Weltenretter, Söldnerseelen und Zuckerbäcker

„Helden und Heldentum im Rollenspiel“ – so äußerlich simpel und inhaltlich schwergewichtig beginnt der Karneval der Rollenspielblogs das neue Jahr 2015. Natürlich wieder ein Anlass für mich, die Übertragbarkeit auf DSA aus meiner Sicht zu beleuchten. Und natürlich muss dabei zunächst die Begrifflichkeit des Helden hinterfragt werden, schließlich wird bei DSA die Spielfigur generell so bezeichnet.

Was ist ein Held?

Per se ist es schwierig, den Begriff Held zu definieren, bei dem Thema wird zurecht z.B. gerne auf die Theorie der Heldenreise verwiesen, die ja bei vielen Print- und Filmerzeugnissen als Genese einer Figur Pate gestanden hat, in der – grob vereinfacht – eine Figur über viele Stationen hinweg von einer gewöhnlichen Lebenssituation ausgehend viele Prüfungen und Barrieren durchläuft, bis er schließlich verändert dasteht und besondere Fähigkeiten und Kenntnisse erworben hat, die ihm helfen, Außergewöhnliches leisten zu können.

Übereinstimmungen lassen sich dabei ja schon im Grundkonzept vieler DSA- Abenteuer (aber auch vieler anderer Rollenspielsysteme) wiederfinden, z.B. durch die Einstufung von Abenteuern in verschiedene Erfahrungsstufen (früher mit konkreten Zahlen (Stufe 1-4) versehen, heute in gröbere Einteilungen wie „Einsteiger“ eingestuft). Im Wesentlichen findet sich hier die Idee einer Weiterentwicklung wieder, indem unerfahrene Helden zunächst Abenteuer mit überschaubaren Plots durchleben, in denen sie Erfahrungen sammeln, bis sie später als „erfahren“ angesehen werden, für solche Helden sind nämlich dann fast alle Abenteuer vorgesehen, die im Rahmen der Spielwelt einen epischeren Charakter einnehmen, z.B. durch besonders gefährliche Aufträge und Gegner. Folgerichtig wird z.B. Helden, die in Aventurien die Kampagne um die Sieben Gezeichneten und vor allem die Dritte Dämonenschlacht überlebt haben, der Ruhestand nahegelegt, da das Erlebte kaum eine Steigerung erfahren kann.

Ist ein Held grundsätzlich gut?

Deutlich schwieriger ist dann schon die Frage, inwieweit ein „echter“ Held auch im klassischen Sinne eine Art von perfektem Gutmenschen verkörpern muss, sprich ob er somit immer auf der Seite der Schwachen und für die Gerechtigkeit kämpfen muss? Nimmt man die Kaufabenteuer im DSA- Bereich, so ist hier zumindest eine klare Grundtendenz erkennbar, das Ziel eines Abenteuers liegt in der Regel schon darin, einer guten Sache zu dienen, so wird fast immer davon ausgegangen, dass sich Helden gegen Dämonendiener positionieren und tendenziell gerecht handeln. Will man davon abweichen, muss man zumindest bei Kaufabenteuern als Spielleiter schwer Hand anlegen und viele Plotveränderungen vornehmen bzw. nicht selten eine ganze Handlung umdrehen.

Allerdings gibt es auch in dieser Frage Grauzonen: So wird z.B. in einem der populärsten Abenteuer „Das Jahr des Greifen“ zunächst davon ausgegangen, dass man auf Seiten der Menschen in den Konflikt eingreift und nicht bei den gegnerischen Orks. Allerdings ist das eine Frage des Naheliegenden, umgekehrt kämpf ein Ork ja genauso für seine Interessen, die nicht weniger legitim erscheinen, hier geht man also eigentlich nicht gegen finstere Schurken vor, sondern lediglich gegen einen Kriegsgegner. In einem Abenteuer neuerer Machart „Firuns Flüstern“ wird beispielsweise diese Perspektive aufgegriffen, indem man Helden beider Seiten spielen kann, die sich durchaus auch als Gegner gegenüberstehen können und beide aus ihrer Sicht legitime Ziele verfolgen. Genauso hat auch die Stadt Al´Anfa, ursprünglich als Sklavenhalternation mit einem Schurkenimage versehen, mittlerweile ein deutlich vielschichtigeres Profil erhalten, so dass auch dort positiv besetzte Figuren herstammen können.

Ebenso existieren Abenteuer, die nicht unbedingt ein moralisch einwandfreies Verhalten einfordern, das DSA5- Betatestabenteuer „Die Spur des Fuchses“ beinhaltet z.B. vor allem die Planung und Durchführung eines Diebstahls, wobei nicht klar vorgegeben sein muss, dass es ein höheres Handlungsmotiv als den Erwerb von Reichtum geben muss, nicht also ein Finsterling bestohlen werden muss, der ehrlichen Menschen etwas genommen hat, was ihm nun edle Helfer wieder entwenden sollen.

Demnach gibt es durchaus gewisse Rahmenvorgaben, die vor allem in größeren Ebenen eine Grunderwartung haben (sich z.B. gegen Dämonenpaktierer zu wenden), das konkrete Verhalten der Helden und ihre Ziele müssen allerdings eindeutig nicht immer besonders tugendhaft gestaltet werden.

Ist ein Held immer „groß“?

Zuletzt stellt sich noch die Frage, ob Heldentum tatsächlich auch dadurch definiert ist, ob man sich zum größten Orkjäger aller Zeiten oder zum Rekordhalter im Prinzessinnen retten entwickeln muss, sprich, ob man seine Heldenreise auch einer hohen Stufe abschließen muss. Auch hier bietet DSA unterschiedliche Lösungswege. Genannten Weg kann man mit vielen Figuren einschlagen, die Fülle an Produkten vom kleinen Einsteigerabenteuer bis zur großen Kampagne bietet hier den vollen Bedarfsrahmen, um seinem Helden zu ermöglichen, einen Platz in der Geschichte der Rollenspielwelt einzunehmen.

Die Kleinschrittigkeit, mit der die Spielwelt (vor allem Aventurien) aber mittlerweile beschrieben worden ist (was ja oft als Nachteil angehen wird), hat aber hier durchaus den Vorteil, dass eine Fülle von Anregungen existiert, wie man auch andere, kleinere Plots spielen kann. Ebenso gibt es dazu auch andere Heldentypen, eben z.B. den vielbeschworenen Zuckerbäcker, weniger klischeehaft aber eben auch Händler, Gardisten/Dorfbüttel, die als Protagonisten für solche Handlungsnischen geeignet sind, in denen es eben nicht um die Weltenrettung, sondern um die Erlösung von einem kleineren Übel, z.B. in einer Dorfgemeinschaft geht, wo dann oft auch mehr bodenständige Gewitztheit denn eine todbringende Schwerthand gefragt ist.

Fazit

Grundsätzlich ist DSA als System und die dazugehörende Spielwelt tendenziell in der Tat auf einen bestimmten Spielstil eingerichtet, der sicherlich positiv besetzten Helden entgegenkommt. Das heißt aber nicht, dass nicht auch Entfaltungsräume für alternative Gestaltungsmodelle vorhanden sind, in denen moralische Grauzonen und bodenständigeres Handeln gefragt sind.

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