Rezension: Die Thorwalertrommel

Vorbemerkung: Die erste Großkampagne im Bornland hat ja bereits begonnen, setzt allerdings erst ein, als gewisse Ereignisse schon in Gang gesetzt wurden, was primär die titelgebende Trommel und deren Verschwinden angeht. Diese Lücke wird jetzt durch das Heldenwerk-Abenteuer „Die Thorwalertrommel“ von Daniel Heßler gefüllt, das somit als eine Art Prolog fungiert, in dem einige Hintergründe und natürlich auch Figuren bereits eingeführt werden.

In Zahlen:

– Heldenwerk Nr.5

– 15 Seiten

– Erschienen im April 2016

– Abo-Kombination mit dem Boten 176

 I. Aufbau und Inhalt

Das Heft ist in zwei Handlungskomplexe eingeteilt, in denen die Helden mutmaßlich auf unterschiedlichen Seiten agieren werden, jeweils mit dem Bindeglied der namensgebenden Trommel, die sie zunächst schützen sollen.

Der erste Teil handelt von dem Atmaskot-Umzug durch Festum, bei dem jährlich einer dreijährigen Besetzung der Speicherinsel durch den Thorwalerkapitän Atmaskot Blutsäufer und deren blutiger Niederwerfung gedacht wird. Zentraler Gegenstand ist dabei die Atmaskot-Trommel, die geschlagen wird, während der Umzug stattfindet. Pikanterweise ist die Trommel selbst aus der Haut des getöteten Atmaskot Blutsäufer gestaltet.

Dieses Jahr steht eine Veränderung an, die verantwortliche Ratsherrin möchte den Umzug nicht nur auf der Speicherinsel selbst abhalten, sondern auch in anderen Stadtteilen. Dies ist insofern problematisch, als dass die gesamte Veranstaltung ausgesprochen lokalpatriotische Züge trägt und viele der dazu gehörigen Sitten die Minderheiten (Thorwaler, Nivesen, Norbarden, Goblin, Maraskaner), die zahlreich in den nun ebenfalls zu betretenden Stadtteilen vertreten sind, vor den Kopf stoßen könnten. Gardehauptmann Timpski, der die Sicherheit gewähren soll, ist nun darauf angewiesen, neben der Garde selbst zusätzliche Kräfte als Ordner anzuwerben.

Hier treten nun die Helden auf den Plan, die eben in die Rolle eines solchen Ordnertrupps schlüpfen sollen. Es existiert ein genereller Ablaufplan des Umzuges, samt einer Karte, auf der alle neuralgischen Punkte aufgeführt sind, an denen potentiell Probleme auftauchen könnten. Die Helden erhalten auch die Möglichkeit, vorab Vorkehrungen zur Sicherung zu treffen. Für die konkrete Umsetzung selbst hat der Autor ein kleines Regelsystem für etwaige Übergriffe entwickelt, mit möglichen Aktionen und Folgen, natürlich ebenfalls mit denkbaren Gegenmaßnahmen der Helden, dazu jeweils passenden Probemechanismen. Zur atmosphärischen Unterlegung sind kurze Szenenbeschreibungen vorhanden, genauso wie Figurencharakterisierungen für einige andere Ordner und Gardisten.

Haben die Helden diese Aufgabe bewältigt, ist das Abenteuer noch nicht beendet. Durch das handfeste Eingreifen dürften sie dem ehemaligen Adelsmarschall Jucho von Dallenthin und Persanzig aufgefallen sein. Dieser hat ein eher phexgefälliges Anliegen, was letztlich zu den Ereignissen von „Der weiße See“ überleitet.

II. Figuren

Ungewöhnlicher Weise verfügt das Abenteuer durch seine Zweiteilung auch über zwei Auftraggeber, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Jucho von Dallenthin und Persanzig ist eine der ältesten Figuren des Bornlandes und hat im aventurischen Metaplot seine Spuren hinterlassen. Folgerichtig wird er hier als eine sympathische Mentorenfigur eingeführt, allerdings auch mit einer undurchsichtigen, phexischen Komponente. Dem gegenüber steht mit Gardehauptmann Elkman Timpski ein gradliniger Karrierist, der den rassistischen Umzug für seine Zwecke verwenden möchte. Dementsprechend dürfte die  einzige Bindung der Spielerhelden an ihn in der zu erwartenden Belohnung liegen, nicht in durch persönliches Charisma erworbener Loyalität.

III. Kritik

Eine wesentliche Anforderung an „Die Thorwalertrommel“ ist das Füllen einiger Lücken aus „Der weiße See“, eben vor allem was den zentralen Gegenstand angeht. Und dies gelingt tatsächlich, durch die Teilnahme am Umzug kann man ein Gefühl dafür entwickeln, warum die Trommel in Festum diese Bedeutung hat.

Ohnehin ist die Grundidee durchaus originell, der Schutz eines solchen Umzuges ist sicherlich nicht der spektakulärste Inhalt, dafür aber vergleichsweise unverbraucht. Zumal eine solche Geschichte, die relativ schnell durchspielbar sein sollte, genau in das Profil der Heldenwerk-Hefte passt. Aus dieser Warte ist es auch nachvollziehbar, dass die Helden hier mit gewissen Grenzen leben müssen, z.B. als Ordner auf schwere Waffen verzichten müssen. Somit werden sie hier wahrscheinlich kaum vor die Frage von Leben und Tod gestellt, sondern müssen sich im überschaubaren Rahmen beweisen.

