Rezension: Sklaven für eine Nacht

Vorbemerkung: Während es in unseren irdischen Gefilden draußen langsam kälter und ungemütlicher wird, bietet das letzte Heldenwerk-Heft des Jahres ein totales Kontrastprogramm. Schließlich führt es dieses Mal in den Tiefen Süden, genauer gesagt – wie der Titel im Prinzip schon verrät – in die Metropole Al´Anfa. Autor Alex Spohr wagt sich hier an ein heißes Eisen: Immerhin ist eine Voraussetzung des Abenteuers, dass die Helden gefangen genommen werden und sich in die Sklaverei begeben müssen. Solche Einstiege stehen auf der Beliebtheitsskala traditionell sehr weit unten, ist doch der Grat hin zur Meisterwillkür bzw. Spielergängelei extrem schmal. Spannend ist also unter anderem die Frage, wie mit diesem Dilemma umgegangen wird.

In Zahlen:

– Heldenwerk Nr. 9

– 15 Seiten

– Erschienen am 5.12. 2016

I. Aufbau und Inhalt

Das Abenteuer ist in drei Akte aufgeteilt, die einen stark unterschiedlichen Aufbau erhalten haben. Vorab jedoch geht es zunächst um die Gefangenschaft der Helden. Hier ist kein konkretes Szenario vorgesehen, es finden sich lediglich einige Vorschläge zu den Umständen. Explizit werden hier auch Maßnahmen angesprochen, um zu große Heldengängelei zu vermeiden. Zudem wird die Hintergrundgeschichte einer Grandenfamilie in Al´Anfa geschildert, in die die Helden in der Folge verwickelt werden, wobei das Abenteuer einen deutlichen Krimi-Schwerpunkt erhalten sollte.

Die ersten beiden Akte sind – dem knappen Format geschuldet – sehr grob gehalten. Hier werden zunächst die Überfahrt nach Al´Anfa und der sich anschließende Sklavenbasar beschrieben, was vor allem den Charakter einer Exposition erhält, indem die Helden einerseits wichtige Figuren kennenlernen und andererseits mit ihrer Sklavenrolle vertraut werden sollen.

Die eigentliche Kernhandlung findet jedoch im dritten Akt statt, der vergleichsweise frei gestaltet ist. So findet sich ein Plan nebst Raumbeschreibungen der Stadtvilla, die im Wesentlichen der Schauplatz sein dürfte. Zusätzlich werden die meisten wichtigen NSCs vorgestellt und ein grober Ablauf für die ersten 6 Tage skizziert. Hier existieren allerdings kaum festgelegte Abläufe, letztlich wird von den Helden bestimmt, wie die Handlung voranschreitet.

II. Figuren

Grundsätzlich sind die Heldenwerkhefte nur begrenzt dazu geeignet, ausführliche Charakterbeschreibungen anzubieten. Dies ist auch hier nicht der Fall, trotzdem spielen die NSCs eine zentrale Rolle, stehen die Entwicklungen innerhalb des Abenteuers doch in direkter Verbindung zur Konstellation innerhalb der Grandenfamilie Bonareth, deren Mitglieder sehr unterschiedlich mit den Sklaven umgehen und die auch untereinander einige Konflikte aufweisen. Für die Helden von besonderer Bedeutung sind dabei vor allem die beiden äußerst ungleichen Geschwister Valerian und Amelia.

III. Kritik

Ein Lob gebührt dem Abenteuer vorab allein schon für die Wahl des Schauplatzes. Nach der extremen Dominanz des Bornlandes und Andergast/Nostria in den Publikationen der vergangenen Monate stellt dieser kleine Ausflug in den Süden eine echte Abwechslung dar, was tatsächlich auch durch die exotischere Atmosphäre unterstrichen wird, liegt die Betonung doch eindeutig auf dem Aspekt der Sklavenhaltung.

Gerade dieser sensible Bereich wird tatsächlich gut aufbereitet, um die Einschränkung der Helden möglichst ertragbar zu gestalten. Hier finden sich für den Spielleiter gleich mehrere Anregungen, um das Gefühl der Gängelung möglichst wenig aufkommen zu lassen, z.B. wie sich zwischendurch kleinere Erfolgserlebnisse erreichen lassen oder das Gewähren der Perspektive, seine geliebte Ausrüstung am Ende komplett zurück zu erhalten. Allerdings wartet hier auf den Spielleiter trotzdem jede Menge Arbeit, da ja komplett offen gelassen wird, wie die Gefangennahme gestaltet wird, es sei denn, man entscheidet sich für die meiner Auffassung nach eher unbefriedigende Lösung, dies einfach schon in der Einführung zu setzen und somit gar nicht auszuspielen.

