Rezension: Wellen von Wert

Vorbemerkung: Unter den Soloabenteuern der Vergangenheit gehört Yaquirwellen von dem leider viel zu früh verstorbenen Ralf Hlawatsch zu meinen persönlichen Lieblingen (die entsprechende Rezension findet sich hier). Umso mehr freut es mich, dass das neueste Heldenwerk Wellen von Wert von Bastian Heppener thematisch daran anschließt. Zusätzlich erwähnenswert erscheint mir dabei der Umstand, dass es sich um das 50. Heldenwerk handelt. Nach wie vor halte ich das Kurzformat für eine der gelungensten Ideen innerhalb des Konzepts von DSA5, das sich zu einer echten Institution im Publikationsrahmen entwickelt hat. Auch wenn ich es für anspruchsvoll halte und mit der Platznutzung nicht immer zufrieden bin, hoffe ich, dass es an dieser Stelle in den kommenden Jahren munter weitergeht.

In Zahlen:

– 15 Seiten

– Heldenwerk Nr. 50

– Erschienen am 25.9. 2023 (zusammen mit dem Aventurischen Boten Nr. 221)

I. Aufbau und Inhalt

Das Abenteuer setzt voraus, dass sich die Heldengruppe in Punin befindet. Der Einstieg findet in Form eines Beinahe-Unfalls statt, indem es gilt, vor einer Kutsche auszuweichen, die in wilder Fahrt durch die Stadt unterwegs ist. Schnell stellt sich heraus, dass damit Diebe verfolgt werden, die das bekannte Gemälde Yaquirwellen aus der Galleria der schönen Künste entwendet haben. Kurzentschlossen engagieren die Kuratorin Rahjada und der Galerist Tsayano die Spielercharaktere, um die dementsprechenden Ermittlungen aufzunehmen. Dazu wird folgend kurz der Tatort, die Galleria im Theaterviertel Punins beschrieben, ebenso existiert ein Kartenausschnitt Punins, auf dem die wichtigsten Orte aufgeführt sind, die für die Handlung relevant sind.

Maßgeblich für die sich anschließende Recherche dürften vor allem die Charaktere sein, weshalb die wesentlichen NSC vorgestellt werden, die in der Galleria arbeiten. Dazu gehören neben dem jeweiligen Hintergrund auch die Aussagen, die sie über sich und die anderen tätigen können und auch, ob sie bestimmte Personen verdächtigen. Somit dürfte dieser Mittelteil vor allem aus den Verhören der entsprechenden NSC bestehen, womit in erster Linie interaktive Fähigkeiten gefragt sind.

Daraus ergeben sich zusätzliche Anlaufpunkte, an denen man die weitergehende Informationssuche betreiben kann, um schlussendlich den Fall aufzuklären und dabei die wahren Hintergrund in Erfahrung zu bringen. An einigen Stellen gibt es sogenannte Zeitvermerke, mit denen sich die vergangenen Zeit darstellen lässt und die relevant für die Frage ist, ob es rechtzeitig gelingt, das Rätsel zu lösen, bevor die Diebe sich mitsamt der Beute aus dem Staub machen können und man ihrer nicht habhaft werden kann.   

II. Figuren

Gerade im ersten Teil ist die Handlung sehr personenbezogen, müssen doch vom Wachmann über den Hausmeister bis hin zur Kuratorin alle beteiligten Akteure in der Galleria verhört werden. Zentrale Ansprechpartnerin dürfte dabei die Kuratorin Rahjada Rosaria de Yeza als Auftraggeberin der Heldengruppe sein. Die Konstellation innerhalb der Mitarbeiterriege ergibt direkt einige Verdachtsmomente, z.B. Zwistigkeiten unter den Kunstschaffenden, wie z.B. der Malerin Lucia und der Bildhauerin Lumetta. Somit gilt es auch, diese NSC richtig einzuschätzen und falsche Verdächtigungen von korrekten Anhaltspunkten zu unterscheiden. Eine weitere mögliche Informationsgeberin ist u.a. die Kunsthändlerin Ganielle Dallenstein, die einstige Besitzerin von Yaquirwellen (bekannt aus dem ursprünglichen Abenteuer), die der Galleria das Gemälde vor geraumer Zeit gespendet hat. Im weiteren Verlauf des Abenteuers ergeben sich außerdem zusätzliche Figuren als Ansprechpartner oder Verdächtige, die nicht direkt mit der Galleria verbunden sind.

