Rezension: Neue Bande & uralter Zwist

Vorbemerkung: So langsam nähern sich meine persönlichen „Nostergast-Wochen“ dem Ende zu. Allerdings ist DSA eben immer noch ein Rollenspiel und somit wird das Ganze erst dann abgerundet, wenn eine Region tatsächlich auch mit Abenteuermaterial versehen wird. Diese Aufgabe fällt „Neue Bande & uralter Zwist“ von Marco Findeisen zu. Wichtig bei einem solchen Begleitband ist natürlich in erster Linie die Frage, ob auch wirklich ein Inhalt kreiert wurde, der die Verhältnisse in der Region gut und beispielhaft abbildet und der auch nicht beliebig mit ein paar Namensänderungen bei Figuren und Örtlichkeiten woanders spielen könnte.

In Zahlen:

– 48 Seiten

– Preis: 12,95 Euro

– Erschienen am 19.5. 2016

I. Aufbau und Inhalt

Der Band weist eine generelle Dreiteilung auf, indem die Helden zu Beginn Zeugen eines ungeheuren Verbrechens werden, anschließend die Spur der Verursacher aufnehmen und diese im finalen Akt stellen können.

Grundsätzlich beginnt das Abenteuer mit einem hocherfreulichen Anlass. Während die Helden sich in Joborn befinden, soll die Hochzeit zwischen Gosthelm von Joborn, den Sohn des Stadtherrn aus Andergast und der nostrischen Ritterstochter Noraletha von Eichenschlag endlich dafür sorgen, dass in dem stetigen Zankapfel Joborn, das wechselseitig von beiden Königreichen beansprucht wird, dauerhaft Frieden einkehrt.

Allerdings verläuft dies von Anfang an nicht komplikationsfrei, birgt doch die Anwesenheit von vielen Adeligen und ihrem bewaffneten Gefolge eine Menge Zündstoff, was schon im Vorfeld der Hochzeit für einige Auseinandersetzungen sorgt. Die wahre Katastrophe steht am Hochzeitstag selbst an, als durch den Mord an einem Soldaten plötzlich Chaos ausbricht und beide Fraktionen ohne viel Federlesen aufeinander losgehen. Nur mühsam gelingt es den Helden wieder Ruhe einkehren zu lassen, im Resultat stehen viele Tote aus beiden Lagern. Um dem Unglück die Krone aufzusetzen, stellt sich nach dem ersten Durchatmen auch noch heraus, dass in den Kampfwirren die Braut verschwunden ist. Sich gegenseitig die Schuld gebend, begeben sich die Repräsentanten beider Königreiche an Kriegsvorbereitungen, um den Gegner für den gefühlten Verrat büßen zu lassen. Besonnenere Gemüter jedoch beauftragen die Helden, die wahren Hintergründe aufzuklären und die Schuldigen (und natürlich Noraletha selbst) zu finden.

In der Folge ergibt sich ein Reiseabenteuer durch die wilde Natur Andergasts. Die Gesuchten weisen einen großen Vorsprung auf, den die Helden nur dadurch aufholen können, dass sie sich Hilfe besorgen. Dazu stehen zunächst ein Sume und später eine Hexe auch gerne bereit, nicht jedoch ohne eine entsprechende Gegenleistung zu erbringen. Diese Aufgaben nötigen der Heldengruppe die intensivere Beschäftigung mit der Natur und den Naturwesen der Wälder von Nostria und Andergast ab.

Zuletzt sollten die Helden ihre Gegner eingeholt haben, allerdings findet das Finale in einem großen Dungeonkomplex statt, in dem Heimlichkeit oder diplomatisches Geschick weit erfolgsversprechender  scheinen als ein offenes Vorgehen. Dabei ist ein detaillierter Plan des Gebäudes vorhanden und es existieren Beschreibungen der wichtigen Räume, wobei teilweise sogar differenziert wird zwischen den Begebenheiten bei Tag und bei Nacht.

