Ausgesplittert – eine Rückschau auf acht Bände "Splitterdämmerung"

Vorbemerkung: Dank des schon in den Anfangsjahren zügig aufgenommenen Metaplots (vor allem durch den Aventurischen Boten gepflegt) verfügt Aventurien über eine Unzahl von Plotfäden, von denen einige über viele Jahre immer wieder aufgegriffen werden. Und gerade in mehrbändigen Kampagnen werden die zentralen Elemente fortgeführt. In einem Zwischenbereich hat sich die Splitterdämmerung angesiedelt, dockt sie zwar einerseits am wichtigsten bisherigen Storyelement – der Rückkehr Borbarads an – handelt es sich aber andererseits um keine althergebrachte Kampagne, sondern um einen Zyklus, wobei eben ein thematischer Überbau existiert, aber keine stringente Verbindung zwischen den Einzelbänden. Mit immerhin acht Bänden handelt es sich dafür um den bisher neben der Borbaradkampagne um die Sieben Gezeichneten größten Bandkorpus. Grund genug, nach dem Erscheinen des letzten Bandes ein Resümee zu ziehen.

Keine Kampagne – Was dann?

Unter einem Zyklus konnte ich mir bis dato im Abenteuerbereich nicht allzu viel vorstellen, war meine Wahrnehmung bis dahin doch eher von Kampagnen geprägt. In der Tat existieren hier aber große Unterschiede, vor allem ist relativ eindeutig nicht vorgesehen, dass alle Bände mit derselben Heldengruppe durchgespielt werden. Das liegt zum einen an der Vielfalt der Schauplätze. Auch wenn viele – gerade die letzten Bände alle – im Mittelreich und in den Schattenlanden angesiedelt sind, werden doch auch weit auseinanderliegende Örtlichkeiten angesteuert, eben auch der hohe Norden, Aranien und Maraskan. „Firuns Flüstern“ ist zudem sogar so angelegt, dass ein Teil des Bandes nur von einer Orkgruppe erlebt werden kann.

Zum anderen ist es aber die Tragweite der Abenteuer, die es eher unwahrscheinlich erscheinen lässt, dass sie eine stringente Folge darstellen, die am Stück durchgespielt werden können. Immerhin handeln die Bände letztlich von einer großangelegten Aufräumaktion an fast allen Krisenherden Aventuriens.

Hier wäre man aber schon bei den wichtigen Bindegliedern. Vordergründig mag man zunächst vielleicht an die namensgebenden Splitter der Dämonenkrone denken, die als Bedrohung eliminiert werden sollen. Hier stößt man aber schnell auf ein Problem. Zwar gibt es einige Bände, in denen der jeweilige Splitter tatsächlich eine bedeutende Rolle spielt, vor allem in „Seelenernte“ ist dies der Fall. Aber grundsätzlich ist der Splitter oft eher ein Randthema. Wenn überhaupt: Mehrere Bände sind als Zweiteiler kreiert, so sind vor allem „Schleiertanz“, „Träume von Tod“ und „Die verlorenen Lande“ Abenteuer, in denen die Splitter gar nicht vorkommen.

Tatsächlich sehe ich eher die Personen im Vordergrund. Innerhalb der Splitterdämmerung tummelt sich schließlich immerhin alles, was in Aventurien Rang und Namen hat, auf beiden Seiten. So wird hier das Schicksal einer Vielzahl von NSCs weitergeschmiedet oder besiegelt. Im Bereich der Antagonisten sind dies z.B. Glorana, Arngrimm von Ehrenstein, Lucardus von Kemet, Darion Paligan, Dimiona von Zorgan und zuletzt Helme Haffax. Und als Verbündete trifft man auf illustre Gestalten wie Ayla von Schattengrund, Leomar vom Berg, Alrik vom Blautann, Rateral Sanin, Prinz Arkos von Zorgan, Rondrigan Paligan und natürlich auch Kaiserin Rohaja persönlich.

Eine „Stunde Null“ für Aventurien

Tatsächlich hat sich eine zentrale Komponente der Splitterdämmerung erst im Verlauf des Zyklus selbst ergeben. So wurde der Editionswechsel hin zu DSA5 verkündet, als der Startschuss schon längst gefallen war und die ersten beiden Bände schon erschienen waren. Auffällig ist in der Hinsicht auch, dass es nach zwei Erscheinungen 2012 über ein Jahr ohne weitere Veröffentlichung weiterging. In den Ankündigungen auf die DSA5-„Verkündung“ folgend hat sich dann immer mehr herauskristallisiert, dass die Splitterdämmerung der letzte große Paukenschlag von DSA4 sein sollte, auch als Überleitung hin zum sogenannten „Heldenzeitalter“.

Und somit ist der Zyklus in der Tat noch stärker hin zur Entwicklung einer „Stunde Null“ für Aventurien forciert worden: Unter den Erben Borbarads wird an (fast) allen Fronten aufgeräumt, um vor allem im Mittelreich wieder einsteigerfreundlich geordnete Zustände zu haben, wenn die neue Edition in Kraft gesetzt wird.