III. Kritik

Tatsächlich liegt in dieser Begegnung mit Ganielle Dallenstein auch das einzige echte Bindeglied zu dem Solo-Klassiker von 1996, da Wellen von Wert sonst ein völlig eigenständiges Abenteuer darstellt und das Gemälde letztlich nur den Rechercheanlass bietet (auch wenn es durchaus noch andere Gemeinsamkeiten gibt). Für das Heldenwerk-Jubiläum eine kleine Reminiszenz an alte Zeiten einzubauen, halte ich aber trotzdem für eine schöne Idee (und auch eine nette Hommage an den verdienstvollen Autor). Natürlich bleibt aber als Gemeinsamkeit, dass Yaquirwellen ein zweites Mal verschwunden ist, und es nun erneut gilt, es aus den Händen der Diebe wiederzubeschaffen. Generell wäre es auch nicht einfach, den Ton des Soloabenteuers mit einem Gruppenabenteuer treffen können, lagen die Vorzüge von Yaquirwellen doch u.a. in den eben humoristischen Episoden, die damals immer wieder eingebaut wurden, u.a. verursacht durch Missverständnisse und falsche Verdächtigungen. Wellen von Wert ist hingegen eher ironiefrei angelegt. Der Titel soll einen direkten Bezug zum Vorgänger erstellen, für mich wirkt er allerdings etwas sperrig.

Die Stärke dieses Abenteuers liegt eindeutig in der Interaktion mit den Galleria-Mitarbeitern. In dem kleinen Mikrokosmos ergibt sich eine Konstellation von vielen Beziehungsgeflechten mit einigen Verdachtsmomenten, von denen die meisten allerdings in die Irre führen, worin umgekehrt aber auch der Schlüssel zur nächsten Anlaufstation liegt. Um dies auszuspielen, sind genügend Informationen für die Spielleitung vorhanden. Daraus folgert dann auch eine relativ logische Kette von weiteren Stationen, aus denen sich dann die finale Lösung erschließen lässt.

Was mir eindeutig fehlt ist ein Gebäudeplan der Galleria, gerade auch weil anzunehmen ist, dass die Heldengruppe versuchen wird, genau zu recherchieren, wie der Diebstahl vonstatten gehen konnte und welche Aktionen die Diebe durchführen mussten (dass dieser Aspekt nicht ausschlaggebend innerhalb der Ermittlungen ist, können die Spielercharaktere ja nicht ahnen). Bezeichnenderweise gibt es nur eine grobe Schilderung der Diebstahlumstände und der derzeitige Aufenthaltsort ist für meinen Geschmack nicht wirklich befriedigend gelöst (der Verweis „wo genau, bleibt der Meisterin überlassen, da die Helden es an diesem Punkt der Geschichte nicht finden sollten“, ist für meinen Geschmack viel zu willkürlich und nicht durchdacht gewählt).

Sonst ergibt sich allerdings für mich ein sehr solides Abenteuer mit einer durchaus nachvollziehbaren Handlungskette, sieht man einmal von dem doch sehr platten Einstieg ab, in dem es arg unrealistisch erscheint, dass die Heldengruppe vom Fleck weg engagiert wird, nicht weil sie ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen konnten, sondern weil sie fast von der Kutsche überfahren wurden. Dafür finden im Laufe des Abenteuers noch einige interessante Wendungen statt, in denen sich die Verdachtsmomente verschieben können.

IV. Fazit       

Wellen von Wert ist ein durchaus gelungenes Rechercheabenteuer mit einer gelungenen Hommage an das alte Soloabenteuer. Der Fokus liegt aus einer großen Personenriege, aus der sich viele Verdachtsmomente ergeben. Etwas ungünstig fällt der Einstieg in die Handlung ein, indem die Anwerbung völlig unrealistisch erscheint. Einige Details des Diebstahls sind zudem für meinen Geschmack nicht passend ausgeführt.

