Jede Menge Nostergast

Gerade seit der Jahrtausendwende hat sich DSA und im speziellen Aventurien zu einer Fantasywelt mit einer enormen Beschreibungsdichte entwickelt. Dabei ist auf allen Ebenen eine Fülle an Publikationen mit teils beträchtlicher Textmenge erkennbar. Neben der allgemeinen Weltenbeschreibung wird die örtliche Ebene durch die Regionalspielhilfen bedient, die schon zu Zeiten von DSA4 in beträchtlicher Zahl erschienen sind. Dazu kommen noch Bände zu Spezialthemen wie „Die reisende Kaiserin“. Die Figurenebene wurde bedient durch die Bände der sogenannten Meisterpersonen-Reihe. Wer gerne Geweihte spielt, kann mittlerweile zu jedem der 12 Hauptgötter des aventurischen Pantheons ein Vademecum erwerben. Die inhaltliche Ebene wird zuletzt auch zweigleisig bearbeitet, regelmäßig durch den Aventurischen Boten, zudem immer wieder durch Abenteuer, die unterschiedliche Metaplotfäden aufgreifen.

DSA5 bringt in dieser Hinsicht natürlich ebenfalls Neuerungen mit sich. Im Sinne der notwendigen Aktualität (einige der Regionalspielhilfen sind weit entfernt von jüngeren Metaplotereignissen) werden in den nächsten Jahren neue Spielhilfen erscheinen, was durchaus auch mit neuen Designentscheidungen zusammenhängt, wobei neben der Vollfarbigkeit sicherlich auch inhaltliche Ideen eingebracht werden.

Die Erscheinungsform hat sich dabei in der DSA-Geschichte immer mal wieder geändert, so waren lange Zeit die Boxen das Instrument der Wahl, gefüllt mit 1-2 Heften mit konkreten Beschreibungen der jeweiligen Region mit Land und Leuten, dazu oft noch mit vielen Mysterien (damals: Meisterinformationen), einigen Farbkarten und nicht selten auch einem Heft mit einigen Kurzabenteuern. In Zeiten von DSA4 wurden die Boxen bis auf wenige Ausnahmen (Gareth, Die Dunklen Zeiten) abgelöst durch dicke Hardcoverbände, auf die in der Regel halbwegs zeitnah eine Anthologie mit dazu passenden Abenteuern folgte.

Das Beispiel Nostria und Andergast

Wer nun ähnliches für DSA5 erwartet hat, muss eine drastische Zunahme an Einzelprodukten registrieren. Grundlage sind die Ankündigungen zur ersten Regionalspielhilfe rund um die Streitenden Königreiche Nostria und Andergast. Im Einzelnen wären das:

– die Regionalspielhilfe selbst (192 Seiten, 39,95 Euro)

– der Abenteuerband „Neue Bande und uralter Zwist“ (48 Seiten, 12,95)

– das Spielkartenset zu den Regelerweiterungen (7,95 Euro)

– ein Soundtrack „Sphärenklang“ (17,99 Euro)

– ein Quellenband „Das Heldenbrevier der Streitenden Königreiche (160 Seiten, 14,95 Euro)

– ein Ausrüstungsband „Rüstkammer der Streitenden Königreiche (32 Seiten, 11,95 Euro)

= Insgesamt also 6 Einzelpublikationen mit 432 Seiten zum stolzen Preis von 105 Euro, bemerkenswert v.a. wenn man bedenkt, dass es sich hier um eine Region handelt, die bisher gar keine eigenständige Spielhilfe erhalten hat.

Nicht nur im Netz, sondern auch bei mir selbst ergibt sich dabei die Frage, ob hier der Bogen nicht langsam überspannt wird. Ist eine solche Stückelung für Spieler (somit natürlich auch Kunden) wirklich wünschenswert und schafft dies nicht noch mehr Unübersichtlichkeit in einer Welt, die schon jetzt unheimlich komplex aufgebaut ist und in der es tausende Seiten Beschreibungen gibt, auf die man zurückgreifen kann?

Ich habe hier zwiespältige Gefühle. Einerseits ist das sicherlich durchaus legitim aus Verlagssicht, den Kunden möglich viel Bandbreite zu bieten. Wer etwas nicht unbedingt braucht, muss dies ja auch nicht kaufen und im Einzelfall entscheiden am Ende natürlich auch die Verkaufszahlen, ob ein Angebot nun angenommen wird oder nicht.

So sind für mich beispielsweise das Spielkartenset und der Soundtrack vollkommen uninteressante Produkte, die ich mit Sicherheit aussparen werde. Der Quellenband hingegen klingt nicht so, als hätte er irgendeine Spielrelevanz, inhaltlich kann so ein Band für mich aber durchaus spannend sein, während ich bei der Rüstkammer noch im Zweifel bin. Grundsätzlich ist ja lediglich die Spielhilfe selbst notwendig, wenn man über die Region informiert sein will. Schon in DSA4-Zeiten war ein dazu passender Abenteuerband ein Zusatzprodukt, der ja keine zusätzliche Aspekte beinhaltet, sondern nur die Spielhilfe direkt zur Anwendung bringen soll. Diese Trennung ist aus meiner Sicht von daher nachzuvollziehen.