Somit wird weniger die Geschichte der Splitter erzählt, sondern vielmehr die ihrer Besitzer, deren Schergen und Gegenspielern. Somit kommt es zu dem etwas merkwürdigen Umstand, dass innerhalb der Splitterdämmerung in kurzer Folge fast schon inflationär mit Antagonisten umgegangen wird, die seit über 20 Jahren prägend auf den Kontinent bzw. bestimmte Regionen eingewirkt haben, was zum Teil auch auf die Verbündeten der Helden übergreift, auch hier ziehen einige der prominentesten NSCs in Borons Hallen ein.

Unvollendet?

Allerdings wird nicht jede Geschichte auserzählt: Leider ist ein geplanter Band auf der Strecke geblieben. „Der Träumeschmied“ sollte eigentlich den Plotstrang um Leonardo den Mechanicus abschließen, allerdings geriet offenbar der Zeitplan des Autors aus dem Ruder, so dass Ulisses auf eine Veröffentlichung verzichtet hat, da das Zeitlimit vor der DSA5-Präsentation nicht eingehalten werden kann. Einerseits soll es später ein „splitterfreies“ Abenteuer geben, andererseits soll der Agrimoth-Splitter in einem Roman und im Boten thematisiert werden.

In der Argumentation kann ich die Entscheidung des Verlags absolut nachvollziehen, trotzdem ist es extrem schade, dass somit eine Lücke entstanden ist, vor allem auch, weil Leonardo eine der ältesten und interessantesten Figuren im DSA-Kosmos darstellt.

Qualität auch in der Quantität?

Zentral verbunden mit der Zweckfrage ist natürlich auch die Qualitätsfrage: Je epischer die Hintergrundgeschichte eines Abenteuers ist, desto höher sind natürlich auch die Erwartungen. Die genannten Figuren haben einen guten Auftritt bzw. Abgang verdient und gerade am Kernpuls des Metaplots wollen die Spieler eine Entwicklung, die Vergangenes würdig abschließt und Zukünftiges positiv vorbereitet.

Und in dieser Hinsicht sehe ich die Splitterdämmerung eher zwiespältig. Als sehr positiv habe ich den Beginn wahrgenommen, „Bahamuths Ruf“ führt die Ereignisse in der Blutigen See zu einem spannenden Ende, lässt dabei auch viele Freiräume und bietet viele unterschiedliche Szenarien an. Und „Schleierspiel“ ist ein interessanter Intrigenreigen in Aranien mit einem furiosen Finale im Stile von „Indiana Jones“.

Die darauf folgende lange Pause hat der Qualität zunächst aber nicht gutgetan, vor allem drängt sich mehr und mehr der Eindruck auf, dass zum Teil mit heißer Nadel gestrickt wurde. Sehr deutlich wird dies vor allem bei „Schleierfall“, das zum Teil inkongruent zum Vorgängerband wirkt, weil einige vorbereitete Pfade nicht beschritten werden. Aber auch die beiden abschließenden Bände „Die verlorenen Lande“ und „Der Schattenmarschall“ präsentieren sich durchwachsen, vor allem in der schwankenden Qualität der Einzelepisoden, hier merkt man deutlich, dass viele unterschiedliche Autoren beteiligt waren.

Ein grundsätzliches Problem stellt ein wenig die große Tragweite der Ereignisse dar. Da vieles Auswirkungen auf die höchsten Kreise hat und die Geschehnisse auch im Rahmen des Aventurischen Boten direkt begleitet werden, sind viele Resultate nicht ergebnisoffen, sondern im offiziellen Aventurien gesetzt. Das schränkt, wenn man keine Widersprüche erzeugen will, die Handlungsfreiheit ein, einige der Bände haben zumindest teilweise eine eher stringente Handlung. Da die Bände häufig auch einen militärischen Schwerpunkt haben, sind große Schlachten und Gefechte ein integraler Bestandteil, bei denen es immer etwas schwerer fällt, Einzelpersonen als entscheidenden Faktor einzubeziehen, da ja auch hier im Regelfall ein offizieller Ausgang vorgesehen ist.

Allerdings gibt natürlich auch weitere Highlights, vor allem „Träume von Tod“ und „Seelenernte“ halte ich für hervorragende Abenteuer, weil sie die Atmosphäre in den Schattenlanden gut ausgestalten und teilweise ein beklemmendes Gefühl erzeugen. „Firuns Flüstern“ hingegen fällt in der allgemeinen Kritik teilweise etwas ab, ich persönlich mag die Idee der beiden Heldengruppen, die sich vollkommen anders spielen, wobei ich mich in der Tat der Meinung anschließen würde, dass der „Orkteil“ deutlich stärker gelungen ist.

Fazit

Die Splitterdämmerung führt den aventurischen Metaplot in der Gesamtgeschichte meiner Meinung nach gut und angemessen weiter, unter den Borbarad-Plot wird ein weitgehend schlüssiger Schlussstrich gezogen (wenn auch durchaus noch offene Enden bleiben). Allerdings ist die Qualität der einzelnen Bände etwas schwankend, wobei auch die längere Unterbrechung und das zwischenzeitlich angesagte Zeitlimit (Jahresmitte 2015) ihren Teil beigetragen haben. Unterm Strich bleibt eine spannende Reihe von Abenteuern mit einem vornehmlich militärischen Schwerpunkt, bei dem man den höchsten Kreisen Aventuriens beistehen und zum Sturz vieler der gefährlichsten Antagonisten der DSA-Geschichte beitragen kann.

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