Rezension: Magica Lucis

Vorbemerkung: Auch für die Heldenwerke neigt sich das Jahr langsam dem Ende zu und somit endet der Reigen von 2023 mit Magica Lucis von Martin Liebe. In vielerlei Hinsicht scheint es sich dabei um ein ungewöhnliches Abenteuer zu handeln, u.a. durch den Schauplatz bedingt, aber auch durch die auf den ersten Blick schwer vereinbare Kombination der Themen Praiosglaube und Magie, die der Klappentext ankündigt.

In Zahlen:

– Heldenwerk Nr. 51

– 15 Seiten

– Erschienen am 29.11. 2023 (zusammen mit dem Aventurischen Boten 222)

I. Aufbau und Inhalt

Die Anwerbung der Heldengruppe erfolgt in Khunchom, wo sie von Vertretern des Maraskankontors gebeten werden, ein jüngst aufgekommenes Problem zu lösen: Die sonst regelmäßig ankommenden Alabasterlieferungen von Jiliskan bleiben aus. Die Spielercharaktere erfahren zunächst nur, dass die Steinbrüche, in denen der Alabaster normalerweise gewonnen wird, besetzt wurden. Lassen sie sich auf diesen Auftrag ein, so erhalten sie eine Schiffspassage nach Praiosdank, der Hauptstadt der Insel. Schon unterwegs erfahren sie, dass die Lage vor Ort sehr verworren ist. Denn die Herausgabe wird ausgerechnet von der Praiosgeweihten Amelthona verweigert, der Tochter des Praetors der Güldenen Halle zu Praiosdank, Gurvan von Praiosbur, also einem hochrangigen Vertreter der Praioskirche. Und es handelt sich auch nicht um etwas Geringfügiges wie eine Art von Arbeitsstreik, sondern um ein Hinterfragen von fundamentalen Bestandteilen des Praiosglaubens, um nicht weniger als die Frage, ob Magie und der Glaube an den gestrengen Sonnengott nicht doch vereinbar sind.

Somit gilt es zum einen, die Hintergründe der dortigen Vorfälle zu recherchieren und die Konflikte innerhalb der lokalen Praioskirche auszuräumen, zum anderen gibt es aber auch politische Verwerfungen. Denn es stehen Vorwürfe im Raum, dass die Gräfin von Jilaskan, Trontir von Alfz, aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters den Herausforderungen nicht mehr gewachsen ist. Vielmehr wird der Ruf lauter, statt ihrer Herdin von Tuzak mit der Herrschaft über die Insel zu betrauen, der dort seinen Altersruhesitz hat.

Neben der konkreten Handlung und den dort lebenden Figuren werden auch die Schauplätze grob beschrieben. Dazu finden sich auch zwei Karten, sowohl für den Ort Praiosdank als auch für den Alabasterbruch.

II. Figuren

Für die Verhältnisse eines Heldenwerks gibt es verhältnismäßig viele NSC, die für den Verlauf des Abenteuers wichtig sind. Ansprechpartner vor Ort (u.a. als Informationsquelle) ist der Handelsvogt Storko Hobeldomm, der die Interessen des Maraskankontors vertritt. Auf religiöser Ebene stehen sich in einer sehr brisanten Ebene Gurvan und Amelthona gegenüber, also Vater und Tochter. Gurvan hat dabei widerstreitende Gefühlslagen, kann er doch das Verhalten seiner Tochter als ranghöchster lokaler Vertreter der Praioskirche nicht dulden, als Vater hat er umgekehrt kein Interesse, mit aller Schärfe gegen sie vorzugehen. Auf der politischen Bühne kommt ein Machtkampf zwischen Trontir von Alfz und dem fast schon völlig in Vergessenheit geratenen Herdin von Tuzak auf. Daneben existieren natürlich noch weitere Figuren, deren Rolle als Verbündete oder Antagonisten sich erst im weiteren Verlauf klarer definiert.

III. Kritik       

Gerade was letztere Figur angeht, hat das Abenteuer bei mir für einen kleinen Aha-Effekt gesorgt, war ich mir doch eigentlich sicher, dass der gute Herdin die Umtriebe des Dämonenmeisters auf Maraskan damals nicht überlebt hat. Immerhin handelt es sich um eine der ältesten Herrscherfiguren von DSA, erstmals erwähnt bereits 1985 im Solo-Klassiker Der Quell des Todes. Umso schöner, wenn auch moderne Publikationen solche Geschichten weiterspinnen, die in diesem Fall besonders viel Tragik beinhaltet, wenn man berücksichtigt, auf welche Weise er damals seine Macht verloren hat (erlebbar in Pforte des Grauens).  