Aber auch nach Beendigung der Entführung steht als letzte Aufgabe noch ein diplomatischer Marathonlauf an, müssen die Helden doch alle Beteiligten Fraktionen davon überzeugen, dass es sich um die Tat eines Einzelnen handelt, um den drohenden Krieg abzuwenden.

II. Figuren

Das Abenteuer beinhaltet überraschender Weise einen Großteil der Führungspersönlichkeiten beider Königreiche, sogar König Wendelmir höchstselbst tritt auf. Hier wird auch gleich eine Besonderheit des überschaubaren Settings deutlich, kann man hier doch den Herrscher eines Landes nebenbei in einer Schänke in einer noch dazu kompromittierenden Situation antreffen – undenkbar in den meisten anderen Regionen Aventuriens. Aber auch hohen nostrischen Würdenträger wie dem Königinnengemahl Eilert oder der Marschallin Rondriane von Sappenstiel kann man begegnen, wobei ersterer das stürmische und zweitere das bedächtige Element verkörpert.

Auf der konkreten Abenteuerebene ergibt sich mit  Rodegrimm vom Blutbuchenfost ein hartnäckiger und fest entschlossener Antagonist. Eine interessante Rolle nimmt Altgräfin Melanoth von Ingvalsrohden ein, die über keinerlei schlechte Absichten verfügt, trotzdem ein Hindernis für die Helden darstellen dürfte.

Neben dem Hochadel sind aber auch viele Vertreter des einfachen Volkes eingebunden, z.B. der Flößer Ulward. Im Mittelteil werden zudem die naturverbundenen NSCs eingeführt, wobei mit Barl ein Vertreter der Sumen und mit Asmolinda eine Vertreterin der Hexen eingeführt werden, also die beiden maßgeblichen magiebegabten Figurentypen beider Königreiche berücksichtigt werden.

III. Kritik

Tatsächlich hat mich der Plot von „Neue Bande & uralter Zwist“ etwas überrascht, hatte ich doch – getreu der Grundstimmung des Settings und auch der bisherigen Publikationsstrategie – ein eher bodenständiges Abenteuer erwartet, bei dem die Helden einen Auftrag in einem abgelegenen Dorf irgendwo in den Wäldern vollbringen sollen. Stattdessen tritt ein nicht geringer Teil des Hochadels auf, bis hin zum König von Andergast persönlich und auch die Tragweite der Aufgabe befindet sich in höheren Dimensionen, gilt es doch einen neuen Krieg zu verhindern.

Trotzdem entwickelt sich das Abenteuer nicht in die Richtung einer epischen Aneinanderreihung von großen Gefechten, sondern verfügt über eine vergleichsweise konventionelle Handlungsabfolge. Der Einstieg wirkt ein wenig wie von „Game of Thrones“ inspiriert, wo ja auch insbesondere Hochzeiten gerne mal in veritable Gemetzel ausarten. Die Größe der Veranstaltung sorgt immerhin dafür, dass es tatsächlich glaubhaft erscheint, dass der Fokus der Aufmerksamkeit nicht auf der Vereitelung der Entführung liegen dürfte, sondern die Helden genug damit beschäftigt sind, die Probleme in ihrer unmittelbaren Umgebung zu lösen und sich erst später um etwaige Auslöser kümmern können. Die Einbindung des Liebeslichts sorgt zudem für ein tiefes Eintauchen in die Joborner Geschichte, das göttliche Wirken unterstreicht zudem den epischen Charakter der Geschehnisse (für die Verhältnisse von Nostergast). Allerdings erscheint die Art der Auslösung regeltechnisch etwas arg profan gelöst. Als interessante Idee empfinde ich auch die Möglichkeit, selbst den höchsten Würdenträgern zu begegnen. Das zeigt nachdrücklich die Begrenztheit des Mikrokosmos Andergast, wenn der König von Andergast urplötzlich in einer Schänke mit den Helden in Konflikt geraten kann, während er gerade eine Frau belästigt. Das ist ein deutliches Unterscheidungsmerkmal zu fast allen anderen Regionen Aventuriens, in der der Adel sich nicht nur vom Stand, sondern auch vom Alltagsleben her in einer Parallelwelt bewegt.

