Retro-Check: Borbarads Fluch

Vorbemerkung: Dere ist eine Fantasy-Welt, die im Bereich Aventurien vergleichsweise bodenständig gestaltet ist, mit erkennbaren irdischen Anleihen v.a. im Mittelalter, aber auch mit Einflüssen von der Antike bis zur Renaissance, dazu viel gängige Fantasy-Figuren aus den unterschiedlichsten Kulturkreisen und ihren Sagen, Märchen und Mythologien. Allerdings handelt es sich hierbei um gewachsene Strukturen, deren Gerüst über die Jahre immer deutlicher erkennbar wurde. 1984 war das noch längst nicht so weit festgelegt und somit fand man durchaus noch andere Ansätze, die später verworfen wurden. Berühmt-berüchtigt sind dabei die beiden Ausflüge in den Science-Fiction-Bereich. Während ich „Durch das Tor der Welten“ hier bereits besprochen habe, soll nun mit „Borbarads Fluch“ von Claus Lenthe (=Hans Joachim Alpers) nun auch die Solo-Variante auf ihre Retro-Tauglichkeit geprüft werden.

In Zahlen:
– AB Nr. B7
– 63 Seiten
– 190 Abschnitte
– Erschienen 1984

I. Inhalt und Aufbau
Der Einstieg in das Abenteuer ist fast schon wie ein Roman gestaltet, wird hier doch gleich auf mehreren Seiten ausführlich die Vorgeschichte erzählt, bei der der Soloheld zunächst mit 10 anderen Helden unterwegs gewesen ist, die jedoch nacheinander in Borons Hallen eingegangen sind bei ihrem gefährlichen Auftrag.

Als Ausgangspunkt wird vorausgesetzt, dass der Held sich bei den Feierlichkeiten anlässlich der Hochzeit von Prinz Arkos in Zorgan befindet und dort Zeuge einer Erscheinung wird, bei der sich rätselhafte Buchstaben an einer Wand manifestieren. Nachdem diese durch Rakorium analysiert wurden, benötigt Fürstin Sybia schlagkräftige Recken angesichts drohender Gefahr. Handelt es sich doch um eine Botschaft des finsteren Magiers Borbarad, der eigentlich 400 Jahre zuvor von seinem Gegner Rohan getötet wurde, allerdings erst nachdem dieser einen Fluch ausstoßen konnte. Genaueres lässt sich aber nur in Borbarads Turm in der Gorischen Wüste in Erfahrung bringen, der die vielsagende Bezeichnung „der Namenlose“ trägt. Nach und nach sterben die Begleiter des Helden, bis nach einem Orküberfall nur noch er den Turm erklimmen kann, um dessen Geheimnisse zu entdecken.

Dort gilt es nun, sich abschnittweise fortzubewegen und tiefer in den Turm vorzudringen. Raum für Raum und Etage für Etage muss man sich dabei vorarbeiten, wobei man einerseits den verfolgenden Orks begegnen kann, aber auch vielen merkwürdigen Lebewesen, wie intelligenten Ratten namens Chanjus, die telepathisch offenbaren, dass es sich bei ihnen um außerderische Wesen handelt.

Was es damit auf sich hat, erfährt man, wenn man sich in die unteren Ebenen hinab begibt. Dort kann man einen Raum mit einem Zentralgehirn finden, in dem man zugetragen bekommt, dass man sich in Wirklichkeit auf einem Raumschiff vom Planeten Rigel VII aufhält. Dieses befindet sich schon sehr lange in Aventurien, allerdings hat sich Borbarad nach dessen Landung seiner bemächtigt und somit den Grundstein für seine Macht gelegt, bis er von Rohan gestoppt wurde. Nach 400 Jahren ist nun aber die Erfüllung von Borbarads Fluch kurz vor der Erfüllung, allerdings weniger magisch, sondern technologisch. Der Reaktor des Schiffes steht kurz vor dem Durchbrennen, somit steht eine atomare Katastrophe bevor. Mithilfe eines Lasers gelang es dem Zentralgehirn, die Prophezeiung in Zorgan anzubringen, um Helfer herbeizurufen, die das Unglück verhindern sollen. Dazu muss jedoch ein Computermodul ersetzt werden, damit das Kontrollgehirn wieder die volle Kontrolle übernehmen kann, um das Schiff wieder zu starten. Gelingt dies, kann man seine Belohnung bei Fürstin Sybia abholen, wobei man allerdings noch den Rat erhält, dort lieber eine „konventionelle“ Abenteuergeschichte zu erzählen und nicht von Außerderischen zu reden.

II. Figuren
Tatsächlich findet der Kern des Abenteuers ohne nennenswerte Begegnungen statt, sobald man sich in Borbarads Turm befindet, selbigen kann man allerdings immerhin noch als Mumie antreffen. In der Vorgeschichte werden mit Sybia und Arkos zwei wichtige Figuren für den aventurischen Metaplot eingeführt, ebenfalls erfolgt natürlich die erste Nennung von Rohal, der hier noch Rohan heißt und Borbarad, deren Hintergrund aber mittlerweile massiv abgeändert wurde.

