Ein erster Blick in die Winterwacht

Vorbemerkung: Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass sich die Auslieferung des Winterwacht-Crowdfundings ausgerechnet durch einen plötzlichen Wintereinbruch im Taunus nochmal kurz verzögert hat. Doch nun hat das volle Paket die meisten Unterstützer*innen (so auch mich) endlich erreicht, passenderweise zeitgleich mit dem ersten größeren Schneefall hier im Rheinland. Nachdem das letzte Crowdfunding Die Gunst der Göttin aus meiner Sicht leider als ein deutlicher Misserfolg in Sachen formaler und inhaltlicher Qualität gewesen ist, hoffe ich nun auf ein völlig anderes Gesamtbild. Wie immer möchte ich im Folgenden einen kurzen Überblick über die Inhalte geben, nebst meinen Erwartungshaltungen und einem Ausblick, wie ich damit in den kommenden Wochen verfahren werden.

Was ist drin im Paket?

Die Winterwacht ist die erste neue Regionalspiele im überarbeiteten Design. Somit gliedert es sich in drei Kernbände auf: Die Winterwacht ist ein regelfreier Hintergrundband, der die Region, kulturelle und wirtschaftlichen Hintergründe sowie die maßgeblichen NSC auf 128 Seiten näher beschreibt, explizit für Spielerhände gedacht. Gleiches gilt für Helden der Winterwacht. Dieser ist explizit als Regelband konzipiert (88 Seiten) und enthält z.B. neue Professionen, aber Kreaturen und ein Herbarium und alle dazugehörigen Regelaspekte. Ebenso findet sich hier viel aus dem Bereich von Waffen und Ausrüstung, da in diesem Band die frühere regionale Rüstkammer aufgegangen ist. Mysterien der Winterwacht (104 Seiten) ist dann das Pendant für die Spielleitung. Darin sind einerseits die Mysterien der Region beinhaltet, die also Geheimnisse offenbaren, die u.a. dazu verwendet werden können, um weitere Geschehnisse im Bornland am Spieltisch ausgestalten zu können. Andererseits wurde auch das Regionalabenteuer Die Strenge des Winters darin integriert, das bislang einen separaten Band darstellte.

Der dickste Band im Portfolio mit 168 Seiten ist aber das Kompendium der Winterwacht geworden. Das resultiert auch daraus, dass der Fokus der Bonusinhalte fast komplett auf Material für dieses Buch gelegen hat und nicht auf dem Entstehen vieler kleiner Zusatzprodukte. Damit ist ein bunter Reigen aus mehreren Abenteuern, Kurzgeschichten und Spielhilfen (u.a. Beschreibungen aller regionaler Krieger- und Magierakademien) entstanden.

Ebenso prangen mir gleich drei kleine Bändchen entgegen. Den rein narrativen Anteil bedient dabei das Heldenbrevier der Winterwacht (160), das überhaupt erst durch Intervention der Community entstehen konnte, durch eine große Resonanz auf die Ankündigung von Ulisses, diese anscheinend finanziell weniger lukrative Produktsparte zukünftig einstellen zu wollen. Das vorliegende Exemplar hat erneut den Fokus, den Status quo herzustellen, der im Hauptband beschrieben wird, was konkret mit dem Grünen Wall verbunden ist. Der wirtschaftliche Kompromiss seitens des Verlags ist allerdings, dass dieses Heldenbrevier erstmals auf die sonst übliche Bebilderung verzichten muss, dafür ist aber der Textanteil dementsprechend gewachsen.

Ebenso in diesem Zusammenhang steht das Vademecum des Widderordens (160 Seiten), der durch die Veränderungen in der Region auch eine neue Zielsetzung erhalten hat, die im Band ihren Ausdruck findet. Keinen Orden, sondern eine göttliche Entität stellt das Mokoscha-Vademecum (160 Seiten) in den Mittelpunkt, die insbesondere von den Norbarden verehrt wird und dementsprechend wird auch das religiöse Leben in den Nomadensippen näher betrachtet.

Hinzu kommen zwei weitere Bände, die Neuauflagen älterer Produkte sind. Das Bornland ist dabei die erste Spielhilfe, die die Region bereit 1989 auf 44 Seiten spielfertig aufbereitete, also noch zu Zeiten von DSA2. Demnach kann man das aktuelle Setting auch mit der Basis aus den Anfangstagen vergleichen. Zusätzlich wurde mit Blaues Licht von Daniela Knor ein älterer Roman wieder veröffentlicht, der weit in der aventurischen Vergangenheit spielt und die Geschichte des Firunheiligen Mikail von Bjaldorn schildert (476 Seiten).