Inhaltlich gefällt mir die Idee, die dem Abenteuer zugrunde liegt, wirklich gut. Die Praioskirche ist ja für viele Spieler*innen eine sehr ambivalente Institution, einerseits vertritt sie die Interessen des aventurischen Götterfürsten und steht für Ordnung und Kampf gegen finstere Mächte, andererseits hat sie den Ruf einer sehr knöchernen und erzkonservativen Einrichtung (und wird auch oft genug so dargestellt, was manchmal durchaus antagonistische Züge hat). Hier erhalten beide Polstellungen neues Futter, Fanatiker stehen solchen Geweihten gegenüber, die sehr fortschrittlich gekennzeichnet werden. Vor allem wird das heikle Thema der Einstellung der Kirche zum Umgang mit Magie in einem völlig anderen Licht betrachtet, was aus meiner Sicht ein ausgesprochen spannender Vorgang ist, der auch im Abenteuer lohnend umgesetzt wird. Somit kann am Ende ein anderer Blick auf die Kirche entstehen und mit Amelthona existiert eine Figur mit besonderem Potential, wobei mich hier wundert, dass sie als Garadan-Figur sowohl den Springer (S.3) als auch den Bauern (S.10) zugeordnet erhält, ich mutmaße, dass der Springer die korrekte Einteilung ist, da man sie in Zukunft bestimmt noch lohnend einsetzen kann, auch um verkrustete Strukturen zu hinterfragen oder gar zu sprengen.

Dass dies dann mit anderen Konflikten verwoben wird, also v.a. der Konkurrenzstellung von Trontir und Herdin, sorgt für zusätzliche Verwicklungen. Hier finde ich auch bemerkenswert, dass dies grundsätzlich in den knappen Raum eines Heldenwerks passt, was vor allem durch den engen Handlungsraum ermöglicht wird, Jilaskan als kleine Insel ist in dieser Hinsicht ein Vorteil. Ebenso halte ich es für verschmerzbar, dass Anwerbung und Anreise in aller Kürze abgehandelt werden.

Etwas nachteilig sehe ich die Konstruktion der Gesamthandlung. Hier fällt auf, dass das Abenteuer einerseits sehr offen sein will, indem beispielsweise die Zwischenüberschrift Ein kleiner Sandkasten signalisieren soll, dass den Spielercharakteren viel Handlungsfreiheit gewährt wird, was z.B. ihre Vorgehensweise bei der Recherche betrifft. In der Umsetzung ist das dann aber zumeist sehr viel geschlossener, indem dann einfach gesetzt wird, dass ein wichtiger Informant schlicht nicht zuhause ist, falls man ihn vor einem bestimmten Ereignis aufsuchen sollte. Ebenso sind viele Abläufe sehr klar vorgesehen, z.B. dass man nicht zu Fürst Herdin vordringen kann (was ich mir bei hartnäckigen Heldengruppen schwer vorstelle, wenn diese kreativ vorgehen wollen). Insbesondere das letzte Viertel ist dann sehr szenisch angelegt, indem man lediglich eine vorgegebene Ereigniskette nachspielen soll. In der Recherche empfinde ich das Versteck des entscheidenden Hinweises als sehr unrealistisch und kann auch nicht die Motivation der Urheberin nachvollziehen, diesen dort verbergen zu wollen, anstatt ihn zu vernichten, ebenso erscheint es merkwürdig, dass er bislang nicht bemerkt wurde.

IV. Fazit

Mit Magica Lucis endet das Heldenwerk-Jahr im Ganzen gut, vor allem weil das Abenteuer über eine stimmige und reizvolle Hintergrundgeschichte verfügt (vor allem was Entwicklungen in der Praioskirche betrifft) sowie über eine konfliktreiche Figurenriege. In der Umsetzung fällt mir das allerdings mehrfach viel zu szenisch aus und auch die Recherche ist eher oberflächlich vorgesehen.

Bewertung: 4 von 6 Punkten           

1 Kommentar

  1. Danke dir für deine Rezension, Engor! 🙂 Ich fands auch echt cool, das Martin hier den Herdin-Strang aufgreift, der bisher eher beiläufig Thema geworden war (im Aventurischen Boten 63, S. 19 erfährt man beispielsweise, dass sich Fürst Herdin „auf längere Zeit nach Jilaskan begeben habe“ und auch in der G7 Kampagne gibt es bezüglich Herdin den Hinweis „[…] der seinen Lebensabend auf Jilaskan verbringen wird“ (in der Sammel-G7 auf S. 326)). Ich liebe es, wenn solche älteren Sidefacts nochmal behandelt werden.

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