Als deutlich schwächer nehme ich dafür den Mittelteil wahr, hier erscheint mir der Lokalkolorit etwas zu sehr mit dem Holzhammer herbeigeführt, wenn nacheinander die Aufträge des Sumen und Hexe erfüllt werden müssen. Hier wirkt es doch sehr stark so, als sollten unbedingt solche typischen NSCs eingebracht werden. Zumal ihre Aufträge die Helden zumindest gefühlt massiv ausbremsen, was sicherlich mit manchen Heldengruppen nicht einfach zu bewerkstelligen sein wird. Die Aufgaben stehen zudem in starkem Kontrast zu der Hauptqueste mit dem Fokus der Kriegsabwendung, wenn hier Wasser gesammelt werden soll oder Vogelfänger an ihrem Tun gehindert werden sollen.

Die Lenkung ist hier außerdem sehr stark (auch wenn immer wieder auf Alternativen hingewiesen wird, die aber meist etwas unbefriedigend wirken), wenn z.B. mit aller Macht vom Spielleiter unterbunden werden soll, dass Rodegrimm schon im Mittelteil gefasst wird. Hier hätte es durchaus einfachere Möglichkeiten gegeben, z.B. dass nur noch seine Schergen auf die Helden warten und er schon längst weitergezogen ist. Ihn hier den Helden vor der Nase entkommen zu lassen, ist spieltechnisch für meinen Geschmack eher frustrierend denn spannungssteigernd.

Umgekehrt sehr positiv ist meiner Auffassung nach das Finale auf Bug Nordvest gestaltet. Im starken Kontrast zum vorherigen Abschnitt ist dort nur wenig Handlung vorgegeben, stattdessen wird den Spielern sehr viel eigener Gestaltungsraum gewährt, so dass sich die weitere Handlung sehr unterschiedlich entwickeln kann. Beispielsweise ist ein Einschleichen und lautloses Verlassen der Burg genauso denkbar wie ein Eindringen in die Gemächer der Burgherrin, um zu einer diplomatischen Lösung zu gelangen, zuletzt kann die Burg sogar erobert werden, auch wenn diese Variante eher unwahrscheinlich sein dürfte.

Den Grundstock für ein Gelingen dieser freien Gangart stellt die detaillierte Beschreibung der Burg und den dortigen Begebenheiten dar, die dem Spielleiter die anspruchsvolle Aufgabe, einen solchen Gebäudekomplex mit Leben zu erfüllen, deutlich erleichtert. Wichtig ist dabei auch die Unterscheidung in der Beschreibung, ob die Helden einen Ort bei Tag oder bei Nacht betreten.

Gut gelungen ist zudem die Vernetzung mit der Spielhilfe. Zwar widersprechen sich hier Klappentext (Almanach und Grundregelwerk werden als einzige Referenz genannt) und Bandinneres (hier wird die Regionalspielhilfe als notwendig bezeichnet), meiner Auffassung nach kann man das Abenteuer komplett ohne die Spielhilfe spielen. Wer sie besitzt, kann natürlich immer auf mehr Informationen zurückgreifen, z.B. was die Ausgestaltung von Joborn oder den Hintergrund der prominenten NSCs angeht, es existieren im Abenteuer selbst aber genügend Kurzinformationen.

IV. Fazit

„Alte Band & neuer Zwist“ bietet eine überraschend großformatige Hintergrundgeschichte und Begegnungen mit dem Who is who beider Königreiche und verfügt vor allem über ein gut ausgestaltetes und viel Bewegungsfreiheit gewährendes  Finale. Im Mittelteil ist die Handlung für mich aber zu stark klischeehaft konstruiert.

Bewertung: 4 von 6 Punkten

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