Wie immer gab es auch hier eine Reihe von zusätzlichen Produkten, die keine Textbasis haben, u.a. ein Landkartenset, einen Sphärenklang-Soundtrack und ein Spielplanset, die allerdings bei mir nicht für eine Rezension vorgesehen sind.

Erste Eindrücke und Erwartungen

Bei dieser Regionalspielhilfe ist aus meiner Sicht vor allem die neue Aufteilung der Produkte interessant. Die bisherige Variante hat bei mir ja immer wieder auch Kritik erhalten aufgrund der Doppelungen, die in erster Linie durch Regeleinbau entstanden sind. Dies wird im Hauptband nun nicht mehr der Fall sein, weil dort alle Regeln herausgenommen wurden und diese stattdessen in Helden der Winterwacht zusammengefügt wurden. Das erscheint mir vom Grundgedanken angenehmer, da man so klar entscheiden kann, ob man die Regeln benötigt oder nicht, zudem könnte dies den Fokus schärfer stellen, indem Die Winterwacht sich nun völlig auf die Vorstellung der Hintergründe konzentrieren kann.

Umgekehrt bin ich bei den Ankündigungen zum Spielleitungsband etwas zwiegespalten, ob ich die Trennung der Mysterien von den allgemeinen Hintergründen für eine gute Idee halte. Allerdings kann ich auch das Argument nachvollziehen, dass nun alle für die Spielleitung relevanten Informationen kompakt beinhaltet sind. Insofern halte ich Mysterien der Winterwacht für ein extrem spannendes Produkt. Abseits davon erwarte ich hier aber eben solche Mysterien, die auch wirkliche Geheimnisse mit einer klaren Spielrelevanz darstellen, das ist in der Vergangenheit leider oft genug nicht der Fall gewesen. Gleiches gilt für das Regionalabenteuer Die Strenge des Winters, das ja dazu dienen soll, den Status quo der Regionalspielhilfe herzustellen, was diesmal sicherlich mit den angekündigten Elementen des Langen Winters, des Grünen Walls und des Erwachens des Bornlands verbunden sein sollte. Wie immer freue ich an dieser Stelle ebenfalls auf das Heldenbrevier der Winterwacht, das ja Hand in Hand mit dem Regionalabenteuer einhergehen soll. Die Fortsetzung der Reihe freut mich ungemein und bisher bin ich eigentlich auch nie enttäuscht worden.

Das sehr dicke Kompendium der Winterwacht wirkt auf den ersten Blick wie eine sehr reizvolle Mischung aus verschiedenen Elementen. Besonders die große Anzahl an Abenteuern gefällt mir natürlich. Ebenso erhält man jede Menge Hintergrundinformationen zu unterschiedlichen Schauplätzen, beispielsweise sind alle Akademien des Bornlands enthalten, die somit im Spiel genutzt werden können.

Bei den Vademecum-Bänden gibt es einmal mehr die Kombination aus einem Band, der sich mit einer Organisation auseinandersetzt (das Vademecum des Widderordens) und einem, der eine Gottheit in den Mittelpunkt setzt (das Mokoscha-Vademecum). Der Widderorden scheint dabei eine gewisse Neudefinition zu erhalten, was sicherlich neue Anreize bieten könnte. Mokoscha ist mir bislang eher am Rande begegnet (und auch eher im Kontext der Alhani und noch nicht der Norbarden), womit ich hier auf ein paar neue Eindrücke hoffe.

Das Bornland ist eine der wenigen DSA2-Publikationen, die ich nicht kenne, von daher kann ich damit direkt eine „Bildungslücke“ füllen und gerade den Vergleich zwischen der damaligen Basis und dem aktuellen Stand finde ich sehr lohnend. Gleiches gilt für Blaues Licht, auch dabei handelt es sich um einen Roman, den ich bisher nicht gelesen habe.

Hier im Blog wird die Winterwacht sicherlich auch ein wenig über den Jahreswechsel hinaus einen Schwerpunkt bilden (immerhin gilt es addiert fast 1.500 Seiten zu lesen und zu besprechen), wobei ich den Rezensionsreigen in ein paar Tagen mit Die Winterwacht als Hauptband beginnen werde. Grundsätzlich erwarte ich dabei aber eine deutliche Steigerung im Vergleich zu Die Gunst der Göttin, was unter anderem durch den guten Eindruck der Vorab-PDF bestärkt wird.