III. Kritik
Liest man in den Foren zur DSA- Historie quer, so werden „Borbarads Fluch“ und „Durch das Tor der Welten“ im Regelfall als die beiden absurdesten Abenteuer aufgeführt und meist ist der Tenor auch einhellig, dass die dort eingeschlagene Richtung zurecht korrigiert wurde.

In der Tat, „Borbarads Fluch“ ist nicht im Ansatz mit dem heutigen Aventurien kompatibel, gibt es doch Außerirdische und überlegene Technologie bis hin zur Atomenergie, zudem ist der immens wichtige Hintergrund von Borbarad und Rohal/Rohan in zentralen Details vollkommen anders, kann man doch hier sogar Borbarads Mumie auf einem Thron sitzend finden!

Mir allerdings stellt sich die Frage, ob das allein schon ein schlechtes Abenteuer ergibt? Immerhin weichen auch andere alte Abenteuer stark von mittlerweile offiziellen Fakten ab. Grundsätzlich muss man meiner Meinung nach bestimmte Aspekte bei einer Bewertung berücksichtigen. Das Aventurien von 1984 war noch in den Kinderschuhen, von daher halte ich eine Experimentalphase für legitim, eben auch in dem Aspekt, ob auch Sci-Fi-Elemente Berücksichtigung finden können.

Tatsächlich arbeitet der Band mit einigen eher komischen Szenen, in denen der Held auf die überlegene Technologie trifft und noch nicht so recht weiß, wie er damit umgehen soll. Allerdings handelt es sich letztlich um nur einige wenige besondere Räume, in denen dies klar offenbar wird, am Ende wird das Ganze dann sogar mit dem Hinweis versehen, sich besser über die wahren Umstände des Abenteuers bei der Auftraggeberin auszuschweigen. Somit wird deutlich, dass offenbar nicht geplant war, in Aventurien solche Elemente dauerhaft zu installieren.

Problematisch ist für mich allerdings eher die konkrete Umsetzung: Gerade die Science-Fiction-Elemente kommen oft mit dem Holzhammer daher, wenn z.B. die Chanjus urplötzlich ohne erkennbare Motivation ihre Herkunft als Außerderische offenbaren oder wenn nach endlosem Herumgerirre das Zentralgehirn in wenigen Sätzen die gesamte Hintergrundgeschichte runtererzählt, damit man anschließend gezielter durch die Gänge und Räume ziehen kann.

Und in der Hinsicht sehe ich die größte Schwäche von „Bordarads Fluch“: Sehr viel Handlung wurde in die lange Vorgeschichte gelegt, die gesetzt ist und auf die man keinen Einfluss nehmen kann. Sonst fällt auf, dass in den einzelnen Abschnitten meist nur Durchgangspassagen beschrieben werden, immer nach demselben Schema: Ein Raum oder ein Gang hat 1-3 weitere Ausgänge, die man wählen kann, dazu gibt es manchmal die Option, sich etwas genauer anzuschauen, ab und an kommt ein Kampf dazu. Es wird wenig beschreiben, man bewegt sich simpel durch das Dungeon, nur wenige Räume enthalten etwas, was wirklich zum Fortgang der Handlung beiträgt, sichtbar ist dies auch an der großen Zahl von Abschnitten, die nur wenige Zeilen lang sind. Unterm Strich stört mich damit weniger die unkonventionelle Grundidee, sondern mehr die Umsetzung, die für viel zu wenig Abwechslung sorgt. Nüchtern betrachtet wirkt „Borbarads Fluch“ somit weit unspektakulärer als sein Ruf.

Hier wird eher ein generelles Dilemma der frühen Publikationen deutlich: Damals sind es eben vor allem Dungeons, die erkundet, von Monstern gesäubert und geplündert werden sollen, eine echte innere Logik existiert oft gar nicht (hier in Ansätzen sogar vorhanden, wenn man von einem Raumschiff als Grundlage ausgeht) und vor allem fehlt in der Regel eine echte Hintergrundgeschichte, die die Zusammenhänge erklärt. Konkret sind die Angaben über die Besucher aus fernen Welten sehr dünn und es gibt nur wenige Informationen über ihre Absichten, auch wird nicht erklärt, wie sie trotz ihrer überlegenen Technik von Borbarad überwältigt werden konnten.

IV. Fazit
Die Vorgeschichte leitet eigentlich eine interessante und spannende Handlung ein, bei der auch die Science-Fiction- Elemente eigentlich nicht stören. Leider aber ist die Umsetzung viel zu unspektakulär ausgefallen, wenn man von Gang zu Gang irrt, ohne dass allzu viel passiert.

Bewertung: Retro-Faktor ausreichend

3 Kommentare

  1. Hm, ich kenne bisher kein anderes Fantasie-RPG wo der Held in einem Reaktor oder Laser gerillt wird … 🙂
    Die komischen Vögel haben es inzwischen auch nach Dere geschafft.
    (Fand das Solo auf einen Flohmarkt …)

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  2. Lobend erwähnen kann man noch die großzügig vorhandenen Schwarz-weiß-Illustrationen mit ihrem ganz eigenen Retro-Charme. Für mich, trotz handwerklicher Schnitzer, ein toller Kult-Klassiker!

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