Ohnehin lässt sich das gesamte Konzept wohl erst dann bewerten, wenn man die Bände wirklich begutachten kann, z.B. wenn man vergleichen kann, inwiefern die „Rüstkammer“ tatsächlich nur eine optionale Erweiterung für die Waffen und Ausrüstungsgegenstände ist, die in der Hauptspielhilfe enthalten sein sollen.

Was wichtig ist

In der Hinsicht stellen sich aber für mich drei absolute Notwendigkeiten dar:

  1. Die Regionalspielhilfe selbst muss so umfassend sein, dass auch wirklich alle Informationen beinhaltet sind, die man braucht, um einen guten Überblick über die Gesamtregion zu haben. Wenn z.B. manche dort angesprochenen Aspekte erst mit dem Quellenband verständlich wären, würde ich das als sehr problematisch ansehen.
  2. Vertiefende Bände wie der Ausrüstungsband sollten kein Material enthalten, was klare Vorteile verschafft, ähnlich wie dies z.B. bei Onlinespielen gebräuchlich ist, wo man solche Vorteile nur gegen zusätzliche bare Münze erhält. Dass materieller Gewinn für einen Verlag notwendig ist, ist unbestreitbar, allerdings muss eine klare Trennlinie da gezogen werden, wo die Grenze erreicht ist, an der man Kunden ohne Not zur Kasse bittet.
  3. Es sollte unbedingt darauf geachtet werden, nicht zu viel Textwust zu produzieren, der später von Relevanz ist. Wenn jede Regionalspielhilfe in diesem Format erscheint, sehe ich doch arge Probleme mit der Übersichtlichkeit erreicht, wenn man z.B. überlegen muss, in welchem Zusatzband zu welcher Region man denn jetzt noch gleich diese oder jene Waffe gefunden hatte, deren Werte man nachschlagen möchte. Zudem muss dann irgendwann dafür gesorgt werden, dass eine Übersicht existiert, was z.B. für Einsteiger basal ist und was nicht.

Fazit

Als Rezensent bin ich grundsätzlich immer gespannt auf neue Produkte und bin auch durchaus gerne ausgelastet, vor allem, wenn lohnendes Material zu sichten ist. Eine so große Aufsplitterung von Produkten und ihren Informationen sehe ich aber zunächst sehr kritisch, weil ich die Übersichtlichkeit als gefährdet empfinde. Immerhin sollte doch eines der Designziele von DSA5 eine gewisse Vereinfachung und größere Einsteigerfreundlichkeit sein. Allerdings halte ich es für ein abschließendes Urteil noch zu früh, solange man die Einzelbände noch nicht kennt und nicht weiß, wie sich die Publikationen ergänzen.

6 Kommentare

  1. Das Verhalten des Verlags ist für mich grenzwertig. Eigentlich ist die moralische Grenze zur Raubritterei schon überschritten.
    336 Seite Wege der Götter kosten momentan 35 (seit 2008 bis heute). 10,42 Ct/Seite.
    „288 Seiten zum stolzen Preis von 105 Euro“ ist nicht ganz richtig, es sind 288 Seiten für 79,80 EUR, dazu kommen CD + Spielkarten. Nur die Schriften: 27,71 Ct./Seite.
    Aber 288 Seiten für 79,80 EUR, das sind nicht mal 86 % der Seitenanzahl (und da geht ja vieles für die Seiten mit Impressum, also Seiten ohne Wert für Spieler, drauf) für bedeutend mehr als den doppelten Preis.
    Ja gut, mag jetzt jemand einwerfen, das ist alles bunt. Aber Wege der Götter war Hardcover.

    Es tut mir leid für Ulisses, ich war bis V4 Sammler und habe alles gekauft. Das mache ich seit V5 nicht mehr, dafür gönne ich mir ab und zu etwas von einem anderen System, von dem ich vorher nie (!) etwas gekauft habe. Ich kann nur hoffen, dass es mir viele gleich tun, damit Ulisses das auch in der Kasse spürt. Denn wenn sich das wieder ändert, dann komme ich gerne zurück.

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    1. Das verbessert nun den Seitenpreis etwas, aber das Grundlegende leider überhaupt nicht. Noch dazu sind 160 Seiten Brevier keine 160 Seiten DIN A4 (sondern eher 50?).
      Ich kann nur sagen, dass ich es mir nicht kaufen werde.

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  2. Bevor jetzt übrigens der totale Shitstorm über das Brevier hereinbricht: Es hat 160 Seiten, nicht nur 16 😉
    (Fiel mir beim Lesen gerade auf, ganz unabhängig von der sonstigen Diskussion.)

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