11 Kommentare

  1. Schade, dass du zu den Karten und Spielplänen nichts schreiben willst. Die wären in diesem Fall durchaus eine Besprechung wert. Bei den Spielplänen ist man wieder zum Sepia-Look zurückgekehrt (nachdem es im Wüstenreich diese ja in Vollfarbe gab), was ich als einen Rückschritt für die Immersion am Spieltisch halte. Und bei der Regionalkarte hat man, trotz Kritik daran in der Feedback-Phase, die Karte in ein Hochformat gequetscht, was dazu führt, dass die Darstellung der Region am rechten Rand leider abgeschnitten ist. Dafür, dass man in dieser RSH ja inhaltlich ein besonderes Augenmerk auf den Widderorden und das östliche Bornland mit dem Ehernen Schwert und den Walbergen legt, mehr als ärgerlich.

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    1. Das ist immer eine Frage der Schwerpunktsetzung. Ich kann absolut verstehen, wenn du an der Stelle mehr Priorität setzt und dich dann solche Änderungen ärgern. Ich persönlich finde die Spielpläne völlig irrelevant und die Karten sehe ich als reines Nutzprodukt am Spieltisch. Für mich sind die Textprodukte im Vordergrund, ich wüsste nicht mal, wie ich ein Spielplanset wirklich vertieft besprechen sollte, um einen Artikel von mehr als ein paar Zeilen vollzubekommen.

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  2. Ich bin schon sehr gespannt, was du zu den sachen zu sagen hast. Zur abwechlung habe ich mal beim CF mitgemacht und habe die meisten Dinge schon zu hause. Mein Eindruck ist bis jetzt relativ gut. Ich würde fast sagen, dass es für mich die beste DSA5 RSH bis jetzt ist. Schlicht deswegen, weil sie win wirklich großem Stil den lokalen Metaplot weitererzählt. Neben den inzwischen üblichen zentralen USP der Region werden die Geschichten so vieler kleiner NPCs aufgenommen und weitererzählt. (Sogar der trottelige Magier aus Rübenernte entwickelt sich weiter…).

    Etwas enttäuschend finde ich den Mysterienband. DSA5 Mysterien hatten im Vergleich zu ihren Vorgängern in DSA4 ja häufig die Tendenz etwas Schema-F-ig zu sein und brachten so Blüten wie „Person X hat gar keine Geheimnisse“ oder „Person Ys Zögerlichkeit rührt von einer inneren Unsicherheit her“ hervor. So etwas konnte ich Gott sei Dank bis jetzt nicht finden. Trotzdem ist einiges davon etwas unglücklich geraten. So hat Linian von Hattenfurt (S.29) nachdem sein halber Text aus Widerholungen aus dem Hauptband besteht einen Satz dazu, dass seine Beziehung mit Nadjescha nicht so gut läuft, wie es den Anschein hat (cooles kleines Mysterium) exakt zwei Sätze (!) darüber, dass er verflucht ist, ein Geist ihm heimsucht, weil er ein nicht genanntes nivesisches Tabu gebrochen hat und den er jetzt erlösen möchte. Keine Info, was das Tabu ist, wie der Geist so drauf ist, was er tut, wenn er erscheint, wann in Linians Leben das passiert ist, wie man darauf kommen könnte. dafür wäre etwas Platz egwesen, hätte man nicht schon bekannte Informationen aus dem Hauptband widerholt.
    Und so ist es bei vielen Mysterien. Die Ideen sind durch die Bank wirklich gut, aber der Platz scheint mir nicht sinnvoll genutzt. Die Hexe Tschinjuscha hat eine Möglichkeit gefunden, mithilfe des erwachten landes die Schwanenflügel zu heilen? (S.31) und Alderich kann jetzt sogar neue Flügelpaare erschaffen? Das sind beides Riesennummern. Das evrsuchen aventurische Helden seit 20 Jahren, es gab sogarmal ein Abenteeur dazu, bei dem man scheietrt (!) Aber leider bekommt das ganze nicht viel mehr als diese beiden Sätze.
    Ähnlich finde ich es auch mit dem wahrscheinlich wichtigsten Mysterium, der goldenen Horde. Die Texte sind allesamt gut, aber es fehlt einfach viel konkrete Ausarbeitung. Wie viele Hordemkrieger befinden sich nach dem Abenteuer im Bornland? Wie viele können über die Trollpfade Stück für Stück dazukommen? (keine ganze „Legion“ offenbar aber viel viele pro Jahr? Wie viel Gebiet kontrolliert die Horde effektiv? Haben sie ein Hauptlager? Wie funktioniert ihre Hierarchie?
    Man kann natürlich trotzdem damit arbeiten, aber wenn ich mir für Mysterien ein extra Buch kaufe, wäre ein bisschen mehr schon cool gewesen.