Das bedeutet zugleich nicht, dass keine abwechslungsreiche Handlung geboten wird: Die gute Routenbeschreibung mit den neuralgischen Punkten ermöglicht den Spielern viele Möglichkeiten der Handlungsplanung, der Spielleiter hat demgegenüber viele Gelegenheiten, Herausforderungen zu kreieren. Das Regelsystem ist einfach und verständlich gestaltet, wenn mir persönlich auch vorschweben würde, die Situationen deutlich öfter spielerisch auszugestalten als mit reinen Regelproben.

Grundsätzlich gefällt mir auch der Aspekt, Rassismus als Thema aufzugreifen, vor allem im Rahmen einer Dilemmasituation, wenn die Helden gegen Menschen vorgehen müssen, deren Motive bzw. Empörung sie vermutlich gut nachvollziehen können. Immerhin wird in der Beschreibung der Umzugsriten kaum ein Klischee ausgelassen und quasi jede in Festum vorhandene Minderheit angegangen. Allerdings wird dies einleuchtend erklärt mit der besonderen Umbruchszeit, in der sich das Bornland gerade befindet, und die von einer besonderen Aggressivität bestimmt ist (was sich ja auch in „Der weiße See“ wiederfindet).

Als etwas problematisch sehe ich hingegen die Zweiteilung der Handlung an, wenn der zweite Auftrag hinzukommt, der ja auch das genaue Gegenteil der Eröffnung des Abenteuers darstellt (statt Schutz der Trommel nun der Diebstahl). Hier sehe ich zunächst einmal einen gewissen Bruch, weil ein Ansatz gewählt wurde, der die Ereignisse des ersten Handlungsabschnitts quasi vollkommen ignoriert, da es hier vollkommen irrelevant ist, ob die Helden die Trommel beim Umzug schützen konnten oder nicht. Genauso spielt ihre Haltung zu dem Umzug selbst oder Timpski im Prinzip keine Rolle, da für beide Fälle eine ausgesprochen glattgebügelte Lösung gefunden wurde. Allerdings stellt es in dieser Hinsicht für mich eine gewisse Logiklücke dar, dass Jucho im Zweifelsfall behauptet, der Diebstahl fände mit Billigung Timpskis statt. Das würde bei den meisten Heldentruppen (zumindest denjenigen, die nicht völlig vertrauensselig agieren) auf Misstrauen stoßen und könnte einer Überprüfung nicht standhalten. Hier sehe ich es eigentlich als alternativlos an, dass Jucho sie von seiner Sache (Misstrauen gegen Timpski und die Garde) überzeugen muss.

Der Diebstahl selbst ist grundsätzlich eine interessante Idee, gerade auch, weil man hier gegen eine Institution agieren muss, für die man kurz zuvor noch gearbeitet hat. Die Karte und die Beschreibungen sind hier nützliche Hilfsmittel, nebst den originellen Gegenständen zum Rausschmuggeln der Trommel, die mit ihren Tücken für unangenehme Überraschungen sorgen dürften. Grundsätzlich bleibt aber vergleichsweise wenig Platz (im Prinzip die letzten 3 Seiten, von denen eine ganz von der Karte ausgefüllt wird) für dieses Handlungssegment. Hier muss der Spielleiter also sicherlich noch viel ergänzen, besonders reizvoll erscheint mir hier die Frage, wie die Helden bei einer drohenden Begegnung mit Timpski reagieren (hier nur in einem Nebensatz als optional erwähnt). Somit zeigt sich an dieser Stelle wieder die Grenze des Formats, meiner Auffassung nach ist eine mehrteilige Handlung nur auf Kosten von Genauigkeit in der Beschreibung zu stemmen.

IV. Fazit

„Die Thorwalertrommel“ verfügt mit dem Umzug über eine vergleichsweise unverbrauchte Grundidee, die mit dem vorhandenen Material gut spielbar ist. Die Verbindung zum zweiten Abenteuerteil sorgt aber für einige Brüche, da dieser Bereich des Abenteuers deutlich gröber ausgeführt ist und nicht in allen Aspekten logisch erscheint.

Bewertung: 4 von 6 Punkten

2 Kommentare

  1. Ich finde die Grundidee des ersten Teils auch sehr innovativ und erfrischend – abgesehen davon, dass die Motivation problematisch sein dürfte (Sicherung eines arg rassistisch angehauchten Demonstrationszuges)

    Den Einbruch in der Garnison finde ich ebenfalls sehr vielversprechend, doch….oha….obwohl wieder einmal ein sehr gelungener Gebäudeplan vorliegt, fehlt ein kleines aber nicht unwesentliches Detail:

    Das Gebäude hat überhaupt keine Fenster! 😉

    Fazit: wieder ein sehr nettes Heldenwerkabenteuer! Ich bin begeistert von dieser Reihe!

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