Bewertung: 4 von 6 Punkten   

6 Kommentare

  1. Die Kutsche ist aber eine lustige Hommage an das Solo Yaquirwellen, da fällt man auch bei einem Kutschunfall in den Dreck und wird prompt von der Insassin eingeladen. 😀 Den platten Einstieg halte ich deshalb für gewollt.

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    1. Dunkel erinnere ich mich auch daran, aber in einem Soloabenteuer wirkt das halt auch weniger erzwungen. Vor allem war damals die Setzung, dass man völlig pleite ist und man sich darüber freut, die Nacht in einer Patriziervilla verbringen zu können, statt auf der Straße oder der billigsten Absteige. Für ein Gruppenabenteuer passt das weniger, zumal ein Anspielen auf einzelne Szenen für die meisten Spieler*innen eher ins Leere greifen dürfte.

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  2. Danke, wie immer, für deine Rezi, Engor. Ich habe es letztes Wochenende geleitet. Dass der Einstieg eine Hommage an das alte Solo-Abenteuer ist, wusste ich nicht. Aber ich fand ihn auch so unrealistisch, dass ich ihn auf meine Gruppe angepasst habe.

    Bei uns kam das Bedürfnis nach einem Gebäudeplan nicht auf, nachdem nach der anfänglichen Spurensuche klar war, dass niemand von außen eingedrungen ist. Für das Versteck des gestohlenen Gemäldes hatte ich auch eine spontane Idee, so dass ich dieses nicht als fehlend empfunden habe.

    Insgesamt würde ich das Abenteuer als deutlich besser einstufen, als so manches, was hier 5 von 6 Punkten bekommen hat. Ich mochte vor allem die einfach Struktur und die damit verbundene geringe Vorbereitungszeit. Seine Schönheit und Komplexität entfaltet es durch die Entscheidungen der Helden, die vollkommen unterschiedlich ausfallen können. Letztlich führen sie aber alle zu den gleichen Punkten und verlangen der Spielleitung kaum Improvisation ab.

    Es hat mir großen Spaß gemacht und ich möchte es vor allem Anfängern ans Herz legen, die gerne mal leiten wollen.

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    1. Ich empfand Engors Wertung hingegen als zu positiv. Für mich ist Wellen von Wert ein ganz und gar durchschnittliches Abenteuer. Es ist leicht zu leiten, aber das liegt auch daran dass es so simpel ist. Das ist natürlich erstmal nichts schlechtes. Solche Abenteuer soll und darf es geben. Ich hätte mir nur für das Jubiläumsheldenwerk eine innovativere, kreativere, spannendere Geschichte gewünscht. Also eine, die man sich als Laie nicht einfach selbst ausdenken kann. Am besten auch mit Metaplotbezug. Vermutlich war ich deshalb enttäuscht von diesem Heldenwerk. Positive Beispiele wären „Gebet an die Tiefe“ (Götterkonflikt), „Im Namen der Schlange“ (Maraskanmetaplot) oder „Blutiger Pelz“ (Orkmetaplot). Auch „Grimme Herzen“ oder „Drei Farben Schnee“ sind Positivbeispiele, die auf dem selben Raum deutlich mehr und deutlich interessantere Inhalte liefern, auf die einer wie ich nicht kommen würde. Sowas hätte ich mir für ein 50. Heldenwerk gewünscht.

      Genug gemeckert. Wellen von Wert ist durchaus solide, nur eben nichts besonderes. Bei wenig Vorbereitungszeit kann man da einen netten Abend verbringen.

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      1. Immerhin sind wir drei uns einig, dass wir uns nicht einig sind:)
        Wobei meine 4 Punkte der Schulnote drei entsprechen, das ist meine Durchschnittswertung.
        Genau das finde ich aber spannend, wenn man hier mal ein wenig in den Austausch kommt und verschiedene Perspektiven erkennt. Außerdem darf man nicht vergessen, dass die Heldenwerke in der Regel Erstlingswerke sind, d.h. die Autor*innen unternehmen hier ihre ersten Schritte. Und in der Hinsicht schlägt sich „Wellen von Wert“ vergleichsweise gut.
        Was allerdings stimmt, ist dass ich mir auch für das 50. Heldenwerk eine etwas epischere Geschichte gewünscht hätte, das liefert das Abenteuer nicht, auch wenn ich die Hommage absolut wertschätze.

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