    Zufrieden bin ich trotz dieser Kritikpunkte mit der Produktpalette, wie schon lange nicht mehr. Egal, wie man die neue Aufteilung finden mag, geht DSA gerade für seit langem wieder in eine sehr richtige Richtung. Mehr Story, mehr Metaplot, mehr Anknüpfung, mehr Gehimnisse und der ganze Regel-Klein-Klein agbeschoben in einen einzigen separaten Band, wo man ihn nutzen kann, wenn man will und ignorieren, wenn nicht.
    Ich werde nächstes Jahr beginnen, die Theaterritter zu leiten und diese Bücher inspirieren mich gerade stark.

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  3. Ich bin mit der neuen Aufteilung nicht happy. Egal wie man es dreht und wendet, man muss nun mehr Bücher kaufen: DSA-Meister, die alte Versionen spielen, müssen die RSH und Mysterien kaufen, um den kompletten Hintergrund zu erfahren; Fans, die einen Helden/in aus der Region spielen wollen, brauchen die RSH und das Heldenbuch; Meisternde, die die DSA5 Regeln nutzen, müssen eigentlich RSH, Heldenbuch (wegen der Ausrüstungen) und Mysterien kaufen, weil relevante Infos auf alle 3 Bücher verteilt sind. Dafür ist man gezwungen, das Abenteuer mit zu kaufen, sowie allerhand Crunch-Dopplungen. Noch dazu sieht nun das Layout der RSH aus, als würde sie zu einem anderem Spiel gehören. Bin gespannt, wie du die Werke einschätzen wirst.

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  4. Inhaltlich bin ich völlig bei dir, kann beide Entscheidungen auch nicht nachvollziehen. Trotzdem ist das ja zum einen nur unsere Meinung (andere mögen den Sepia-Look) und zum anderen gibt es da auch sehr wenig objektives zu besprechen, was eine lesenswerte Rezension dann nur als einen kurzen Meinungsabriss verkommen lässt

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  5. Mir ist ebenfalls schleierhaft, warum der Verlag sich auf eine Dreiteilung festgelegt hat. Aus Sicht der Spielbarkeit macht dies absolut keinen Sinn.

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  6. Bei der Aufteilung auf 3 Hardcoverbänder geht es um eine Sache. Spieler/SLs die bisher mit einem 40 bis 50 Euro Buch klargekommen sind, sollen jetzt halt 2 bis 3 Bänder und damit 100 Euro ausgeben. Die 100 Euro werden vermutlich noch so auf 120 in laufe des Jahres 2024 steigen.

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    1. Du hast es erfasst. Zudem kann man ein paar Regionalbeschreibungen noch einmal an den Mann bringen. Die Papierpreise sinken, egal. Das derzeitige CF läuft auch nicht wirklich, die Anzahl der Unterstützer ist sehr gering. Immer weniger zahlen immer mehr. Das Ende steht schon fest.

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    2. Ich glaube schon, dass das eine Frage der Perspektive ist, umgekehrt gab es ja auch viele Stimmen, die gerade die Regelinhalte bemängelt haben und die die Ausgliederung begrüßt haben. Wer wirklich nur die Regionalbeschreibung haben will, kommt jetzt mit dem einen Hauptband aus (hat aber eben auch keine Mysterien mehr).
      Die generelle Kritik an der Aufteilung wie auch an der Preispolitik halte ich aber für völlig legitim. An der zu den Preisen werde ich mich aber nicht beteiligen, dazu fehlt mir schlicht die Kompetenz, das kaufmännisch zu bewerten. Preissteigerungen gibt es ja seit Jahren in extrem vielen Bereichen des Alltags, inwieweit das hier angebracht ist, kann ich nicht einordnen, ich weiß eben nicht, was Druckerei, Autoren, Illustrationen etc. als Einzelposten kosten.
      Was ich sicher sagen kann, ist dass DSA kein günstiges Hobby ist, gerade wenn ich an meine Jugend denke, da hätte ich das Geld für ein solches Crowdfunding kaum ohne weiteres hinlegen können.

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  7. Zwar bin ich inzwischen okay mit der Neuaufteilung, aber wenn mans zusammen rechnet – dann ist 90 Euro fuer die 3 Hauptbaende (im Retail) a la 300 Seiten ein Wucher.
    Selbst wenn man das Hardcover einbezieht, rechnet sich das nicht und ich glaube nicht, dass man das nur auf die Inflation schieben kann.
    Man kann wieder nur mit den Kopf schuetteln, insbesondere wenn sonst der Inhalt wieder tip top ist.

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    1. Wie gesagt, einer wirtschaftlichen Einordnung enthalte ich mich. Klar ist DSA sicher teuer. Ich kann aber nicht einordnen, wie sich die geringen Auflage auf den Preis auswirkt/auswirken muss, ebenso hab ich keine Ahnung, in welcher Relation Produktionskosten und Endpreis hier stehen.

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