Ähnliches gilt für die Anreise und die Ankunft auf dem Sklavenmarkt, die Szenen sind sehr grob umrissen und harren demnach noch der Ausgestaltung, wozu allerdings einige atmosphärische Handlungsskizzen vorhanden sind. Ganz anders ist dies für die Villenbeschreibung im dritten Kapitel gestaltet, hier erhält der Spielleiter alle notwendigen Informationen, um die Örtlichkeiten verwenden zu können, vor allem ist auch eine gute Karte des Anwesens enthalten.

Allerdings setzt hier meine zentrale Kritik an, die eher auf der Figurenebene problematische Konstruktionen sieht. So finden sich zwar Kurzbeschreibungen der Familienmitglieder der Bonareths, nicht aber auf der Dienerebene. Der Antagonist, der als wichtigster Handlanger als erster und direkter Gegenspieler in handfester Form auftreten dürfte, wird somit nur in der Hintergrundgeschichte erwähnt und erhält dabei lediglich drei Zeilen mit zwei Eigenschaften, Werte fehlen vollkommen. Und auch das, was an Beschreibungen vorhanden ist, halte ich für nicht immer überzeugend. So soll Valerian sichtbar als Verbündeter aufgebaut werden, eine echte Motivation dafür wird aber nicht ersichtlich, warum ein Grandensohn wildfremde Helden, die noch dazu als Sklaven auftreten, binnen zwei Tagen zu seinen wichtigsten Vertrauten machen sollte. Einzig ein Streit mit seiner Schwester ist für mich nicht hinreichend, hier müsste ein wesentlich stärkeres Motiv konstruiert werden, z.B. die Vereitelung eines Attentats oder ähnliches.

Damit vereint das Abenteuer Stärken und Schwächen der Heldenwerk-Hefte zugleich in sich. Sinnvoll ist die Konzentration auf einen begrenzten Schauplatz, der sich auf wenigen Seiten gut umschreiben lässt, wie es hier bei der Grandenvilla der Fall ist. Durch die Situation der Gefangennahme ist zudem ein glaubhafter Grund für die Beschränkung des Aktionsradius vorhanden, auch innerhalb einer Metropole wie Al´Anfa. Andererseits aber fehlt es in den meisten Handlungsbereichen an wichtigen Hilfestellungen. Das betrifft einerseits wie schon erwähnt die gesamte Wegstrecke bis Al´Anfa, vor allem erschwert dies die Darstellung von komplexen Verhältnissen, wie es bei einem Kriminalfall gemeinhin notwendig ist. Die Beziehungen und Motive innerhalb der Familie werden zwar gut erläutert, allerdings fehlen wichtige Aspekte, um eine echte Ermittlung zu ermöglichen, z.B. Indizien und Alibis. Besonders augenfällig wird der fehlende Platz, wenn zwar eine Geisterexistenz erwähnt wird, aber zu den Hintergründen der Figur nichts bekannt ist außer der tragischen Liebesgeschichte. Nach wie vor halte ich das Format für solche Plots nur eingeschränkt geeignet. Zuletzt finden sich einige Widersprüche: So wird am Ende von einer Flucht der Helden ausgegangen. Allerdings ist es sehr wahrscheinlich, dass sie ihre Freiheit verbrieft erhalten, wodurch eine Flucht eigentlich nicht mehr notwendig sein sollte.

IV. Fazit

„Sklaven für eine Nacht“ setzt die Sklavenhalter-Komponente Al´Anfas atmosphärisch gelungen in Szene, verfügt zudem über eine gute Beschreibung des Schauplatzes. Auch das brisante Thema der Gefangenschaft wird sensibel angegangen, um die Heldengängelung zu vermeiden, was im Rahmen der Möglichkeiten auch funktioniert. Allerdings ist der Rahmen der Handlung, sowohl in der Anreise als auch in der Umsetzung des zugrundeliegenden Kriminalfalls sehr grob gefasst und nicht alle Facetten der NSCs sind nachvollziehbar gestaltet.

Bewertung: 3 von 6 Punkten

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