die Schauplätze sind enger Spalt, kleine Fläche, große Fläche mit Mauerresten. Gestalte Sie, wie du dir die Sache vorstellst.

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